Читать книгу Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik - Hubert Klausmann - Страница 10
2.3 Konzeptionelle MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptionelle SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle bzw. Literalität
ОглавлениеDie bisherigen Überlegungen zeigen, dass die auf Forschungen von Peter KochKoch, Peter und Wulf Oesterreicher zurückgehende Unterscheidung zwischen konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle1 für ein vertieftes Verständnis der Problematik von Dialekt und Standardsprache unerlässlich ist. Nach Helmuth FeilkeFeilke, Helmuth kennzeichnen schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten „Graphie und Orthographie ebenso wie die Fähigkeit, schriftliche Texte zu verfassen“;2 das zentrale Ziel konzeptionell-schriftlicher Kommunikation ist „die maximal kontextentbundene Verständigung“.3 Nach Fix ist Schriftlichkeit deshalb ein „eigenständiges kognitives Konzept“, ein eigener „Denkstil“ und „nicht nur ein Anhängsel des Sprechens“.4 So setzt das kompetente Verfassen eines konzeptionell schriftlichen Textes nicht nur korrekte Rechtschreibung, sondern z.B. auch Textsortenkenntnis und die Fähigkeit voraus, die Perspektive potentieller Adressaten einzunehmen. Aber auch Prozesse der Planung, Überarbeitung und Revision sind kennzeichnend für konzeptionell schriftliche Texte. Daneben gibt es freilich Texte, die dem konzeptionell Mündlichen nahestehen, etwa die Chat-Kommunikation oder die E-Mail: Diese kann zwar ebenfalls sehr förmlich verfasst sein, beispielsweise wenn sie an Vorgesetzte oder Behörden gerichtet ist und damit durchaus in den Bereich konzeptioneller Schriftlichkeit gehört; unter Bekannten und im privaten Schriftverkehr weist die E-Mail jedoch typischerweise Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit auf. Jörg KilianKilian, Jörg spricht deshalb treffend von „geschriebener UmgangsspracheUmgangssprache“ bzw. „geschriebener Mündlichkeit“.5 Die Frage ist nun, welche Konsequenzen damit für Dialekt und Standardsprache verbunden sind.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich beim Thema Dialekt in erster Linie – aber nicht ausschließlich – um ein Phänomen handelt, das im Bereich konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle angesiedelt ist. Dialektales Sprechen ist für die mündliche Alltagskommunikation kennzeichnend, hier jedoch in verschiedenen Nuancierungen und Abstufungen: Während im Süden des deutschen Sprachraums in der Familie, im Freundeskreis und im heimatlichen bzw. dörflichen Kontext bis heute das dialektale Sprechen üblich ist (und u.U. sogar bewusst gepflegt wird), greifen dieselben Sprecherinnen und Sprecher im beruflichen Umfeld oder anderen weiteren Handlungskontexten (wie etwa Schule oder Studium) – im Sinne des Code-SwitchingCode-Switching – auf die in ihrer Region gebräuchliche UmgangsspracheUmgangssprache zurück. Diese ist zwar ebenfalls noch dialektal gefärbt, jedoch insgesamt näher an der (typischerweise in Radio und Fernsehen gesprochenen) mündlichen Standardaussprache angesiedelt als der heimische Dialekt.
Zwischen den zahlreichen (mehr oder weniger) dialektal gefärbten mündlichen Aussprachevarianten des Deutschen gibt es außerdem Abweichungen auf allen sprachlichen Ebenen (Beispiele aus dem OberfränkischenFränkisch):
Lexikon (Bsp. Babbelwasser für ein alkoholisches Getränk, nach dessen Genuss man redselig wird),
Morphologie (Bsp. gwen für „gewesen“),
Semantik (Bsp. Fähnla für „ein minderwertiges Kleid“),
Syntax (Bsp. machsd-es Laab auf an Haufm für die Aufforderung „mach das Laub auf einen Haufen“).6
In der schriftlichen Standardsprache – und damit im Bereich konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle – finden sich regionale Varianten hingegen lediglich innerhalb des Wortschatzes. Drei Beispiele hierfür aus der von Hubert KlausmannKlausmann, Hubert durchgeführten Studie zu „RegionalismenRegionalismen in der schriftlichen Standardsprache“:7
daheim (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. zu Hause),
Blaukraut (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Rotkohl)
Radler (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Alsterwasser).
Das von Ulrich AmmonAmmon, Ulrich u.a. (2004) herausgegebene „Variantenwörterbuch des Deutschen“ mit ca. 12000 standardsprachlichen Wörtern und Wendungen, die eine national oder regional eingeschränkte Verbreitung aufweisen, macht eindrucksvoll deutlich, dass Varianten auch innerhalb des schriftlichen Standarddeutschen sehr viel weiter verbreitet sind, als es der Begriff „Standardsprache“ suggeriert.