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Bevölkerungsabnahme – Bedrohung oder Chance? Abnahme der Bevölkerung ist keine Katastrophe

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Meinhard Miegel ist den möglichen Folgen eines Bevölkerungsrückgangs in m.E. sehr überzeugender Weise nachgegangen. Er stellt fest:

»In vierzig Jahren lebten [ohne Zuwanderung] in Deutschland noch etwa ebenso viele Menschen wie kurz vor dem Ersten Weltkrieg, und 2080 wäre Deutschlands Bevölkerung mit vierzig Millionen – auf einem wesentlich kleineren Territorium – so zahlreich wie zur Reichsgründung 1871. Auch wäre es immer noch so dicht besiedelt wie derzeit Frankreich oder Polen.«77

Ich meine, ein solcher Rückgang der Bevölkerungsdichte könnte sogar die Lebensqualität erheblich verbessern. Vorausgesetzt, Staat und Wirtschaft stellen sich rechtzeitig auf diese Entwicklung ein.

Probleme könnte aber der sich verändernde Altersaufbau der Gesellschaft bereiten. In 40 Jahren werden in der BRD (ohne Zuwanderung) voraussichtlich knapp 64 Millionen Menschen leben. Davon werden rund 45% (29 Millionen) im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 59 Jahren sein. Das sind 16 Millionen Erwerbsfähige weniger als heute.78

Da die sozialen Sicherungssysteme auf den Abgaben für abhängige Beschäftigung beruhen, entsteht so ein Deckungsloch. Das ist für die Sozialsysteme in der heutigen Form, in der alle Lasten den abhängig Beschäftigten zugeschoben werden, eine Katastrophe. Und so wird die Bevölkerungsabnahme auch diskutiert.

Eine bemerkenswerte Allianz aus Industrie und »antirassistischen Linken« sieht eine Lösung dieses Bevölkerungsproblems in der Zuwanderung. Die einen suchen besonders qualifizierte und besonders billige Arbeitskräfte, die anderen sehen in möglichst großer Freizügigkeit einen besonders hohen Wert. Doch wie Miegel zeigt, ist Zuwanderung keine Lösung:

»Die Zuwanderung darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung der ohnehin schwächer werdenden einheimischen Bevölkerung führen, das heißt, sie muss den Ansässigen nützlich sein und darf ihre Integrationsfähigkeit nicht überfordern. Zugleich darf sie aber auch nicht die Entwicklungschancen der abgebenden Länder beeinträchtigen. Das würde binnen kurzer Zeit auf die Aufnahmeländer zurückschlagen.«79

Die Immigration wenig ausgebildeter Menschen würde die jetzt schon angespannten Sozialsysteme hoffnungslos überladen und die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft auf die Dauer überfordern. Deshalb besteht weitgehend darüber Einigkeit, dass eine Immigration in die Sozialsysteme nicht mehr zugelassen werden darf. Die Immigration hoch ausgebildeter Fachkräfte aber, die gerade in den noch nicht so entwickelten Ländern innerhalb und außerhalb Europas knapp sind, zerstört die Entwicklungschancen dieser Länder.

Denn zu Recht stellt Meinhard Miegel fest:

»Mit Beginn der kolonialen Epoche nahmen die Starken den Schwachen Land. Dann beuteten sie ihre Bodenschätze und Energiequellen aus. Und jetzt beginnen sie, auf die qualifizierten Menschen zuzugreifen … von der Agrar- über die Industrie- zur Wissensgesellschaft; vom Boden über den Rohstoff zum Menschen. … [das] ist und bleibt Ausdruck kolonialen Denkens und Handelns, heute vielleicht sogar in dessen perfidester Form.«80

Norbert Blüm, ehemals Arbeitsminister der BRD, sieht das ganz ähnlich:

»Früher beuteten die Kolonialherren die Rohstoffe ihrer Kolonien aus, heute die Qualifizierung der ärmeren Länder. Früher wurden nur die Sklaven gekauft, wenn der Zustand ihres Gebisses zufriedenstellend war. Heute reicht ein Diplom. Das nenne ich ›zivilisatorischen Fortschritt‹.«81

Das ist übertrieben? Keineswegs. Ein Beispiel:

»Lukrativere Jobs locken jährlich rund 23 000 afrikanische Wissenschaftler nach Übersee …

Nach Berechnungen der regionalen UN-Wirtschaftskommission (ECA) hat Afrika in weniger als zwei Jahrzehnten ein Drittel seiner Geistesarbeiter verloren … Betroffen sind vor allem Ägypten, Südafrika, Nigeria, Kenia und Ghana …

In Senegal wie in ganz Afrika wird der Mangel an Hochschullehrern immer problematischer.«82

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