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14 – Roger Grandview, der Mann im Rollstuhl

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»Mistwetter ist das«, rief mir ein Mann im Rollstuhl zu. Über sich hatte er einen Schirm gespannt, der ihm vor dem Regen Schutz bot. Die Getränkebude hinter ihm, war geschlossen. »Bist ‘n Neuer auf dem Platz, right (richtig)?« Neugierig folgte er mir mit den Augen, so dass ich gezwungen war, stehenzubleiben. Ich wandte mich ihm zu. »Yes, Sir«, antwortete ich, und wollte weitergehen, als er mich zurückhielt. »Bist du der, der für ’n Bishop malocht?«

Ich nickte. »Ja, der bin ich. Pete Tully.«

Er spuckte ausgekauten Pfriem von sich. – Wie gesagt, es war ein toller und wahnsinnig appetitlicher Tag für mich. Selbst hier auf ’m Platz. Yeah! –

»Bist einer von der lebensmüden Sorte«, sagte er mit einer Selbstverständlichkeit, die mir Gänsehaut über die Arme jagte, und auch den Rücken entlang.

Ich zwang mich zu einem Grinsen. Ich vermutete, es war schief geworden und mehr als missglückt. Doch den im Rollstuhl interessierte das nicht. Er zog den Kautabak unter der Decke hervor, und fuhr in seinem Tun fort.

Ich griff mir an die Stirn, wollte ihm auf diese Art einen Abschiedsgruß andeuten, doch er winkte ab.

»Nich‘ derart eilig, Tully«, fuhr er mich an. – Einen Ton hatte der drauf. Mit Sicherheit war er vor seinen Zeiten im Rollstuhl noch schlimmer gewesen, als es Bishop derzeit war. – Oder war er erst durch den Rollstuhl dermaßen garstig geworden?

»Sir, Mister Bishop erwartet mich«, versuchte ich, ihm klarzumachen, dass ich keine Zeit hatte, um mit ihm zu plaudern.

Der Mann winkte ab. »Ich bin Roger Grandview«, kam es ihm in den Sinn, sich mir vorzustellen. Er zeigte auf den Rollstuhl. »Hab ich den elektrischen Ungeheuern zu verdanken«, sagte er bitter.

»Wie bitte?« Das interessierte mich jetzt aber doch. Allerdings musste ich mich zwingen, keinen Blick auf meine Armbanduhr zu werfen, wusste ich doch, dass ich längst beim Polypen sein müsste. Würde ohnehin nicht mehr lange dauern und Bishop würde wieder seine – liebreizende – Stimme, nach mir erklingen lassen. Eigentlich hörte ich ihn bereits nach mir kreischen. Innerlich, in meinen Kopf, meine ich.

Der Mann nickte. »Das, was du jetzt machst, kleiner Tully, war früher meine Aufgabe.« Er warf einen Blick hinter sich. Dorthin, wo die Getränkebude stand. Dicht hinter ihm. »Das Ding hatte ich nicht immer. War ein Draufgänger. Vor nichts fürchtete ich mich. Vor keiner Arbeit hatte ich Angst, oder, dass ich mich vor einer scheute. Bis zu dem einen Tag ...«

»Tully, faules Arschloch!«

Da war sie, Mr. Bishops liebreizende Stimme, die nach mir brüllte. Und wie immer hatte er sich ein ausgezeichnetes Timing dafür ausgesucht. Wie schon bei Ace, störte er auch jetzt, den Moment, in welchem ich einiges über den Platz und seine Leute, hätte, erfahren sollen.

Also zuckte ich wieder einmal nur mit den Schultern. Eine Geste des Bedauerns. Ich warf dem Rollstuhlfahrer ein letztes Kopfnicken zu, und hastete davon.

»Du solltest mir zuhören, kleiner Tully«, rief Grandview mir hinterher.

Ich warf den Kopf über meine Schulter und rief zurück: »Das werde ich. Ein andermal.«

»Wart‘ nur nich‘ zu lange damit.«

»Ganz bestimmt nicht!« Und es war mir ernst damit. Denn unterdessen wurde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas auf dem Platz geschehen sein musste, wovon mir Ace und jetzt auch der Rollstuhlfahrer, erzählen wollten. Bishop es jedoch, vor mir geheim zu halten versuchte. Und ich wollte verdammt sein, würde ich nicht dahinterkommen, was es war. Um was es da ging. Mit dieser Erkenntnis eilte ich zur Geisterbahn hin.

Hinter die Dinge zu steigen, dieser Vorsatz erhellte mir ein bisschen den Tag. Wenn auch nur minimal.

Bishop wartete bereits ungeduldig vor der Geisterbahn auf mich. »Wird aber auch Zeit. Der dort oben«, er zeigte auf den Monsterpolypen, »wartet schon auf dich.« Er grinste mich an, zu meiner Überraschung. »Ohne dich, lebt der Kleine nicht«, kicherte er.

»Ich bin gleich droben«, beeilte ich mich, zu sagen.

»Das will ich aber auch schwer hoffen!« Bishop wandte sich ab und lief davon.

Ich sah noch, dass er zu einer Frau hinlief, die, trotz der Entfernung, steinalt aussah. Und zudem noch eine Puppe auf ihrer linken Schulter sitzen hatte.

Vielleicht war’s ‘ne Zigeunerin, dachte ich noch. Allerdings konnte ich mir keinen Reim darauf machen, weshalb sie eine Puppe mit sich herumtrug, und die auch noch auf ihrer Schulter hocken hatte. Aus meiner Sicht war ihre Puppenzeit lange vorbei.

Doch dann erinnerte ich mich wieder meiner Pflichten. Und als ich über mich schaute, hockte er da, und ich hatte auf einmal den Eindruck, als würde mich dieses künstliche Ungeheuer tatsächlich erwarten. Als lauerte es nur auf mich. In seinen Augen, glaubte ich, zu erkennen, was es zu mir sagen wollte: »Komm nur, ich warte schon auf dich.« Und jetzt sah es auch noch aus, als verzöge es sein Maul zu einem erwartungsvollen Grinsen. »Spielen wir beide doch zusammen.«

Es stellten sich mir alle Nackenhaare, und ich warf einen letzten Blick zu Bishop, der immer noch mit der Alten am Plaudern war.

Für mich hatte er heute nichts weiter gehabt, noch nicht einmal Anweisungen. Doch ich wunderte mich nicht darüber. Immerhin hatte er mir gestern Abend schon gesagt, was meine heutigen Aufgaben sein würden. Und allen voran die, dem elektrischen Monster – Leben – einzuhauchen. Stromleben, eben.

Ace

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