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2.1 Die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen

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Wenn wir von „der“ deutschen Sprache sprechen, sprechen wir nicht von einer Sprache, sondern von vielen. Die deutsche Sprache ist also kein monolithischer Block, sondern gekennzeichnet durch verschiedene Varietäten.

Neben den dialektalen Varietäten unterscheidet die Sprachwissenschaft auch soziolektale Varietäten. Während die dialektalen Varietäten die geografischen Verbreitungsformen der deutschen Sprache bezeichnen, nennt man eine soziolektale Varietät die Sprache einer bestimmten sozialen Gruppe.1 Zu den dialektalen Varietäten des Deutschen zählen z.B. das SchwäbischeSchwäbisch, das BairischeBairisch und das FränkischeFränkisch – ein detaillierter Überblick über die verschiedenen Dialekte der deutschen Sprache erfolgt weiter unten (Kap. 3); zu den soziolektalen Varietäten werden alters- und schichtenspezifische Sprachvarietäten wie beispielsweise die Jugendsprache bzw. das Gastarbeiterdeutsch, aber auch Fach- und Spezialsprachen „von Fachleuten für Fachleute“ gezählt.2 Darüber hinaus gibt es eine situative Varianz – sie bezeichnet die Fähigkeit eines Individuums, eine bestimmte sprachliche Varietät in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation zu realisieren. In jedem Fall ist es aus linguistischer Sicht nur dann sinnvoll, von einer sprachlichen Varietät zu sprechen, wenn sie sich auf mindestens einer sprachlichen Ebene (z. B. Lexikon, Morphologie, Phonologie, Semantik, Syntax) von einer anderen sprachlichen Varietät unterscheiden lässt.

Die erste sprachwissenschaftlich fundierte Beschreibung des breiten Varietätenspektrums der deutschen Sprache legt Mario WandruszkaWandruszka, Mario in seiner wegweisenden Publikation „Die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Menschen“ (1979) vor. Wandruszka kommt darin nicht nur zu dem Schluss, dass sich der Lehrer „als Erzieher zur Mehrsprachigkeit begreifen“ müsse, da sowohl die Standard- bzw. HochspracheHochsprache als auch der Dialekt und der Regiolekt ihren eigenen Wert und ihre eigene Berechtigung haben;3 er unterscheidet außerdem zwischen tätiger und verstehender Mehrsprachigkeit und nimmt damit eine Unterscheidung vor, die für unsere eigenen Überlegungen ebenfalls von zentraler Bedeutung ist: Während tätige Mehrsprachigkeit die persönliche Verwendung bestimmter sprachlicher Varietäten in bestimmten kommunikativen Kontexten meint, ist mit verstehender MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitverstehende die menschliche Fähigkeit gemeint, weit mehr sprachliche Varietäten zu verstehen als zu verwenden. So sind z.B. auch Sprecher der deutschen Sprache, die nicht aus Österreich stammen, i.d.R. in der Lage, das in Österreich gesprochene Deutsch zu verstehen. Zurecht stellt Wandruszka pointiert fest: „Sprachliche Kommunikation ist weit über das Verwenden hinaus ein gegenseitiges Verstehen.“4

Laut Helmut HenneHenne, Helmut, auf den das bis in die Gegenwart wirksame (und damit wohl wichtigste) linguistische Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen zurückgeht, gehört auch die deutsche Standardsprache zu den Varietäten der deutschen Sprache.5 Dabei sieht Henne die deutsche Standardsprache keinesfalls als unteilbare Einheit, sondern differenziert sie vielmehr weiter in die „Stilschichten bzw. Funktionalstile“ des alltäglichen, des arbeitspraktischen, des wissenschaftlichen und des literarisch-künstlerischen Verkehrs aus.6 Dennoch kommt der deutschen Standardsprache nach Henne eine Sonderstellung zu: Da sie „diejenige sprachliche Existenzform“ ist, „welche die kulturelle und politische Geschichte und Existenz der Deutschen trägt“,7 geht sein Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen nämlich vom Primat der Standardsprache aus.8 Dabei wird das Konzept keinesfalls von der Vorstellung getragen, die Standardsprache sei ein statisches Gebilde; er sieht die Standardsprache vielmehr in beständiger Wechselwirkung mit anderen Varietäten, auf die sie einwirkt, von denen sie aber ebenso beeinflusst wird. Insofern bezieht sich der Begriff Standardsprache, wie bereits in der einleitenden Problemstellung angedeutet, in wissenschaftlich-beschreibender Weise auf die deutsche Sprache, während der Begriff der HochspracheHochsprache der in der Alltagskommunikation gebräuchliche Begriff für die Standardsprache ist; dem Begriff der HochspracheHochsprache wohnt außerdem ein pädagogisch-didaktisches Moment inne, denn er weist, wie Jakob OssnerOssner, Jakob betont, „auf die Notwendigkeit der Pflege und Bildung“ der deutschen Sprache hin.9

HennesHenne, Helmut Konzept der inneren Mehrsprachigkeit des Deutschen ist somit einerseits wegweisend für eine differenzierte, linguistisch fundierte und zugleich didaktisch reflektierte Sicht auf die Vielgestaltigkeit der deutschen Sprache, andererseits macht es deutlich, dass auch der sprachwissenschaftliche Blick darauf nicht ideologisch neutral bzw. vollkommen wertfrei ist bzw. sein kann – entscheidend ist vielmehr, sich entsprechender sprachlicher IdeologienIdeologie, sprachliche (wie etwa der Aufwertung des sprachlichen Standards gegenüber anderen Varietäten) und der damit verbundenen Implikationen für die sprachliche Praxis, die wissenschaftliche Theoriebildung und die Sprachdidaktik möglichst bewusst zu sein. Dazu wird es deshalb einige weiterführende Überlegungen in Kapitel 4 geben.

Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik

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