Читать книгу Schattenglanz - Ina Maria Teutsch - Страница 10

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KAPITEL 6 - Dieser Moment

Unschlüssig stand ich vor der Tür, auf der in goldenen Buchstaben "Aufenthaltsraum" geschrieben stand und aus der laute, hämmernde Musik drang. Es wunderte mich, dass Frau Superfröhlich und die anderen Erwachsenen davon nichts mitbekommen sollten. Aber das war nicht mein Problem. Ich hatte beschlossen die anderen Partygäste einfach geflissentlich zu ignorieren. Eigentlich war ich ja nur hier, um meine Zeit im Camp abzusitzen. Und Freunde hatte ich auch nie finden wollen. Ich machte mir nicht im geringsten etwas daraus, was sie von mir denken mochten. Eben nur mit einer kleinen Ausnahme. Diesem seltsamen Jungen mit den faszinierend silbergrauen Augen. Ich hätte wirklich alles dafür gegeben, dass er mir wenigstens eine winzig kleine Chance gab. Aber wie es schien, hatte er mich ja bereits abgeschrieben, bevor er überhaupt ein Wort mit mir gewechselt hatte. Das musste ich wohl oder übel so hinnehmen. Ich straffte meine Schultern und öffnete schwungvoll die Tür vor mir. Die Musik war nun noch lauter, dröhnte mir in den Ohren und der Bass ließ den Boden vibrieren. Neugierig schaute ich mich genauer um. Ich befand mich in einem Raum, der von oben bis unten mit Girlanden und Lametta geschmückt worden war. Chips und Kuchen standen auf einem langen Tisch und eine behelfsmäßige Bar war hinter einer Abtrennwand eingerichtet worden. Überall standen mehrere kleine Grüppchen von Jugendlichen an Stehtischen herum, die hier und da im Raum verteilt worden waren. Eine kleine Fläche war jedoch frei geräumt worden, die als Tanzfläche diente. Zwei Jungen gaben gerade ihre Tanzkünste zum besten und eine kleine Schar Schaulustiger hatte sich johlend um sie versammelt. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung und ich fühlte mich sofort etwas besser. Bei Partys kannte ich mich aus. Ich liebte es einfach mich mit der Masse der tanzenden Körper um mich herum mitreißen zu lassen und alles andere zu vergessen. Da entdeckte ich zu meiner großen Erleichterung Timo, der mit einem anderen Jungen an einem Tisch stand, den ich noch nicht kennengelernt hatte. Er lachte ausgelassen und hielt einen Cocktail in der Hand. Schnellen Schrittes ging ich auf die beiden zu, ohne die Blicke der anderen weiter zu beachten, die mir folgten. Da erblickte ich auch Franziska, die sich gerade etwas zu essen holte. " Hey Larissa! Wo warst du denn beim Abendessen abgeblieben? Wir haben dich schon beinahe als vermisst melden wollen ", rief Timo mir laut über die Musik hinweg entgegen, als er mich erkannte. Sein Gesicht verzog sich dabei zu einem hinreißenden Lächeln, was mir einen warmen Schauer den Rücken hinunter jagen ließ. Doch sofort schob sich das Bild dieses seltsamen Jungen mit den silbergrauen Augen vor mein inneres Auge, dessen Gegenwart mich so aus der Bahn geworfen hatte. Jetzt war es wohl völlig um mich geschehen! Timo war so nett zu mir und ich dachte nur an diesen Idioten. Schnell schüttelte ich meinen Kopf: "Ich hatte einfach keinen Hunger. Aber die Party hier konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen." Timo nickte zustimmend und legte mir freundschaftlich seine Hand auf meinen Arm. Ein warmes Kribbeln breitete sich von der Stelle aus, wo er mich gerade berührte und ich musste unwillkürlich lächeln. "Ich habe von deiner Begegnung mit unserer Angeberclique gehört und muss sagen ich bin stolz auf dich. Du hast dich gut geschlagen. Das können nicht viele von sich behaupten. Ich fand dabei nur schade, dass du Marie nicht auf die Füße gekotzt hast. Das wäre nämlich die Krönung gewesen. Aber egal. Wie wäre es also mit einem Cocktail für unsere Heldin des Abends?", meinte Timo ernst. Sofort ging es mir um einiges besser. Er machte sich nicht über mich lustig, sondern schien mich tatsächlich aufmuntern zu wollen. "Sehr gerne", erwiderte ich dankbar und wurde leicht rot. Timo verschwand in Richtung Bar, um mir etwas zum trinken zu holen, wobei er mir noch einen letzten Blick zuwarf. Ich konnte es nicht fassen. Dieser richtig süße, hinreißende Typ schien tatsächlich etwas von mir zu wollen! Oder zumindest versuchte er super nett zu sein. Da kam Franziska zu mir herüber geschlendert und gesellte sich zu mir. Wir plauderten etwas über unsere Familien und unser Leben zu Hause. Sie berichtete von ihren drei jüngeren Geschwistern und ihren nörgelnden Eltern, vor denen sie wenigstens einmal im Jahr in den Ferien Ruhe brauchte und weswegen sie eigentlich hierher ins Camp kam. Ich konnte sie durchaus verstehen und fragte mich, wie ich sie noch vor ein paar Stunden alle als Langweiler verurteilt haben konnte. Timo war mittlerweile wieder mit einem Cocktail in der Hand zurückgekehrt, den er mir galant reichte. Ich nahm einen großen Schluck des leckeren Getränks, das