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KAPITEL 1 - Der Eingang zur Hölle

Teil 1 Larissas Sicht

Der Wecker riss mich unsanft aus einem viel zu schönen Traum. Entnervt fuhr ich hoch und knallte mit meinem Kopf gegen die Dachschräge. Guten Morgen auch! Wütend drückte ich auf den Ausschalter und das nervtötende Piepen verstummte augenblicklich. Erleichtert ließ ich mich in die Kissen zurück sinken. Es war Montagmorgen sieben Uhr. Der erste Tag der Sommerferien und ich durfte trotzdem nicht ausschlafen. Super! Draußen vor dem Fenster strahlte die Sonne und ein paar Amseln zwitscherten munter eine lustige Melodie, doch meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angelangt. Mit einem lauten Krachen flog da die Tür zu meinem Zimmer auf und meine Mutter platzte ohne anzuklopfen herein: "Aufstehen Lissylein! Du weißt, dass wir früh fort müssen! Beeil dich also!" Wie ich diesen Namen hasste! So nannte sie mich immer dann, wenn ihr etwas ganz und gar nicht passte. Und das war in letzter Zeit sehr häufig der Fall. Aber ob mir etwas nicht passte, interessierte sie einen Dreck. Mürrisch erwiderte ich ein zickiges: "Lass mich in Frieden, ich komme ja gleich!" Daraufhin drehte sich meine Mutter ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz um und verschwand nach unten. Von dort konnte ich das geschäftige Klappern von Geschirr hören. Mein Vater war wohl auch schon aufgestanden, um mich noch verabschieden zu können. Mein Blick fiel auf den Koffer in der Ecke, der traurig mit seiner neongrünen Farbe zu mir herüber leuchtete. Er würde das einzig Vertraute in den nächsten sechs Wochen sein. Denn meine Eltern hatten entschieden mich in ein Sommercamp zu stecken, irgendwo am letzten Arsch der Welt. Wo es keine Shoppingcenter, Schwimmbäder und Kinos in der unmittelbaren Nähe gab und was das aller Schlimmste war, nicht einmal Internet hatte. Wie sollte ich das nur überleben?! All meine Freundinnen flogen nach Mallorca oder in die Karibik, doch ich durfte in einem Sommercamp vor mich hin vegetieren. Das war tausendmal schlimmer, als im Gefängnis zu hocken! Meine Eltern hatten dazu nur achselzuckend gemeint, dass es mir ganz gut tun würde einmal aus der Stadt herauszukommen und Landluft zu schnuppern. Aber da war ich ganz anderer Meinung. Ich hatte sie angefleht mich nicht fortzuschicken, doch sie waren hart geblieben. Und seitdem hatte ich so gut wie kein Wort mehr mit ihnen gewechselt. Sie waren selbst schuld. Widerstrebend sprang ich auf, schnappte mir meine Klamotten und stapfte ins Bad davon. Mein Spiegelbild funkelte mir wütend entgegen. Meine blond-braunen, schulterlangen Haare standen mir dabei wirr in alle Richtungen vom Kopf ab, meine blau-grünen Augen wirkten müde und mein voller Mund war zu einem wütenden Strich verzogen. Na super! Wie sollte ich das nur einigermaßen hinbekommen? Wobei es die ganzen Langweiler im Camp wahrscheinlich eh nicht interessierte, wie ich aussah. Trotzdem stieg ich unter die Dusche und ließ das warme Wasser auf mich niederprasseln. Ich atmete dreimal tief durch und bemühte mich irgendetwas Positives an der ganzen Situation zu finden, was mir aber nicht so recht gelingen wollte. Was sollte man bitte schön sechs Wochen lang in einem Camp anfangen? Und auf die ganzen Gruppenspiele und Wanderungen hatte ich erst recht keine Lust. Was alles aber noch viel schlimmer machte, war, dass man von Montag bis Samstag morgens vier Stunden Unterricht hatte. Auch deshalb hatten meine Eltern beschlossen mich dorthin zu verfrachten. Meine letzten Noten waren nämlich leider nicht gerade sehr überragend ausgefallen, milde ausgedrückt. Aber das konnte doch jedem mal passieren! Das gab ihnen noch lange nicht das Recht mir meine Sommerferien zu stehlen. Resigniert stieg ich aus der dampfenden Dusche und seufzte. Ich gab einen erbärmlichen Anblick ab mit meinen triefend nassen Haaren und den hängenden Schultern. Schnell stellte ich mich aufrecht hin und schrie mich innerlich selbst an, jetzt nicht aufzugeben. Das würde ich meinen Eltern nicht gönnen. Ich würde ihnen nicht auch noch die Genugtuung geben mich am Boden zu sehen! So gut es ging machte ich mich also fertig und nachdem ich mich auch noch geschminkt hatte, sah ich zumindest wieder einigermaßen passabel aus. Langsam stapfte ich die Treppe hinunter in die Küche, wo meine Eltern bereits ungeduldig auf mich warteten. "Beeil dich jetzt! Wir müssen schon in zehn Minuten fort!", schnauzte mich meine Mutter an. "Ich muss gar nichts", entgegnete ich pampig, "und wenn wir später kommen ist es mir auch egal." Meine Mutter funkelte mich wütend an, doch mein Vater legte ihr beschwichtigend seine Hand auf die Schulter: "Lasst uns schnell etwas essen. Larissa was willst du? Pfannkuchen mit Nutella?" Ich verdrehte nur genervt die Augen und setzte mich an den Küchentisch. Sie hatten mir also mein Lieblingsessen als Bestechung gemacht. Super! Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie mich für sechs Wochen abschoben. Nachdem ich fünf Pfannkuchen verdrückt hatte, verabschiedete ich mich kühl von meinem Vater und stieg hinten ins Auto ein, um nicht neben meiner Mutter sitzen zu müssen, die mich vollaberte, dass das Camp bestimmt super spaßig werden würde. Dass ich nicht lachte! Während der ganzen Fahrt starrte ich trübselig aus dem Fenster und beobachtete, wie die Besiedlung immer spärlicher wurde. Die vielen Hochhäuser und gut ausgebauten Straßen verschwanden und schon bald fuhren wir einen holprigen Feldweg entlang, der nicht mehr im geringsten an eine befahrbare Straße erinnerte. Ich drehte meine Musik auf volle Lautstärke, sodass meine Kopfhörer vibrierten und es mir in den Ohren schmerzte. Ich durfte einfach nicht an die nächste Zeit denken. Denn sonst hätte es durchaus passieren können, dass ich auf der Stelle die Beherrschung verlor. Langsam bog unser Wagen um eine Kurve und hielt vor einem schmiedeeisernen Tor, auf dem in rostroter Farbe, die mich an getrocknetes Blut erinnerte, "Camp Sonnenschein" geschrieben stand. Die Buchstaben schienen mich zu verhöhnen. Meine Mutter stieg aus und hiefte ächzend meinen Koffer aus dem Kofferraum. Ich war mittlerweile mit steifen Gliedern ausgestiegen und beäugte misstrauisch die Gegend. Weit und breit war nichts außer Wiesen und Bäume zu erkennen. Meine Mutter stieß einen missbilligenden Seufzer aus: "Du bist schon viel zu spät dran." Ich erwiderte nichts darauf, sondern riss ihr den Koffer aus den Händen. Dann stapfte ich ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei, durch das Tor hindurch, das mir wie der Eingang zur Hölle erschien. Eine Hölle, die ich nun ganz allein sechs Wochen ertragen musste.

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