Читать книгу Schattenglanz - Ina Maria Teutsch - Страница 6

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KAPITEL 2 - Die Ankunft

Das Erste, was ich in diesem stickigen Camp zu Gesicht bekam, war der Rücken eines Campleiters. Doch kurz darauf nahm ich meine erste Vermutung wieder zurück. Es war durchaus möglich, dass es sich hierbei um eine Leiterin handelte. Irgendwie schien das Wesen vor mir wohl eine Mischung aus beidem zu sein. Es hatte kurze, fettige Haare und einen Bierbauch. Gelbe Zähne blitzten mir gefährlich entgegen, als das Wesen sich zu mir umdrehte und mit maßlos übertrieben fröhlicher Stimme: "Willkommen im Camp Sonnenschein, hier werden wir alle gemeinsam fröhlich sein!" flötete. Seine viel zu engen Kleider spannten sich bei einem kratzenden Lachanfall so stark, dass ich schon Angst hatte, sie würden gleich platzen und mir mit einem lauten Knall um die Ohren fliegen. Angeekelt wich ich einen Schritt zurück und rümpfte unwillkürlich die Nase. Wenn das so weiter ging, würde ich nach schon einer Stunde schreiend das Weite suchen. "Ich bin Frau Barsch und die Leiterin des Camps seit fünfzehn Jahren", riss mich da die Stimme der seltsamen Erscheinung vor mir aus meinen verzweifelten Gedanken. Oh mein Gott! Das Rätsel war also gelöst! Es war eine Frau! Und wahrscheinlich schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr hier herausgekommen, so wie sie aussah. "Ich zeige dir kurz dein Zimmer und in einer halben Stunde treffen wir uns zu einer Vollversammlung in der Aula, wo wir uns alle besser kennenlernen können", flötete diese gute Laune in Person nun weiter und reichte mir einen Zimmerschlüssel und einen Plan, auf dem fünf Gebäude zu erkennen waren. Achselzuckend folgte ich ihr zu dem ganz linken Gebäude. "Das hier ist das Sonnenblumenhaus für die Mädchen. Die Jungs sind dort drüben im Magnolienhaus untergebracht. Nach zehn Uhr dürft ihr nicht mehr bei den anderen im Haus sein. Verstoßt ihr dagegen, werdet ihr zu einem Tag Stallarbeit verdonnert. Die anderen Regeln stehen in der Hausordnung, die auf dem Tisch in deinem Zimmer liegt. Wenn du noch Fragen hast, wende dich bitte an Marie. Sie ist deine Gruppenleiterin", erklärte Frau Superfröhlich, wie ich sie insgeheim getauft hatte. Sie führte mich in das Gebäude für die Mädchen hinein, das noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen schien. Der Boden der großen Eingangshalle war aus dunklem Eichenholz, das bei jedem Schritt bedrohlich knarrte. Die Wand und die Decke bestanden dagegen aus weißem Gips, der aber schon etwas braun geworden war und bröckelte. Na toll! Was wenn hier gleich das ganze Haus in sich zusammenbrach? Von der Decke hingen nackte Glühbirnen und an den Wänden Bilder von irgendwelchen nichtssagenden Farbklecksen, wie ich sie schon immer gehasst hatte. Es wurde eindeutig immer besser! Wir stiegen eine schmale Treppe hinauf, was sich mit meinem Koffer in der Hand zu einem echten Problem entwickelte. Warum gab es hier auch keine Aufzüge? Oben angekommen gingen wir ganz ans andere Ende des Ganges. Die Ausstattung glich exakt die der Eingangshalle. Natürlich hatte ich ausgerechnet das letzte Zimmer am hintersten Ende des Hauses erhalten müssen. War ja mal wieder typisch. Ich öffnete mit meinem Schlüssel die Tür und Frau Superfröhlich wuselte zu meiner großen Freude sofort weiter zu irgendeinem anderen bemitleidenswerten Opfer, das sie zu begrüßen hatte. