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Die Operation

Dora war drei,

als Mama sie verließ.

Sie hatte Schmerzen im Oberschenkel. Ihre Mama nahm die Sache sorgfältig unter die Lupe.

„Ich glaube, das ist etwas fürs Spital“, meinte sie.

Dora ist zu klein, um sich später daran erinnern zu können.

Alles, was sie in Zukunft, nach neun oder zehn Jahren, von ihrer Mutter darüber erfahren wird, das ist jetzt, mit den Schmerzen im Schenkel, ihre Gegenwart. Sie wird all das aber nicht mehr wissen, später.

Sie fuhren ins Spital. Papa und ein Onkel, der ein Auto besaß. Dora war in eine rosa Decke gehüllt, lag auf der Rückbank des Autos, hatte hohes Fieber. Mama musste daheimbleiben. Doras große Schwester Terese war noch nicht alt genug, um allein zu Hause zu warten. Also ließ Mama die dreijährige kranke kleine Tochter im Stich, übergab sie Papa und dem Onkel. Dora, verlassen von Mama, zum ersten Mal, ohne Vorwarnung, ohne Absicht. Nur die beiden Männer kümmerten sich um sie, das war zu wenig. Sie weinte nicht einmal. Dafür war der Schock zu groß. Ohne Mama.

Das Letzte, was Dora vor der Operation sah, war ein grün maskiertes Gesicht. Die Ärzte operierten Dora – das wird ihr ihre Mutter später einmal erzählen – an der Innenseite des Oberschenkels. Ein Schlauch musste durch zwei Öffnungen in Doras Fleisch eingezogen werden, damit der Eiter abfließen konnte.

Nach überstandener Nacht – der Eingriff war vorbei – war sie allein, mutterseelenallein. Kein Papa, keine Mama, nur die weißen Krankenschwestern um sie herum. Dora erstarrte und sprach nicht mehr. Sie war für immer verlassen worden, dessen war sie sich ganz sicher.

„Du hast einfach nicht mehr gesprochen, und dein Gesicht war todernst, so oft ich dich besucht habe.“

Das wird Mama ihr später, in zehn Jahren, schildern.

„Verzweifelt war ich. Und ich habe gedacht, dich hat jemand ausgetauscht. Daheim hast du immer geredet, ziemlich viel geredet. Eine Plaudertasche.

Weißt du, früher mussten die Kinder im Spital allein bleiben, also auch du. Die Eltern durften nur kurz auf Besuch kommen. Heutzutage ist das schon ein wenig anders.“

Ein paar Stunden nach der Operation, einer Ewigkeit, kam Mama ins Spital. Sie sah ihre Tochter an und erschrak. Dora musterte die Mutter mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen und begann dann zu schreien. Und sie schrie, bis Mama wieder weg war.

An den Spielen der anderen kranken Kinder beteiligte sie sich nicht. Sie schwieg einfach.

Wenn Mama kam, schrie sie.

Wenn Mama wegging, hörte sie auf zu schreien und verstummte.

Das wiederholte sich unzählige Male. Doras Mutter wurde beinahe verrückt vor Sorge.

Dora war allein im Krankenhaus, von der ganzen Familie verlassen. Sie lebte im Glauben, es wäre für ihr ganzes Leben. Ein Leben lang allein. Mit Bitternis und Entsetzen verbrachte sie die Zeit im Spital.

Eine schreckliche Zeit, für immer in sie gemeißelt.

Später wird ihre Mutter ihr alles erzählen, und sie wird das alles zu verstehen versuchen. Aber es wird nicht viel zu verstehen geben. Sie war verlassen worden, das wird sich nicht wegreden lassen. Auch wenn ihre Mutter glauben wird, all das sei vorbei.

Dora durfte heim. Die Wunde verheilte, die Operation war gut verlaufen.

Gut?

Der letzte Stein

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