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5 – Der Neue

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Auf dem Festplatz ging’s genauso weiter, wie der Scheiß-Tag angefangen hatte.

Der Neue war da und riss auch gleich sein großes Maul auf. Und wen hat’s getroffen? Mich. Yeah!

Blökte der Arsch doch rum, dass, wenn ich mich schon an seinen Kohlen bereichern wollte, ich auch gefälligst zu tun hätte, was er mir sagte. – Na, der hat rumgebrüllt, und alles, was aus dem seiner Klappe rauskam, waren Befehle. – Tully schaff dein‘ faulen Arsch hierher! Tully mach das! – Yeah!

»Tully, wer für mich arbeitet, der macht auch, was ich sage«, schoss mir, wie aus einem Maschinengewehr abgefeuert, Fiesbacke Hulk Bishops Befehl entgegen, sein Maul hatte er dabei weit aufgerissen. – Dachte anscheinend, dass das mir gegenüber mehr hermachte, als wenn er mir’s ganz normal gesagt hätte. –

»Yes, Sir.« Ich stand nur da und wartete ab, was der Schreihals jetzt schon wieder von mir wollte.

Es gab Typen, die sah man am liebsten von hinten. Bishop war einer von denen.

»Wenn‘de Feierabend machst, kommst du noch in meinen Wagen.«

»Yes Sir.« Ich streifte die derben Handschuhe ab. »Was Bestimmtes?«

»Erfährst’e noch früh genug. Und jetzt pack dich und geh an die Arbeit zurück. Oder bezahl ich dich vielleicht fürs Quatschen, Tully?« Bishop quetschte sich die nassgesabberte Zigarre zwischen die Lippen und watschelte davon.

Er watschelte tatsächlich, fett, wie er war.

Einen Schädel hatte der, blankgebohnert wie ’ne Speckschwarte. Auf der Stirn stand ihm der Schweiß. Und über die Glatze wischte er sich andauernd mit seinem dreckigen Stofftaschentuch.

Die speckige Lederhose hielt er mit Hosenträgern über seine fette Wampe gespannt. Und an seinem Hemd fehlte ein Knopf.

Das Beste an ihm waren seine Boots. Die waren sogar noch einigermaßen sauber. Was verwunderlich war, bei all dem Staub und Dreck.

Alles in allem ein unangenehmer Zeitgenosse, dachte ich mir gleich, noch bevor ich ihn richtig gesehen, oder ihn rumblöken gehört hatte.

Tja und für den Kerl arbeitete ich seit heute. Yeah!

Da konnte der Tag nur noch besser werden, war die Schufterei erst mal zu Ende.

Um sieben Uhr abends war’s geschafft. Mein erster Tag für den Sklaventreiber war gepackt.

Jetzt stand mir noch das Gespräch mit dem bevor. Yeah!

Ich fragte mich ohnehin, was der von mir wollte. Was konnte es Wichtigeres geben, als dass ich meine Arbeit tat? Und die tat ich. Und wie ich die tat. Mein Rücken schmerzte, als wär ‘ne Herde Büffel drüber gerannt; und meine Finger hatten Schwielen. Jetzt schon. Am ersten Tag, an dem ich für den Kerl schuftete. Waren doch tolle Aussichten. Morgen würde ich auf allen Vieren aus dem Bett kriechen, befürchtete ich. Und ob ich überhaupt noch in der Lage sein würde, ein Messer zum Brotschmieren zu halten, das wusste der Himmel. Aber wow, ich schaffte für den fetten Sklaventreiber. Und jetzt durfte ich auch noch zum Smalltalk bei ihm antraben. Für mich die Krönung des Tages überhaupt. Yeah!

Nachdem ich angeklopft hatte, wartete ich sein – Herein – ab. Als nichts kam, klopfte ich nochmals. Nur lauter.

Immer noch nichts. Hockte der Kerl etwa auf seinen Ohren?

Folglich hob ich die Hand zum dritten Mal und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. – Vielleicht hörte er ja das. –

»Tür is‘ offen«, brummte es von drinnen; und ich packte den Griff und zog die Tür in meine Richtung, also nach außen hin, auf.

Dichte Rauchwolken schlugen mir entgegen, und ich hatte Mühe, Bishop dahinter auszumachen.

Dann sah ich ihn. Er hockte an seinem Tisch. Den Aschenbecher neben sich, brütete er über einer ausgebreiteten Karte.

