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(b) Personalabbau

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Dass auch ein reiner Personalabbau unter Beibehaltung der sächlichen Betriebsmittel eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 1 BetrVG sein kann, ist seit langem herrschende Rechtsprechung.58 Die Einführung des § 112a Abs. 1 BetrVG mit Wirkung ab 1.5.1985 hat gegenteiligen Stimmen in der Literatur endgültig den Boden entzogen. Dort ist der Fall geregelt, dass abweichend zu den sonstigen Regelungen bei Betriebsänderungen im Sinne von Ziff. 1, welche ausschließlich aus der Entlassung von Arbeitnehmern besteht, eine Sozialplanpflicht nur gegeben ist, wenn die Schwellenwerte des § 112a Abs. 1 BetrVG erreicht werden. § 112a BetrVG ist aber bei der Frage, ob eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Ziff. 1 BetrVG vorliegt, (noch) nicht heranzuziehen.

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Dass auch bei der Betriebseinschränkung durch reinen Personalabbau eine gewisse Erheblichkeit zu fordern ist, ist allgemeine Auffassung. In ständiger Rechtsprechung erklärt das BAG, dass eine Betriebseinschränkung i.S.v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, die als Betriebsänderung (§ 111 Satz 1 BetrVG) gilt, auch in einem bloßen Personalabbau liegen kann, wenn erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind. Richtschnur sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG.59 Die dortigen zeitlichen Einschränkungen und Handlungsvorgaben sind nicht zu beachten, es geht nur um die Übernahme der Zahlenwerte Dass es sich nur um eine Richtschnur handelt, kann nur bedeuten, dass ein geringfügiges Unterschreiten des jeweiligen Schwellenwerts einer Betriebseinschränkung nicht entgegensteht.60

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Richtwerte für die Bestimmung erheblicher Teile der Belegschaft:

(in Anlehnung an § 17 KSchG)

1. Betriebe mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern:mehr als 5 Arbeitnehmer
2. Betriebe mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern:10 Prozent der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer
3. Betriebe mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern:mindestens 30 Arbeitnehmer
abermindestens 5 %

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Für Großbetriebe61 wird diese Staffel eingeschränkt. Dort ist eine Betriebseinschränkung durch reinen Personalabbau i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erst bei einem Personalabbau von mindestens 5 % der Gesamtbelegschaft62 anzunehmen.

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Für Kleinbetriebe, für die es keinen Wert in § 17 Abs. 1 KSchG gibt, fordert das BAG63 unter Verweis auf § 112a BetrVG fälschlich die Betroffenheit von mindestens sechs Arbeitnehmern. Es verkennt dabei, dass § 112a BetrVG nur die Funktion hat, die Sozialplanpflicht bei Betriebsänderungen im Sinne von § 101 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ausnahmsweise auszuschließen. Der Ausschluss der Sozialplanpflicht im Einzelfall belässt aber systematisch gesehen die Interessenausgleichspflicht. Damit ist es systemwidrig, die Zahlenwerte des § 112a BetrVG dafür heranzuziehen, eine Betriebsänderung insgesamt auszuschließen. Oetker spricht sich mit guter Begründung in gedanklicher Fortschreibung der Werte des § 17 Abs. 1 KSchG für eine Mindestbetroffenheit von drei Arbeitnehmern aus.64 Andere Autoren fordern 30 % oder ein Drittel.65

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Unabhängig von der Frage, welchen konkreten Mindestwert man im Kleinbetrieb annimmt, ist er zumindest prozentual höher als in größeren Betrieben. Betreibt nun ein Unternehmen eine Vielzahl von Kleinbetrieben statt mehrerer größerer Betriebe, so würde es im Hinblick auf die Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht begünstigt. Daher ist in solchen Fällen bei parallelen Abbaumaßnahmen in mehreren Kleinbetrieben aufgrund einer gemeinsamen Planung ergänzend zu hinterfragen, ob bei Nichterreichen der hohen Schwellenwerte im Kleinbetrieb nicht eine Zusammenfassung derselben und Anwendung der sich dann ergebenden Werte doch eine Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht ergäbe. In diesen Fällen ist eine Nachjustierung durch insoweit verfassungskonforme Auslegung der §§ 111ff. BetrVG vorzunehmen und die Betriebsänderung zu bejahen.66

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Die Zählung der vom Abbau Betroffenen geht zunächst von der Planung aus. Eine Reduktion des geplanten Abbaus im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen lässt die danach zunächst bestehende Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht nicht nachträglich entfallen. Gezählt werden die aus betrieblichen Gründen zu kündigenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch solche, die im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung einen Aufhebungsvertrag abschließen oder eine arbeitgeberveranlasste Eigenkündigung erklären. Ebenso werden diejenigen gezählt, welche in einen anderen Betrieb versetzt werden oder bei einer Änderungskündigung das Angebot geänderter Arbeitsbedingungen ablehnen.67 Auch diejenigen, die infolge eines Teilbetriebsübergangs den Betrieb verlassen, sind zu werten, da die Arbeitsplätze ja dadurch planmäßig dauerhaft entfallen.68 Gezählt wird nach Köpfen und nicht etwa nach Vollzeitäquivalenten oder Mitarbeiterkapazitäten.69

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Fälschlich von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ausgenommen von der Zählung sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen oder wegen Befristung endet, wie auch insgesamt die natürliche Fluktuation.70 Hier wird unzulässig die Frage, wer später welche Ansprüche aus einem Sozialplan geltend machen können soll, mit der Frage vermengt bzw. vertauscht, ob eine signifikante betriebliche Veränderung vorliegt. Es geht hier aber erst einmal um den Vergleich, wie der Betrieb vorher und wie er nachher aussieht. Werden etwa nach zehn verhaltensbedingten Kündigungen die entsprechenden Arbeitsplätze nicht mehr wieder besetzt, dann ist das für die hier relevante Betrachtung nichts anderes, als wenn zehn Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt worden wären.71

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Richtigerweise sind auch abzubauende Arbeitsplätze zu zählen, welche regelmäßig mit Leiharbeitnehmern besetzt werden. Das BAG hat bereits bei der Frage der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zugunsten der Zählung der Leiharbeitnehmer entschieden.72 Wie bereits bei der Frage der Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Sinne von Satz 1 prägen auch nicht nur vorübergehend durch Leiharbeitnehmer besetzte Arbeitsplätze einen Betrieb. Auch § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG bestimmt mittlerweile, dass soweit „Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a, des Europäische Betriebsrätegesetzes oder der aufgrund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, (...) Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen (sind).“ Falsch ist die von Ludwig/Hinze73 aufgestellte These, dass die Heranziehung der Werte des § 17 KSchG damit gerade ausgeschlossen wäre, da nicht im Betriebsverfassungsgesetz verankert. Die Heranziehung der Werte des § 17 KSchG erfolgte zur Interpretation des Betriebsverfassungsgesetzes und nicht in direkter Normanwendung. Umgekehrt kann man eher argumentieren, dass die konkrete Ausnahme von § 112a BetrVG dafür spricht, dass es gerade andere Ausnahmen nicht geben soll. Bei der Betriebseinschränkung durch reinen Personalabbau mag sich die Frage stellen, ob ein eventuelles Ausscheiden der Sozialplanpflicht nach § 112a BetrVG ohne Wertung der Leiharbeitnehmer zu entscheiden ist. Das gilt dann aber noch lange nicht für die Bestimmung der Betriebsänderung nach Nr. 1 oder erst recht nicht für andere Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG.74

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