Читать книгу Ace - Hope Monroe - Страница 6
3 – Tragischer Todesfall, so steht’s im Protokoll
ОглавлениеIch hockte auf dem Sessel und schaute zum Fenster raus. – Die hätten’s auch mal wieder nötig. – Doch Kira war einfach keine Hausfrau, bei der könnten die Fenster mit Ruß versaut sein, würde sie nicht im Traum auf die Idee kommen, Wasser und Lappen in die Hand zu nehmen und über die Scheiben zu wischen.
Der Tag war zwar schnell vergangen, doch die Arbeit war stumpfsinnig und monoton gewesen. Den ganzen Tag Kabel miteinander zu verbinden war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Aber immerhin hatte es ein paar grüne Scheinchen eingebracht. Und das war schon etwas. Von daher: Nicht undankbar sein Tully!
Die Füße auf dem Tisch, das war’s doch!
Damit konnte ich Kira an die Decke treiben – wenigstens was.
Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war. Irgendwie hatte ich meinen Moralischen.
Kira hatte angerufen und gesagt, dass sie bei einer Freundin übernachten würde, und wir uns erst morgen Abend wieder sehen würden. – Jede Wette, die Freundin hatte Eier zwischen den Beinen! –
Ich setzte die Bierflasche an, und nichts kam raus. Scheiße! Also hoch und ‘ne neue Pulle geholt. Auf dem Weg dorthin machte ich das Radio an. Wenigstens ein paar Stimmen, wenn auch nur aus der Radiowellen-Kiste, um sich nicht derart alleine vorzukommen.
Selbst die vom Radio wussten, wie sie einem wehmachen konnten. Immer schön rein in die Wunde, wo's ohnehin schon wehtat. Spielten die doch tatsächlich Johnny Logans What’s another year. – Na super, das haut mal gleich so richtig rein! –
Wenigstens mein Sessel hatte mich lieb. Immerhin war er noch da und wartete nur darauf, dass ich meinen dürren Arsch auf ihn setzte. Wenigstens einer, dem’s gefiel, wenn ich auf ihm drauf saß, hä, hä.
Mit dem Bier in der einen, einer Kippe zwischen den Fingern in der anderen Hand, saß ich da und starrte wieder durchs dreckige Fenster raus.
Dabei fiel mir meine Mutter ein. Mom, schade, dass sie nicht mehr lebte.
Meine Lippen zitterten, als ich an sie dachte. »I miss you that much (ich vermiss dich so sehr)«, flüsterte ich ergriffen, in der Erinnerung an sie. Für einen Augenblick glaubte ich sogar, den Duft ihres dezenten Parfüms zu riechen.
Ich schloss die Augen und wähnte sie in meiner Nähe.
Mom!
Ich fuhr mir über die Augen. Die Erinnerung an sie tat immer noch weh! Erst recht dann, weil bis heute noch tausend Fragezeichen mit ihrem Tod verbunden waren. Zumindest für mich!
Dad hatte, als er in Rente ging, in Homers Bar einen Junkie kennen gelernt. Einen alten, heruntergekommenen. Und sich auch prompt mit dem angefreundet. Dabei war ihm scheißegal, was Mom von dieser Freundschaft hielt. Noch, dass ihr gefallen hatte, wie sehr Dad sich dadurch veränderte. Zu seinem Nachteil, wie man sich ja denken konnte.
Dad – Mistkerl elendiger!
Durch den Junkie hatte er in seinem Alter, noch zu kiffen angefangen. Er hatte sogar nicht davor zurückgeschreckt, in ihrem Haus in Westford, den Mist zu rauchen. Joints!
Dass Mom dagegen war, hatte ihn einen Scheiß interessiert. Auch an jenem Abend nicht, der ihr Letzter sein sollte.
Ich musste mir wieder über die Augen wischen. Ein Mann weint nicht. Scheiß drauf! Mir fehlte meine Mutter. Immer noch! Und der Gedanke daran, wie sie ums Leben gekommen war, schmerzte mich noch immer.
Die Treppe war sie runtergestürzt. Tragischer Todesfall, hatte die Polizei das damals genannt und den Fall zu den Akten gelegt. Noch nicht einmal eine Untersuchung hatten sie angestellt. Zumindest keine richtige. Der Meinung bin ich immer noch.
Mit Sicherheit hatte der Alte an dem Abend gekifft und Mom hatte ihn wieder davon abhalten wollen. Muss bei der Treppe gewesen sein. Oder vielleicht wollte sie ihn an diesem Abend auch aus dem Haus schmeißen, wie sie es ihm oft angedroht hatte, seit er mit dem Kiffen angefangen hatte.
