Читать книгу Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik - Hubert Klausmann - Страница 11
2.4 Zusammenfassung: Die Begriffe Standardsprache, Dialekt und UmgangsspracheUmgangssprache
ОглавлениеMit Blick auf die folgenden, einzelne Aspekte weiter vertiefenden Überlegungen werden an dieser Stelle die wesentlichen Unterschiede zwischen den Begriffen Standardsprache, Dialekt und Umgangssprache noch einmal kurz und prägnant zusammengefasst. Dies geschieht jeweils durch kurze Begriffserklärungen.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich in allen drei Fällen um linguistische Konzepte und damit um den Versuch handelt, aus einer Fülle sprachlicher Phänomene jeweils solche in einem Begriff zusammenzufassen, die eine Reihe ähnlicher – nach linguistischen Kriterien beschreibbarer – Merkmale aufweisen. Dabei muss zwischen sprachwissenschaftlich motivierten und fundierten einerseits und populären bzw. alltagssprachlichen Konzepten andererseits unterschieden werden: Der Begriff „Dialekt“ ist sowohl ein linguistisches als auch ein alltagssprachliches Konzept – auch Menschen, die nicht Sprachwissenschaftler sind, haben i.d.R. eine (mehr oder weniger konkrete) Vorstellung davon, was man unter einem „Dialekt“ versteht; der Begriff „Hochdeutsch“ wiederum ist ein alltagssprachliches Konzept, dem der sprachwissenschaftliche Begriff der (deutschen) Standardsprache entspricht, unter der im Wesentlichen Folgendes zu verstehen ist:
Standardsprache: Bei der (deutschen) Standardsprache handelt es sich um ein Phänomen der deutschen Sprache, das sowohl im Schriftlichen (schriftlicher Standard) als auch im Mündlichen (mündlicher Standard) auftritt; von Standard bzw. Standardisierung ist deshalb die Rede, weil die (mündliche wie schriftliche) Standardsprache der Normierung unterliegt. Normierende Instanz für die mündliche Standardsprache ist das „Aussprachewörterbuch“ des DudenDuden; daneben existiert bis heute die von dem deutschen Germanisten Theodor SiebsSiebs, Theodor um 1900 entwickelte „Bühnenaussprache“ als normierende Instanz.1 Beide Standard-Lautvarianten wurden bzw. werden – trotz einiger Unterschiede – auf der Basis norddeutscher Dialekte entwickelt. Der Duden nimmt für sich allerdings in Anspruch, „der Sprechwirklichkeit“ näher zu kommen als die „Bühnenaussprache“, da diese „ideale Norm“ nur noch im Kunstgesang üblich sei.2 Wie Werner KönigKönig, Werner für den mündlichen Standard nachgewiesen hat, meint der Duden mit „der Sprechwirklichkeit“ die Aussprache im norddeutschen Raum.3 Das zeigt zum einen, dass hinter seinen Entscheidungen Sprachwissenschaftler stehen, die ihre Entscheidungen nicht auf der Basis empirischer Untersuchungen, sondern eigener Normurteile fällen; zum anderen macht es deutlich, dass auch die Entscheidungen eines Wörterbuchs – so unumstößlich sie erscheinen mögen – auf einer schwankenden, veränderlichen Basis stehen („Was ist die Sprechwirklichkeit im norddeutschen Raum?“).4 Der im kulturellen Gedächtnis der deutschsprachigen, insbesondere der bundesrepublikanischen Bevölkerung tief verwurzelte Nexus „Norddeutsch gleich Standardsprache“ hat in diesen richtungweisenden Entscheidungen seinen Ursprung, obwohl – das sei hier ausdrücklich betont – die einzelnen deutschen Aussprachevarianten bzw. Dialekte aus sprachwissenschaftlicher Perspektive prinzipiell gleichwertig sind.5 Ein „Primat der Standardsprache“ (vgl. Kap. 2), wie es in Helmut HennesHenne, Helmut Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen zum Ausdruck kommt, lässt sich jedenfalls nicht aus der konkreten Sprachwirklichkeit ableiten, sondern allenfalls normativ begründen. Den geografisch neutralen mündlichen Standard gibt es nach Königs Untersuchungen im Grunde lediglich bei den Nachrichtensprecherinnen und Nachrichtensprechern in Radio und Fernsehen in mehr oder weniger „reiner“ Form.6 Normierende Instanz für den schriftlichen Standard sind ebenfalls die deutschen Wörterbücher, allen voran der Duden und das Wörterbuch von WahrigWahrig. Dabei gilt es zu bedenken, dass es nicht nur zwischen den einzelnen Wörterbüchern, also mit Blick auf die Frage, was der schriftliche Standard sei, z. T. erhebliche Diskrepanzen gibt.7 Neben dem deutschen Deutsch sind darüber hinaus weitere nationale Standardvarietäten zu unterscheiden, nämlich das „österreichische Deutsch“ und das „schweizerische Deutsch“.8
Dialekt: Zu den dialektalen Phänomenen gehören die verschiedenen regionalen Varianten der deutschen Sprache. Dies gilt sowohl für das Schriftliche als auch für das Mündliche, wobei jedoch ein wesentlicher Unterschied besteht: Während die (regionale) Variation im Schriftlichen – ungeachtet aller Normierungsbestrebungen von DudenDuden und WahrigWahrig – im Bereich Wortschatz bzw. Lexik auftritt, differieren die mündlichen Variationen der deutschen Sprache auf sämtlichen linguistischen Ebenen (Lexikon, Morphologie, Phonologie usw.). Dabei ist, wenn von Dialekt die Rede ist, im süddeutschen Raum grundsätzlich von einer gleitenden Skala auszugehen: Sie reicht von „stark ausgeprägt“, wie in bestimmten ländlichen Kontexten durchaus heute noch üblich und vor allem in früheren Jahrhunderten der Normalfall, bis hin zu „schwach ausgeprägt“, d. h. nahe am mündlichen Standard und lediglich dialektal bzw. regional gefärbt.
UmgangsspracheUmgangssprache: Im Unterschied zu den beiden Begriffen „Standardsprache“ und „Dialekt“ bezieht sich der Begriff „Umgangssprache“ ausschließlich auf den Bereich des konzeptionell Mündlichen, also den Bereich der gesprochenen Sprache. Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass es „die“ Umgangssprache nicht gibt;9 vielmehr existieren zahlreiche Varianten der Umgangssprache nebeneinander, wobei Dialektgrenzen überschritten werden und die Grenzen zwischen diesen Varianten fließend sind. Ihr Hauptkennzeichen besteht darin, dass sie einerseits mehr oder weniger stark dialektal gefärbt und andererseits – zum Zwecke überregionaler Verständigung – am (mündlichen) Standard orientiert sind. Deshalb kann bei regionalen Varianten, die dem (mündlichen) Standard sehr nahe stehen, auch von „Standardvarianten“ gesprochen werden.10 Die Verwendung der Umgangssprache wird somit von der impliziten Annahme getragen, dialektales Sprechen sei per se eine Verständigungsbarriere und müsste deshalb durch die (mehr oder weniger starke) Ausrichtung am (mündlichen) Standard verbessert werden.