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(3) Betrieb im Sinne des § 111 BetrVG

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Der Begriff des Betriebs wird im Gesetz nicht eigens definiert, sondern von der Rechtsprechung geprägt. Danach ist „ein Betrieb im Sinne des BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden“.36

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Unabhängig von der Frage, ob dieser vermeintlich objektive Betriebsbegriff nicht schon immer artifiziell war,37 stellt sich heute angesichts von Globalisierung, Digitalisierung und steueroptimierten Unternehmensgestaltungen die Frage, ob eine solch starre Definition noch der unternehmerischen Lebenswirklichkeit und dem Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes, nämlich Arbeitnehmerinteressen zu schützen, gerecht wird.

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Die Frage nach der richtigen Bestimmung des Betriebs ist in der konkreten Betriebsänderungssituation dann aber meist wieder relativ einfach zu behandeln, da nach herrschender Auffassung für die Frage, was Betrieb im Sinne der Betriebsänderung ist, in der Regel auf die Wahleinheit zurückgegriffen werden kann. Das BAG hat u.a. 1995 festgehalten, dass „die Einheit, für die der Betriebsrat gewählt worden ist, einen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt.“38 Ist also eine Wahl nicht angefochten worden, obwohl der Betriebsbegriff verkannt wurde, gilt die Vertretungseinheit als Betrieb im Sinne des § 111 BetrVG. Erst recht gelten ganz unstreitig die gesetzlich vorgesehenen Gemeinschaftsbetriebe, aber auch die Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als Betrieb im Sinne des § 111 BetrVG.

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Soweit jedoch von Rechtsprechung und Literatur dies schematisch auch dort angenommen wird, wo zum Schutze bzw. der besseren Vertretung von Beschäftigten deren Betreuung durch größere Einheiten als zwingend notwendig erfolgen soll, entsteht ein Wertungswiderspruch, den man nicht einfach negieren kann. Beschließen z.B. die Beschäftigten eines Betriebsteils nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, statt der Wahl eines eigenen Betriebsrats sich vom Betriebsrat des Hauptbetriebs vertreten zu lassen, und wird anschließend der betriebsratsfähige Betriebsteil geschlossen, kann das dazu führen, dass die Sozialplanpflicht entfällt, weil nach herrschender Auffassung die große Einheit als Bezugspunkt genommen wird.39 Gleiches gilt nach h.M. in der Literatur für abweichende Strukturen gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 BetrVG durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung,40 ohne dass dies höchstrichterlich entschieden wäre. Hinsichtlich der Zusammenfassung mehrerer Betriebe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG hat das BAG in anderem Zusammenhang erklärt, dass dies trotz der Fiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG nicht zum Verlust der betriebsverfassungsrechtlichen Identität der zusammengefassten Einheiten führe.41 Logische Schlussfolgerung wäre es also, die Verbesserung der Vertretung gerade nicht zum Nachteil bei der Bestimmung einer Betriebsänderung werden zu lassen. Vorläufig wird man angesichts der herrschenden Meinung jedoch genau überlegen müssen, ob es aus Arbeitnehmersicht wirklich sinnvoll ist, Zuordnungsbeschlüsse nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorzunehmen oder Betriebs- oder Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG zu schließen.42

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