»Setz dich, Tully. Bin gleich soweit«, sagte er, ohne den Kopf zu wenden. – Er musste sich sehr sicher gewesen sein, dass ich es war, der da reingekommen war. Na ja, wer wollte schon mit dem Kerl den Abend verbringen. Konnte ja nur ich sein. Immerhin hatte er mich ja zu sich zitiert. –

Ich kämpfte mich durch die Rauchschwaden und setzte mich Bishop gegenüber.

Er rollte die Karte zusammen und warf sie neben sich auf die Bank. Danach beugte er sich zum Kühlschrank hinunter, und ich hatte schon befürchtet, dass er den Tisch mit seiner Wampe umschmiss, was aber nicht passierte, zu meinem Glück. Mit dem seinem Gewicht, den Tisch auf mir drauf, der Kerl hätte mir den Magen durch die Rippen gedrückt.

»Da, trink«, forderte er mich auf, und schob mir ‘ne Dose Budweiser hin.

»Thanks (danke)«, sagte ich verdattert, dass Bishop sein Bier mit mir teilte. Ich riss den Verschluss ab und trank. Das Budweiser war kalt und tat meiner trockenen Kehle gut.

»Lässt sich schmecken, was«, grunzte Hulk Bishop und brachte es doch tatsächlich fertig, mich anzulächeln. Machte ja nichts, dass es in seinem dicken Gesicht zwischen den Backen und seinem Doppelkinn verschwand.

Bishop hockte nur da und glotzte mich an. – Was da noch kam? –, fragte ich mich. Gleich sollte ich es wissen! Yeah!

»Hör zu, Tully«, fing er an, und nahm einen Schluck aus seiner Bierdose. Das Bier triefte an seinem Kinn entlang. War echt lecker anzuschau’n. »Wer für mich arbeitet, solange er seine Arbeit gut tut, hat bei mir ‘ne gute Zeit.« Wieder zeigte er mir sein dämliches Grinsen, was auch dieses Mal verschwand, noch bevor ich es erst richtig gesehen hatte.

Seine kleinen Augen lagen auf mir drauf. Braun waren sie, und hinter einer hässlichen Brille mit dunkelbraunem Horngestell, versteckt.

Er tippte mit dem Finger auf die Tischplatte. »Aber ich brauch meine Leute nah bei mir. Kann’s nicht gebrauchen, wenn die zu weit weg wohnen.« Jetzt hielt er mich mit seinen Augen gepackt. Wie in einer Schlinge gefangen, kam ich mir in dem Moment vor. »So, wie du, Tully«, stellte er fest und grunzte wieder. »Du wohnst viel zu weit weg!«

Ich schluckte. Wollte er mir jetzt etwa ein Bett in seiner Bude anbieten? Die Vorstellung ekelte mich.

»Ich hab ‘ne Wohnung, mit meiner Freundin zusammen«, musste ich mich zwingen, über die Lippen zu kriegen. Irgendwie schüchterte der Kerl mich ein.

Bishop zuckte nur mit den Schultern. »Kann ich was dazu!« Er grunzte in die Bierdose. Anschließend lehnte er sich zurück und rülpste mir direkt ins Gesicht. – Lecker! – Die volle Dröhnung bekam ich ab. Inklusive Knoblauchatem, der mit rüber geweht kam. Ich musste mich zwingen, nicht loszuwürgen.

»Ich wollte es ja auch nur gesagt haben«, stotterten mir die Worte über die Lippen. Mir war heiß. Ich schaute mich um. Nirgendwo war eine Luke eingekippt. Wir hockten zu zweit in dem engen Wagen, eingesponnen in die Rauchschwaden seiner stinkenden Zigarre. Mir wurde immer heißer. Eigentlich wollte ich nur noch raus an die Luft, und danach nach Hause in mein Bett.

»Okay«, machte er. »Du hast es gesagt.«

Ich nickte; und er schaute mich wieder nur an. – Was wollte er nur von mir? Warum kam er nicht einfach auf den Punkt? –

»Wenn du für mich weiter arbeiten willst, Tully, musst du hier wohnen.«

– Jetzt war’s raus. Jetzt wusste ich, was er von mir wollte. –

Ich neigte den Kopf unmerklich und betrachtete den fetten Sack. – Der wird doch nicht etwa schwul sein? – ‘ne Anmache von ’nem Kerl, das hatte ich bisher noch nicht. Brauchte ich auch nicht. Ich hatte ja – meine Kira. Und wenn mich schon einer anmachen musste, dann sollte er doch wenigstens nach etwas aussehen und kein Fettkloß auf zwei Beinen sein. Ich schob meine Schultern hin und her. Ich musste wieder locker werden. Entspannt sein, bevor ich antwortete.