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett plumpsen und schaute mich in meinem Zimmer genauer um, das nun für sechs Wochen mein Zuhause sein sollte. Mein Zufluchtsort. Wenigstens hatte ich ein Einzelzimmer, was mich zumindest ein kleines bisschen beruhigte. Denn mit einem dieser Langweilermädchen in einem Zimmer zu schlafen, die freiwillig hier ihre Ferien verbrachten, wäre der sichere Untergang für mich gewesen. Das Zimmer erstrahlte in demselben braun-weiß, wie der Rest des Gebäudes und was mich an verfaulte Essensreste erinnerte. Es befanden sich ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, die aber recht instabil wirkten, ein winziger Schrank, bei dem ich mir jedoch nicht einmal sicher war, ob all meine Klamotten da überhaupt hineinpassten und das Bett auf dem ich gerade saß in meinem winzigen Zimmer. Nicht einmal ein eigenes Bad gab es hier, wie ich stöhnend feststellen musste. Na prima! Jetzt durfte ich auch noch das mit den anderen Langweilermädchen teilen. Wut packte mich und ich sprang wieder vom Bett auf. Was fiel meinen Eltern eigentlich ein mich hier in diesem Loch versauern zu lassen?! Am liebsten hätte ich auf irgendetwas eingeschlagen, aber es gab nichts außer meinem Koffer, dem ich aber niemals wehgetan hätte. Er hatte mich ja schließlich nicht hierher geschleppt. Unschlüssig ging ich auf das einzige Fenster im Raum zu, durch das die warmen Strahlen der Mittagssonne fielen. Ich hatte einen guten Blick auf den Hof vor dem Gebäude. Eichen schmückten die Hügel, die sich rings um das Camp ausbreiteten. Ich hatte alte Eichen schon immer gemocht. Sie hatten für mich etwas Magisches an sich, das mir gefiel und bei dem ich immer an Feen und Engel denken musste. Ich ließ meinen Blick weiter über den Hof schweifen. Ein Traktor fuhr gerade mit lautem Getöse die Einfahrt hinauf und mich wunderte es, dass er nicht gleich mit einem lauten Knall in all seine Einzelteile zerfiel. Er sah nämlich eher aus wie ein Schrotthaufen auf vier Rädern. Da erregte auf einmal eine kleine Bewegung auf der anderen Seite des Hofes meine Aufmerksamkeit. Eine Gruppe von drei Jungen und zwei Mädchen schlenderte lachend den Weg entlang, auf das Gebäude mit den zwei Türmen zu, die seltsam schief wirkten. Ich konnte ihre Gesichter nicht richtig erkennen, doch sie schienen sich schon zu kennen und mächtig zu amüsieren. Noch besser! Sie kannten sich hier also auch schon alle! Meine Stimmung sank noch weiter unter den Gefrierpunkt, wenn das überhaupt möglich war. In diesem Moment drehte sich auf einmal der Größte der drei Jungen zu mir um und es war, als würde er direkt zu mir nach oben blicken. Er hatte schwarzes, seidig glattes Haar, das ihm wie ein Vorhang vor die Augen fiel, sodass ich diese nicht genau erkennen konnte. Sein braungebranntes Gesicht war makellos und seine Lippen voll und leicht geschwungen. Wie gebannt blieb ich stehen und beobachtete fasziniert, wie sich sein Mund zu einem kleinen Lächeln verzog, das mein Herz einen Schlag aussetzen ließ. Aber vielleicht war das auch nur eine Täuschung des Lichts gewesen. Denn im nächsten Augenblick wandte er sich auch schon wieder ab und ich erwachte aus meiner Starre. Schnell sprang ich vom Fenster zurück, als hätte ich mich gerade verbrannt. Was war nur in mich gefahren? Ein seltsames Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und verursachte mir Bauchschmerzen. Mir war leicht schwindelig und ich schwankte. Wurde ich krank? Bitte nicht auch noch das! Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich nun schnellstens auf den Weg in diese Aula machen sollte, wenn ich nicht schon bei unserem ersten Treffen zu spät kommen wollte. So packte ich den Plan, den ich auf den Tisch gelegt hatte, wie einen Rettungsanker und eilte immer noch leicht schwankend nach draußen.

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