Читать книгу Untergärig und Dunkel - Horst Dornbusch - Страница 32
Bierfreiheit!
ОглавлениеMit diesen neuen Keim- und Darrmethoden konnten die Mälzer schließlich die Charakteristiken ihrer Malze in Bezug auf Farbe, Feuchtigkeit, Lösung, Diastase, Geschmack und vielen anderen Variablen gezielt regulieren. Malz konnte endlich ein breites Spektrum von Farben annehmen, von hell über tiefbraun bis dunkel und schwarz. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden insbesondere die Malzfarbe und der Malzgeschmack – und damit die Bierfarbe und der Biergeschmack – nicht mehr durch die begrenzten Mittel des Mälzers bestimmt, sondern sie konnten vom Brauer frei gewählt werden. Bier brauchte also nicht länger dunkel und rauchig zu sein, es sei denn, es war die Absicht des Brauers, ein solches Bier zu brauen. Diese Flexibilität wiederum brachte eine Vielzahl neuer Bierstile hervor, die das 19. Jahrhundert in eine veritable Belle Époque der Bierstil-Innovationen verwandelte. Brauer konnten jetzt nicht nur zuverlässig hell oder dunkel brauen; und selbst für dunkle Biere konnten sie nun mit einem hellen Grundmalz einmaischen und viele verschiedene Karamell-, Schokoladen- und Röstmalze für eine große optische und geschmackliche Vielfalt hinzufügen. Im Wesentlichen bedeutete dies die Wiedergeburt der Dunkelheit im Bier, aber diesmal als schöpferisches Ergebnis der Braukreativität statt, wie in der Vergangenheit, aus Notwendigkeit.
Auf den britischen Inseln führte die Anwendung der pneumatischen Malzmethode natürlich zur Entwicklung der klassischen Pale Ales, Bitters und India Pale Ales. Auf dem Kontinent ermöglichte es derweil die Transformation der klassischen Untergärigen vom dunklen Lagerbier zum blonden Hellen (siehe Kapitel 2); und rauchige Biere, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch die Norm waren, machen heute nur noch einen winzigen Prozentanteil der globalen Bierproduktion aus. Rauchmalze werden heutzutage hauptsächlich in der Scotch-Whiskey-Produktion oder als kleine Zugaben in einigen Biermaischen verwendet, wo sie dem fertigen Bier eine gewisse Geschmackstiefe verleihen. Andere Verwendungen von Rauchmalzen findet man noch in gewissen Terroir-Landbier-Spezialitäten wie dem finnischen Sahti und dem schwedische Gotlandsdricka, zwei Ales also, deren Malze durch phenolische Aromen bestechen, die über harzige Birkenscheite gedarrt werden. Traditionell wurden solche Malze in Skandinavien in rauchigen Saunen getrocknet.
Das vielleicht berühmteste moderne Rauchbier ist das dunkle, untergärige Bamberger Märzen-Rauchbier mit einem leicht speckigen Geschmack, der von einem Malz stammt, welches in einer mit gut abgelagerten Buchenscheiten beheizten Darre getrocknet wird. Ein weiteres Rauchbier-Beispiel ist ein alter Bierstil aus der polnischen Stadt Grodzisk Wielkopolski (früher Grätz). Das obergärige Piwo Grodziskie (Grätzer Bier auf Deutsch) dieser Stadt wird ausschließlich aus einem hellen Eichenrauch-Weizenmalz hergestellt.