»Wie gesagt, ich habe eine Wohnung«, setzte ich an. Doch er hob die Hand und brachte mich zum Schweigen.

»Entweder du ziehst hierher, oder du brauchst morgen nicht mehr wiederkommen. Überleg’s dir, Tully.« Mit der Hand presste er die leere Dose zusammen. Gleich darauf stand die Nächste vor ihm. – Vor mir nicht. – »Aber wart nicht zu lange mit deiner Antwort. Hulk Bishop gehört nicht zu den Geduldigsten.«

Ich hob den Blick und schaute ihn an. – Das dachte ich mir schon. –

»Dieser Wagen«, ich merkte, wie mir das Blut in den Kopf schoss, »der ist doch für zwei viel zu klein.«

»Hä?« Bishop schob seinen Oberkörper über den Tisch.

»Wir können doch unmöglich beide in diesem Ding wohnen«, wagte ich mir, meinen Einwand vorzubringen, auch wenn ich den Job noch so sehr brauchte.

Plötzlich fing Bishop zu lachen an. »Nee, Freundchen, nich‘ bei mir. Ich teil doch meinen Wagen nicht mit dir.« Er hielt sich den Bauch fest. – Für ihn musste ich einen guten Witz gemacht haben. Den besten des Tages, kam’s mir vor. –

Ich merkte, wie mich Erleichterung überkam. »Wo dann? Ich hab keinen Wagen.«

Er winkte ab. »Brauchst’e auch nich‘. Dort drüben bei dem toten Gleis, dort steht ein alter ausrangierter Waggon. In den kannst’e einziehen. Hab das alles schon für dich abgeklärt, Tully. Musst noch nicht mal was dafür bezahlen. Is‘ gratis. Musst dir nur dein Essen kaufen. Aber das wirst‘e ja hinkriegen, bei dem, was du bei mir verdienst.« Er zündete die Zigarre aufs Neue an. »Strom hat’s dort auch. Den musst du natürlich selbst bezahlen. Obwohl«, er kratzte sich am Kopf, »vielleicht schenk ich dir den sogar …«

»Den Waggon?« Was sollte ich mit einem Waggon anfangen?

»Quatsch, den Waggon doch nicht. Den Strom!«

»Oh, yes.«

»Wie klingt das für dich, Tully? Haben wir ’nen Deal?« Wie eine fette Schlange schob sich seine Hand über den Tisch zu mir rüber. Zögernd schlug ich ein. Seine Hand fühlte sich verschwitzt an, und sein Händedruck war alles andere als fest. Passte gar nicht zu dem Kerl, der dermaßen befehlsgewohnt war, und dessen Stimme dröhnte, wie das Horn eines Mississippi-Dampfers.

Als ich zögerte, fing er zu knurren an: »Tully, ich wart‘ nich‘ ewig auf ‘ne Antwort von dir. Draußen gibt’s ‘n Dutzend von deiner Sorte, die nur auf so ein Angebot von mir warten.« Er schob die Gardine zurück. »Dort drüben steht er«, sagte er, und zeigte wohl auf den Waggon, was ich im Dunkeln aber nicht sehen konnte. Trotzdem tat ich, als hätte ich das Ding gesehen und nickte.

»Was jetzt? Schlägst du ein?« Er hielt immer noch meine Hand in seiner schweißnassen.

»Okay, Sir. Ich nehm‘ Ihr Angebot an«, antwortete ich. – Wie sollte ich das nur Kira beibringen? –

Wieder hockte sich ein dämliches Grinsen in sein aufgedunsenes Gesicht. Dieses Mal sah ich es sogar.

»Dacht‘ ich’s mir doch. Hast dich richtig entschieden, Tully«, freute er sich. – Vielleicht war – freuen – ja etwas übertrieben. Denn eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass Hulk Bishop überhaupt in der Lage war, sich über etwas oder auf was zu freuen, außer vielleicht über seine Zigarren, sein Bier, und Essen, dem er, seinem Aussehen nach, sichtlich zugetan zu sein schien. –

Na ja, immerhin war er der Meinung, dass ich mich richtig entschieden hatte.

Doch er sollte sich irren, wie sich bald herausstellte. Und wie ich meine Entscheidung noch bedauern sollte – und wie!

Ace

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