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Die große Umverteilung

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Die jetzt seit mehr als zwei Jahrzehnten sich immer weiter öffnende Schere zwischen den Arbeitseinkommen und den Einkommen aus Unternehmen und Vermögen musste zwangsläufig zu einer sehr unterschiedlichen Verteilung der Vermögen führen. Zum einen bringt Vermögen Zinsen, und Zinsen bringen Zinseszinsen. Arbeitserlöse dagegen wachsen nicht im Zinseszins-Rhythmus. Im Gegenteil, sie kamen unter den kombinierten Druck der (natürlichen) Ersetzung von Arbeit durch Kapital und der durch den offenen Welthandel importierten niedrigen Welt-Löhne.73 Und sie verloren noch einmal durch die politischen Entscheidungen, die ihnen allein die Lasten des Sozialsystems und den Löwenanteil der Steuern zuschoben.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte 1998 eine Studie von Claus Schäfer, die folgende Feststellungen traf und belegte:74

 Die Steuerprogression ist bei höheren Einkommen nur noch schwach ausgeprägt

 Arbeitnehmerhaushalte wurden zunehmend stärker belastet als Selbstständigenhaushalte

 Belastung durch Sozialabgaben trifft Niedrigeinkommen besonders stark

 Legale Steuervermeidung begünstigt hohe Einkommen

 Einkünfte zwischen 250 000 und 300 000 DM zahlen z.B. effektiv 13% Steuer

 Zunehmende Steuerhinterziehung

 Steuerlast auf Einkommen im internationalen Vergleich gering

 Beitrag der Lohnsteuer zum Gesamtsteueraufkommen 1960 zwölf Prozent, heute 33%

 Unternehmen tragen heute nur noch 17% zum gesamten Steueraufkommen bei

 Gewinne von Kapitalgesellschaften 1980 mit 34%, 1993 mit 18% belastet

 Duales Steuersystem: wirksame Progression bei Lohnsteuer, Steuervermeidungsmöglichkeiten bei Gewinneinkommen

 Bislang kein volkswirtschaftlicher Nutzen der Steuerentlastungspolitik.

Das Ergebnis kann nicht überraschen: »Die wohlhabendere Bevölkerungshälfte in Westdeutschland [besitzt] etwa sieben Zehntel des Gebrauchsvermögens … Das wohlhabendste Bevölkerungsfünftel nannte sogar mehr als 60 Prozent des Geldvermögens sein Eigen.« Sechs Prozent der Bevölkerung besaßen in den 90er Jahren den größten Teil der Betriebsvermögen.75

Beharren auf dem bisherigen Verteilungspfad würde die in den auseinanderstrebenden (roten und grünen bzw. grauen und Sternchen-) Kurven der Grafik C sichtbar werdende Spaltung unserer Gesellschaft verstärken und in die Zukunft verlängern. Flexibilisierung der Lohnabhängigen-Einkommen der unteren Schichten nach unten, weitere Steuersenkungen für Unternehmen und obere Einkommen, »um durch Wachstum der Wirtschaft Arbeitsplätze zu sichern«, würden diesen zerstörerischen Trend noch verstärken und so Wirtschaft und Gesellschaft bedrohen. Denn eine Gesellschaft zerbricht, wenn die Ungleichheit ihrer Mitglieder zu groß wird. Bei welchem Grad von Ungleichheit dieses Maß erreicht wird, darüber kann man streiten. Viele wirtschaftliche, soziologische und psychologische Faktoren spielen hier eine Rolle. Wachsende Ungleichheit in Gesellschaften, in denen auch die unteren Schichten am wachsenden Wohlstand ein Stück weit mit beteiligt werden, ist weitaus weniger explosiv als wachsende Ungleichheit, bei der die oberen Einkommen mehr und mehr gewinnen, während die mittleren und unteren Schichten immer tiefer absinken. Genau dieser gefährliche Typ entsteht aber zur Zeit im »Sozialstaat Bundesrepublik«.

Je später dieser Streit ausgefochten wird, desto schlechter stehen die Chancen für die Anbieter von Arbeit, einen angemessenen Anteil am erarbeiteten Sozialprodukt gewinnen zu können. Denn je weniger die Arbeit nachgefragt wird, um so geringer ist ihre Marktmacht.

»Angesichts dieser Verhältnisse ist es doch seltsam, daß nie daran gedacht wird, das Fehlen der Erwerbsarbeit zur Grundlage von Zukunftsüberlegungen zu machen, anstatt so viel unfruchtbares und gefährliches Leid hervorzurufen, indem man ihr Fehlen leugnet und als einfaches Zwischenspiel darstellt, das man ignoriert oder auszugleichen, vielleicht sogar zu unterdrücken vorgibt.«76

schrieb Viviane Forrester 1997. Geändert hat sich an dieser Verdrängung eines Kernproblems aber bis heute fast nichts.

Wirtschaft, die arm macht

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