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KAPITEL 12 – Erkenntnis

Am Mittag hatte ich mich mit Timo zusammen entschieden in die Mediengruppe zu gehen. Auf eine Waldwanderung hatten wir nämlich beide keine allzu große Lust gehabt. Mit irgendeinem Betreuer munter durch den Wald zu stapfen, fröhliche Lieder zu singen und Vögel zu beobachten, war nicht gerade so mein Ding. Außerdem wollte ich so viel Abstand wie möglich zwischen mir und dem Sternensee wissen. Jetzt noch einmal dort vorbeizukommen, hätte ich nämlich nicht auch noch ertragen. Von Laurin war zum Glück weit und breit keine Spur zu erkennen und ich versuchte alle Gedanken an ihn zu verdrängen, was mir auch beinahe gelang. Bloß eben nur beinahe. Ab und zu sah ich nämlich zu meiner eigenen Verzweiflung sein ansteckendes, bezauberndes Lächeln vor mir, das mich in eine andere Welt zu entführen schien. Doch nun war Timo an meiner Seite und nicht Laurin. Und ich würde mir diese Zeit auch nicht verderben lassen, indem ich an diesen Idioten dachte, der eh nur mit meinen Gefühlen spielen wollte! Auch Franziska war sichtlich erfreut, als sie mich händchenhaltend mit Timo in den Medienraum kommen sah. Sie hatte mir noch in der Mittagspause völlig aufgedreht berichtet, wie sehr sie sich für uns beide freute und dass Timo so jemanden wie mich echt verdient hatte. Als Timo nun gerade in die andere Richtung blickte, streckte sie augenzwinkernd beide Daumen in die Höhe, worauf ich zustimmend grinste. Doch ich merkte selbst, dass mein Lächeln nicht ganz echt war und beinahe aufgesetzt wirkte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich Timo hier eigentlich als Ablenkung für die Probleme mit Laurin benutzte. Aber vielleicht würde es ja wirklich etwas Ernstes werden? Zumindest hatte Timo noch nicht die drei Worte gesagt, die ich ganz bestimmt nicht hätte erwidern können. Denn anlügen konnte ich ihn einfach beim besten Willen nicht. Dafür war er viel zu nett. Wir ließen uns neben Franziska auf die zwei einzigen noch freien Plätze im ganzen Raum nieder. Die Meisten schienen Wandern wohl auch nicht gerade so toll zu finden. Timo legte mir seinen Arm um meine Schulter, wobei ich mich gleich geborgen fühlte und kuschelte mich eng an ihn. Das Licht ging aus und ein alter Film über irgendein Pärchen, das nach zwanzig Jahren bemerkte, dass sie nicht zueinander passten, begann über die Leinwand zu flimmern. Ich legte meinen Kopf auf Timos Schulter und schloss die Augen. Der Film interessierte mich nicht im Geringsten. Alte Liebesschnulzen, bei denen man schon von Anfang an wusste, dass es ein Happy End gab, waren noch nie so mein Ding gewesen. Stattdessen dachte ich über mich und Timo und über mein ganzes Leben nach, das so plötzlich aus den Fugen geraten war. Wie hatte es nur so weit kommen können? Ich beschimpfte meine Eltern, die mich in dieses Camp hier hatten schicken müssen und wusste doch gleichzeitig, dass ich ihnen nicht böse sein konnte. Im Gegenteil. Das Treffen mit Laurin hätte ich für nichts in der Welt rückgängig gemacht, auch wenn es am Ende so abrupt beendet worden war. Als ich plötzlich bemerkte, wie viel Wahrheit in diesem einen, so unwichtig klingenden Gedanken lag, hätte ich am liebsten laut aufgeheult. Denn für mich war er ganz und gar nicht unwichtig. Timo neben mir schien meine verzweifelte Stimmung wohl aufgefallen zu sein, denn er strich mir zart eine Strähne meiner widerspenstigen Haare aus dem Gesicht und flüsterte leise in mein Ohr: "Du bist so wunderschön! Alle Frauen in diesen ganzen Filmen hier können da niemals mithalten. Wenn sie dich sehen würden, würden sie vor Neid erblassen!" Ich lief knallrot wie eine Tomate an und war froh, dass das bei der Dunkelheit niemand bemerkte. Oh mein Gott er war so unglaublich süß! Was ging bloß in meinem kranken Kopf vor sich, dass ich ständig an Laurin dachte und nicht an Timo?! Ich musste über mich selbst den Kopf schütteln. Wie dumm konnte man eigentlich sein! Timo verdiente es eine Freundin zu haben, die ihn wirklich und aufrichtig liebte und nicht so jemanden wie mich, die in Sachen Liebe einfach nichts auf die Reihe bekam. Ich war wohl gefühlsgestört. Ob das eine anerkannte Krankheit war? War sie ansteckend? Wenn ja sollten sich all meine Freunde besser in Acht nehmen und ich mich in eine Quarantänestation einweisen lassen. Das wäre wohl das Beste für alle Beteiligten gewesen. Gedankenverloren strich ich über Timos muskulösen Oberarm, der warm auf meiner Schulter ruhte und beschloss schweren Herzens ihm am Samstag noch vor dem Kino von meinen wahren Gefühlen für ihn zu berichten. Denn das hier konnte ich ihm einfach nicht antun. So egoistisch war ich nicht und ich war es ihm bei weitem auch schuldig. Er musste wissen, woran er wirklich war. Denn nun wusste ich ganz genau, was ich tatsächlich für ihn empfand. Es war mehr diese Verbundenheit zwischen Geschwistern, die sich blind verstanden und mit denen man über alles reden konnte. Sie waren immer für einen da, wenn man sie brauchte und man konnte ihnen voll und ganz vertrauen. Timo war mittlerweile in dieser kurzen Zeit wie ein Bruder für mich geworden. Doch seinen Bruder liebte man eben auf eine ganz andere Art und Weise. Eine Art und Weise, die nicht minder schön war, doch eben etwas vollkommen anderes, mit der Liebe zu einem Freund nicht zu vergleichen. Meine Stimmung sank noch weiter, wenn das überhaupt möglich war. Ich wusste nicht mehr auch nur im entferntesten wie ich mich verhalten sollte. Als der Film zu Ende war, stand ich deshalb schnell auf und verabschiedete mich von Timo mit einer Umarmung, die mir zwar warme Schauer den Rücken hinunter jagen ließ, jedoch nicht diesen Effekt, wie auch nur die kleinste Berührung von Laurin erzielte, die mich dieser Welt voll und ganz zu entreißen vermochte. Ich musste zwar lügen und behaupten, dass ich immer noch krank sei und mich deshalb hinlegen wollte. Doch das war auf jeden Fall immer noch besser, als weiterhin irgendwelche Gefühle zu heucheln, die leider nicht da waren. Dann eilte ich aus dem Gebäude hinaus ins Freie, wo es bereits immer dunkler wurde. Genauso wie in mir drinnen. Denn auf der einen Seite musste ich einen Jungen enttäuschen, der einfach so vollkommen fantastisch und perfekt schien und mich sogar seltsamerweise auch noch zu meiner großen Verwunderung liebte. Und auf der anderen Seite war da eben Laurin. Laurin, der mich verfolgte, wohin ich auch ging, der meinen Tag gestern trotz plötzlichem Verschwinden zu etwas Besonderem gemacht hatte und der mir einfach etwas zu geben schien, nach dem ich schon lange gesucht hatte.

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