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Der Traum vom ewigen Wachstum – ein Alptraum?
ОглавлениеStetiges exponentielles Wachstum mit den jährlichen Wachstumsraten der ersten Nachkriegsperiode ist also eine Fata Morgana. Aber ein solches Wachstum hätte ohnedies zu vollständig unsinnigen Folgen geführt. Wirtschaftlich und ökologisch. Hätte jede deutsche Familie vielleicht ein von Straßen und Plätzen startfähiges kleines Privatflugzeug21 in der Garage haben sollen, um dem hoffnungslosen Lastwagenstau zu entgehen? In »Wohlstand für niemand?« schrieb ich 1993:22
» … der feste Glaube an exponentielles Wachstum war bis weit in die 70er Jahre unantastbare Bedingung dafür, in der wissenschaftlichen Diskussion der Ökonomen ernstgenommen zu werden.23 Und aus diesem Glauben wurden für Politik, Technik und Umwelt folgenschwere Entscheidungen abgeleitet. Wenn die Wirtschaft exponentiell wachsen sollte, dann mußte z.B. nach der damals herrschenden Lehre auch der Energieverbrauch exponentiell wachsen.24 Denn, so lautete ein weiterer Glaubenssatz: Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum sind fest aneinander gekoppelt. Noch 1978 erwarteten daher die Institute DIW und RWI sowie das Energiewissenschaftliche Institut der Universität Köln bei einem exponentiellen Wirtschaftswachstum von 3,2–4% jährlich ein Wachstum des Stromverbrauchs zwischen 4,2% und 5,6%. Diese Schätzungen wurden dann dem damaligen Energieprogramm der Bundesregierung zugrunde gelegt.
Die Schätzungen der frühen 70er Jahre lagen noch höher. So beruhte das Kernenergieprogramm der sozialliberalen Koalition auf der Annahme, der Stromverbrauch müsse jährlich um 7% steigen. Was bedeutet hätte, daß er sich bis 1985 auf das 15fache, bis 2000 auf das 42fache und bis 2030 auf das 319fache hätte steigern müssen. Der bekannte Physiker Alwin A. Weinberg berechnete damals den Energiebedarf der Welt und kam zu dem Resultat: Wenn die Weltbevölkerung sich auf einem Niveau von 15–20 Milliarden Menschen stabilisiert, kann ihr Energie- und Rohstoffbedarf gedeckt werden, wenn jährlich 1000 Kernkraftwerke auf- und nach 30-jähriger Betriebsdauer abgebaut werden.25 Wenn man sich spaßeshalber vorstellt, daß dann jeden Tag in der Welt drei Kernkraftwerke hätten gebaut und abgerissen werden müssen, wird der Unsinn solcher Annahmen andauernden exponentiellen Wachstums offensichtlich.«26
Doch dieses ewige Wirtschaftswachstum findet nicht statt. Es gibt offensichtlich innere, ökonomische Grenzen des Wachstums. Die Horrorvorstellung des Club of Rome, der der Wirtschaft ökologische Grenzen des Wachstums entgegenhielt, war – zum Glück – ein Trugbild.
Auf mehr als das bisherige lineare Wachstum zu setzen heißt deshalb, auf Wunder zu hoffen. Die Wirtschaftspolitik einer Nation auf ein Wunder zu gründen, widerspricht so evident der wirtschaftlichen Erfahrung, dass zumindest von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden muss.
Aber selbst wenn es dieses »Wachstumswunder« gäbe, würden die Probleme unserer Volkswirtschaft dadurch nicht gelöst. Denn nicht nur das ewige Wachstum, sondern auch die Umsetzung von Wirtschaftswachstum in »Wohlstand für alle« entpuppte sich als Fata Morgana.