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Der verpatzte Bub

Dora war acht,

als sie eigentlich ein Bub war.

Da sie draufgängerisch und wagemutig handelte, erklärte Mama immer wieder jedem, mit dem sie über Dora redete:

„Sie ist ein verpatzter Bub.“

In ihrer Stimme war so etwas wie leiser Stolz zu hören.

Ein Mädchen war also ein verpatzter Bub. Dora dachte nach.

‚Wieso ist nicht ein Bub ein verpatztes Mädchen?‘

Sie wusste es nicht und streunte weiter mit ihren Freundinnen durch den dicht bewaldeten Stadtrand. Natürlich waren ihre Streifzüge örtlich begrenzt, sie waren ja erst acht, aber ein Ausflug zur versteckten Wiese – so nannten sie den großen Grasflecken oberhalb des kleinen Berges in Omas riesigem Garten – kam ihr und ihren Freundinnen vor wie eine weite, gefährliche Reise.

Wenn die Mädchen zu weit hinauf in den Wald gegangen waren und Mutter das erfuhr, sagte sie streng:

„Wenn ihr so weiter macht, wird euch einmal der schwarze Mann holen.“

‚Schwarzer Mann? Rauchfangkehrer? Neger? Dora wusste es nicht und durchstreifte weiter Wiesen und Wälder.

Um ihrem Ruf als Bub, ob verpatzt oder nicht, gerecht zu werden, kletterte sie auf jeden halbwegs mit Ästen bestückten Baum und rannte mit den Buben um die Wette. Dass sie dabei einmal stürzte und sich ihre Knie zerschürfte, störte sie nicht.

Als sie schon in die dritte Klasse, die 3b, ging, rutschte sie im Winter auf ihrer ledernen Schultasche einen steilen, vom Eis glatten Hang hinunter. Auf diese Weise zeigte sie den mitrutschenden Buben etliche Male, dass sie zu ihnen gehörte. Ein wahrer Bub unter verpatzten Mädchen, das war sie.

Peter, ein Bub aus ihrer Klasse, wartete jeden Morgen bei der Kreuzung auf Dora. Sie gingen dann gemeinsam zur Schule. Peter wurde von seinen Schulkollegen gehänselt, weil er mit einem Mädchen ging.

„Du mit einem Mädel! Waschlappen!“, riefen sie.

Dora merkte, dass es besser war, ein Bub zu sein. Und es war wohl auch besser, später ein Mann zu werden statt ein Fräulein.

Auch einen Unfall mit ihrem Rad nahm Dora tapfer in Kauf. Sie wurde anerkannt von den etwas fremden Wesen, die noch Kinder waren, aber einmal Männer werden sollten.

Alles hatte seine Richtigkeit, nur ihre Mutter sah dem Treiben besorgt zu. Ihr wäre lieber gewesen, Dora hätte sich mit einem hübschen Kleidchen ins Kinderzimmer begeben und hätte dort mit Puppen gespielt.

Dass ihre Tochter ‚auf Bub komm raus‘ am liebsten abgewetzte Hosen trug und sich beim Friseur die Haare kurz schneiden ließ, irritierte sie, aber sie ließ sich nichts anmerken.

‚Es wird vorüber gehen‘, tröstete sie sich selbst.

Und irgendwie war da auch Stolz dabei.

Der letzte Stein

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