mir kühl und süß den Hals hinunter floss. Herrlich! Timo stellte sich dicht neben mich und ich konnte seinen umwerfenden Geruch nach irgendetwas Exotischem wahrnehmen, der mich an Urlaub und Strand erinnerte. Oh mein Gott war der Typ hammer! Leonie und Martin gesellten sich mit der Zeit auch noch zu uns und es war, als hätte ich schon immer dazugehört. Wir scherzten und lachten und ich fand langsam aber sicher sogar ein bisschen Gefallen an dem Gedanken hier mit meinen neuen Freunden noch sechs Wochen verbringen zu können. Das würde sicherlich auch lustig werden. Auf einmal wurde ich von hinten heftig angerempelt und schüttete den Rest meines halb leeren Glases über mein T-Shirt. Eine Lache Pina Colada breitete sich dort aus und ich fuhr wutschnaubend herum. "Was fällt dir ein?! Hast du keine Augen im Kopf oder was? Du solltest dir wohl eine Brille besorgen!", schrie ich außer mir vor Wut. Der, der mich umgerannt hatte, gab keinen einzigen Ton von sich, als würde ihn die ganze Sache nichts angehen und ihn nicht im Geringsten interessieren. Hatte es ihm etwa jetzt auch noch die Sprache verschlagen oder was? Verächtlich schaute ich auf, direkt in das Gesicht dieses geheimnisvollen Jungen, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Seine Augen funkelten belustigt und ein kleines Lächeln war darin zu erkennen. Mir verschlug es den Atem. Für einen winzigen Augenblick erstrahlte sein Gesicht in einem amüsierten Grinsen und entriss mich vollkommen dieser Welt. Kleine Grübchen bildeten sich um seinen vollen Mund und das Silbergrau seiner Augen schien auf einmal mit goldenen Flecken durchsetzt zu sein. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich gleich aus einem Traum erwacht wäre, denn so etwas Schönes hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen. "Du musst Larissa sein. Ich hatte heute morgen leider noch keine Zeit mich vorzustellen, als du so schnell geflüchtet bist. Ich bin Laurin", grinste er da abfällig und ich bemerkte, dass er mich auf den Arm nehmen wollte. Dabei entblößte er eine Reihe schneeweißer Zähne, die aus seinem Gesicht hervorblitzten. LAURIN. Ich ließ mir das Wort auf der Zunge zergehen. Wie schön sich dieser Name anhörte! Er passte so perfekt zu ihm. Doch dann packte mich wieder die kalte Wut. Nicht einmal ein Wort der Entschuldigung hatte er hervorgebracht! Benahm sich, als sei er etwas besser, als alle anderen und ich unter seinem Niveau! Und trotzdem musste ich feststellen, dass ich nicht sauer auf ihn sein konnte. Ich brachte es einfach nicht über mich auch nur ein kleines bisschen böse auf ihn zu sein. Ohne einen Ton hervorzubringen starrte ich ihn nur ungläubig an und bewunderte seine umwerfende Erscheinung. Da trat plötzlich Timo neben mich und legte mir besitzergreifend seinen Arm auf die Schulter. "Entschuldige dich gefälligst bei ihr, wenn du nicht aufpassen kannst und über deine eigenen Füße stolperst!", drang seine Stimme von weitem zu mir durch. Laurin wandte sich nun langsam Timo zu, wobei er mich immer noch fixierte: "Du hast mir nichts zu sagen Kleiner!" Tatsächlich stellte ich verwundert fest, dass Laurin mindestens einen Kopf größer war, als Timo. "Aber weil sie es ist mache ich da mal eine Ausnahme. Es tut mir leid Larissa", meinte er spöttisch und abfällig zugleich. Timo unterdrückte ein wütendes Schnauben. Ich stand währenddessen einfach nur stocksteif da, spürte den sanften Druck von Timos Hand auf meiner Schulter und beobachtete fasziniert Laurin, der so vollkommen zu sein schien. Ich musste schon dämlich ausgesehen haben, wie ich da reglos stand, ohne ein Wort zu dem Gespräch beizusteuern. Da zwinkerte mir Laurin auf einmal zu und hauchte genau so laut, dass Timo ihn auch hören musste: "War wirklich nett dich kennengelernt zu haben Larissa." Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in der Menge, ohne auf eine Antwort von mir zu warten, die höchst wahrscheinlich eh nicht gekommen wäre. Ich blieb noch eine ganze Weile etwas benommen stehen, bis Timo mich leicht schüttelte und ich zum Tisch zurückkehrte. Leonie reichte mir wortlos eine Serviette, die ich dankbar entgegen nahm. "Lass dir von ihm nicht den Abend verderben. Das ist der größte Arsch, den es hier gibt. Wenn er es das nächste mal wagt so mit dir zu reden, verpasse ich ihm eine. Das schwöre ich dir!", fauchte Timo wütend. Ich fühlte mich durch seinen Beistand geschmeichelt. Doch wenn er und die anderen gewusst hätten, was in mir vorging, wären sie sicherlich nicht so nett zu mir gewesen. Der Abend wurde den Verhältnissen entsprechend noch richtig lustig und schön. Doch das Bild von Laurins Lächeln ging mir keine Sekunde mehr aus dem Kopf. Selbst als mir fast die Augen zufielen und ich hundemüde ins Bett ging, sah ich noch sein Gesicht vor mir, das mich voll und ganz verzauberte.

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