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WACHGEKÜSST

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Meine erste Erfahrung mit Ekstase war nicht besonders sexy. Um genau zu sein: Sie machte mir Angst. Todesangst. Ich hatte nicht mit ihr gerechnet, ich hatte sie nicht gesucht, nicht erbeten, nicht einmal für möglich gehalten. Sie überfiel mich mitten im Alltag und zerriss meinen Schleier aus Routinen und Gewohnheit.

Wie kam das? Nun, ich hatte nichts getan. Ich war 18 Jahre alt, lebte in Berlin in einer kleinen WG und hatte mich mittags, zwischen zwei Verabredungen, auf meine Yogamatte gelegt. Und irgendwie tat ich »nichts«. Ich schlief nicht ein, ich war nicht wach, ich meditierte nicht, ich dachte nicht besonders nach. Ich lag einfach da. Auf dem Rücken, in einer Berliner Altbauwohnung.

Tja, und dann stürzte der Himmel ein. Ich bemerkte plötzlich einen inneren Sog in meinem Herzraum, einen Strudel aus brausender Energie, die sich rasant schnell nach innen stülpte und unermesslich ausdehnte (sich »nach innen hin ausdehnen« ist eine dieser typischen Paradoxien in der Ekstase, die überwältigend real sind und zugleich in unserem Alltagsbewusstsein keinen Sinn ergeben).

Es war, als würde Starkstrom aus dem Nichts heraus in mir auftauchen und sich durch die Schichten meiner Normalität hindurchfressen. Ich war vollkommen überwältigt. Nur wenige Momente lang konnte ich diese Erfahrung genießen. Bald packte mich die nackte Angst. Das, was da in mir geschah, geschah aus mir selbst heraus. Ich war meiner eigenen Unendlichkeit wehrlos ausgeliefert.

Der Innenstrom nahm kein Ende und warf mich in wilde ekstatische Ausbrüche. Ich lachte und weinte gleichzeitig in unkontrollierten Wellen, ich warf mich auf dem Boden herum und schrie in unerträglich intensiver Freude. Ich hörte die Götter über mir prusten vor Lachen. Mein ganzes Sein zersprang in purer losgelassener Freude. »Oh, dieses Leben, dieses Leben! Ich kann nicht schöner danken, als indem ich einstimme in dieses kosmische Gelächter …«

Ekstatische Räume sind schwer zu beschreiben. Dieser hier war wie eine unendlich langsame und rasend schnelle, sich ewig fortsetzende und vertiefende Implosion grenzenloser Lust mitten in der Explosion. Jedenfalls war es das Ende meiner Illusion zu wissen, was Leben ist.

Wie viel Zeit ich in diesem Zustand verbrachte? Ich weiß es nicht. Aber gleichgültig, wie lang der Zustand anhielt: Er war die mit Abstand machtvollste, lustvollste und wildeste Erfahrung all meiner bisherigen Erfahrungen. Und er brannte mir ein paar Aha-Momente ein, die ich seitdem unmöglich wieder vergessen kann. Zum Beispiel wusste ich intuitiv und überwältigend klar: »Das hier ist Realität. Mein Normalsein ist es nicht.«

Auch erkannte ich in diesen Momenten (die wohlgemerkt nicht das Geringste mit »Sex« zu tun hatten), was ein Orgasmus wirklich ist, wenn wir unsere kleinen Kulturorgasmen beiseitelassen. Und am wichtigsten: Ich weiß seitdem, dass es einfacher ist, ekstatisch zu sein, als nicht ekstatisch zu sein. Ja, ich fand in diesen Räumen meine Heimat wieder: Ekstase ist einfacher als Leiden.

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