Ich lehnte den Kopf am Sessel an und schloss die Augen.
…
Mom, da stand sie, direkt vor meinen Augen. Dort auf der Treppe. Und Dad eine Stufe über ihr.
Mom war wütend, weil der Alte wieder einmal gekifft hatte.
Sie schrie ihn an und beschimpfte ihn. Immer lauter und lauter wurde ihr Streit.
Sie fingen zu rangeln an. Gerieten immer mehr in Streit. Mom packte ihn am Arm und versuchte, ihn herunterzuziehen und aus dem Haus zu werfen. Doch der alte Sack merkte, was sie vorhatte, und stieß sie von sich. Sie geriet ins Wanken, ihre Hand griff ins Leere. Mom stürzte die Stufen hinunter. Als sie endlich unten aufkam, hatte sie sich das Genick gebrochen.
Und der verdammte Hurensohn stand immer noch dort oben. Auf derselben Stufe. Die ganze Zeit schon. Mit seiner zugekifften Visage schaute er zu ihr hinunter. Der Idiot begriff nichts. Hatte keine Ahnung, was er angerichtet hatte.
Mom war tot.
Ihr Tod hatte zwar dazu geführt, dass der Mistkerl auf der Stelle mit dem Kiffen aufgehört hatte. Doch was nutzte das Mom noch? Nichts! Tot war sie!
Maren Tully, tot. Die Treppe heruntergefallen, und aus war’s. Vorbei, für immer.
Beerdigen lassen, hatten wir sie müssen.
Und das alles nur, dieses Dreckskerls wegen. Dem Kiffer. Meinem Dad.
Jesus, tat die Erinnerung daran weh.
Meine Tränen arteten zu einem Fluss aus. Doch es war mir scheißegal. Sollte doch der Sessel unter Wasser stehen –, verdammt, mir fehlte Mom so sehr!
Mom, sie war eine Seele von einem Menschen; und die Einzige, die mich richtig verstand. Nichts konnte ich vor ihr geheim halten, und für alles zeigte sie Verständnis.
Wieso musste ausgerechnet sie sterben?
Und dann auch noch solch einen Tod?
Mom, sie war der Engel in meinem Leben gewesen. Ein Engel, der immer auf mich aufgepasst hatte. Der stets für mich da gewesen war, wann immer ich einen Engel gebraucht hatte.
Und jetzt war er fort, dieser Engel. Meine Mutter.
Weg für immer. Unwiederbringlich.
Und in mein Leben war dadurch eine Leere eingezogen, die niemand jemals wieder, in der Lage sein würde, auffüllen zu können.
Wie auch? Jeder Mensch hatte nur einen einzigen Engel. Und mein Engel war fort.
Musste ich auch noch mit ihrem Mörder an meiner Seite, hinter dem Sarg her traben.
Am liebsten hätte ich ihn erwürgt! Damals.
Heute nicht mehr. Immerhin war er mein Vater.
Der erste Hass war verflogen.
Und dieser Mistkerl, das musste man ja mal ganz klar sehen, war der Einzige, den ich, neben meinem Bruder, noch hatte. Der mir noch geblieben war.
Dennoch war ich auf – Mister Tully – auch heute noch zornig, wenn ich an Mom dachte.
Mit ein Grund, weshalb ich den Alten so wenig besuchte. Ich fühlte nicht unbedingt danach, seine Gesellschaft zu suchen. Wenn ich ihn nur ansah, kam die Erinnerung, und was er Mom angetan hatte, zurück.
Was sich damals zwischen den beiden abgespielt hatte, ich hatte versucht, es zu verdrängen. Immerhin musste ich für mich einen Weg gefunden haben, mit Mutters Tod klarzukommen, und weiterzuleben.
Na ja, es gab auch noch Sky.
Sky, mein jüngerer Bruder. Ich musste lächeln, sowie ich an ihn dachte.
Lange nichts mehr von ihm gehört, fiel mir dabei ein.
Ich legte die Hände auf die Sessellehnen und stützte mich darauf ab. Zeit fürs Bett. Zuviel an Moralischen sind nicht gut für die Seele. Ich stand auf und torkelte zum Bett (alle Wetter, in dem Bier musste heute mehr Alkohol gewesen sein, als sonst). Mit den Klamotten an, ließ ich mich hineinfallen.
Kira war nicht da, da konnte ich auch mit den Klamotten schlafen gehen.
Kira – mit wem sie jetzt wohl im Bett lag und es trieb?
Scheiße, ich musste schlafen, und den Mist von mir schieben.