Читать книгу Schattenglanz - Ina Maria Teutsch - Страница 4

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PROLOG

Herbst 1548

Ein kalter Windhauch fuhr durch die riesigen Eichen, die dicht gedrängt um mich herum standen und ließ sie flüstern. Sie erzählten Geschichten aus längst vergangenen Tagen, die keiner mehr zu hören schien und alle schon längst vergessen hatten. Doch ich verstand sie, hörte ihre anklagenden Worte. Es fröstelte mich und ich zog mir den Mantel enger um meinen schlotternden Oberkörper. Ich hätte mir etwas Wärmeres anziehen sollen und bereute es ihre gut gemeinten Anweisungen nicht befolgt zu haben. Aber ich war zu wütend gewesen. Dass es auch immer so enden musste! Wir bekamen uns einfach ständig in die Haare und zurzeit war es besonders schlimm. Ich hatte ihr gesagt, dass sie sich besser von mir fernhalten sollte, aber ebenso dumm wie die anderen davor, war sie geblieben. Und ich wusste, wie es enden würde. Kannte das Ende schon, bevor es überhaupt geschah. Es war jedes mal das Gleiche und deshalb trotzdem nicht weniger schmerzhaft. Im Gegenteil. Es schien fast so, als würde es von mal zu mal schlimmer werden. Mit einem erschöpften Stöhnen rieb ich mir über die müden Augen. Wie oft hatte ich das jetzt schon erlebt? Tausendmal? Hunderttausend mal? Ich hatte aufgehört zu zählen. Hatte aufgehört mir ihre Namen und ihre Gesichter zu merken. Denn das schmerzte nur noch mehr. Und genauso würde es auch mit ihr passieren. Sie würde ein weiterer Fehler in meinem verdammten, nichtsnutzigen Leben sein. All ihre Bemühungen nützten nichts. Sie konnte nichts dagegen tun, was mit ihr geschah. Sie würde ebenso in diese Schwärze hinabgezogen werden, die mir nachts oft bis in meine Träume folgte, wie alle anderen vor ihr auch. Und ich würde weiterhin durch die Welt streifen. Weiterhin dazu verdammt alles, was mir auch nur ein kleines bisschen etwas zu bedeuten schien, in die Schwärze hinab zureisen. Es hatte sich nur eines mit der Zeit verändert. Es tat mir nicht mehr leid. Am Anfang war ich von Schuldgefühlen geplagt gewesen, nun nahm ich es nur noch als gegeben hin. Es war meine Bürde immer wieder von neuem jemanden wie sie zu finden und ins Verderben zu stürzen. Daran konnte man nichts ändern, auch wenn ich es mir oft gewünscht hätte. An das erste Mal erinnerte ich mich aber noch viel zu genau. Es war, als wäre es erst gestern gewesen. Die Bäume um mich herum brausten und schwankten heftig im Wind. Ja, sie wussten es genau. Marianna hatte sie geheißen. Ein kleines, süßes, unschuldiges Ding, das sich wie alle anderen zu mir hingezogen fühlte. Es war wie immer so furchtbar einfach gewesen sie für mich zu gewinnen. Absolut keine Herausforderung. Wie sie sich ihrem Vater widersetzt hatte, nur um bei mir zu sein! Dabei hatte er sie vor mir gewarnt. Hätte sie damals nur auf ihn gehört. Aber sie war zu mir gekommen. Immer und immer wieder, schon bald abhängig von mir. Bis es dann eines Tages passiert war. Zuerst war da nur ein nebliger Rauch im Zimmer gewesen. Wir küssten uns leidenschaftlich und ich konnte noch genau ihr unbändiges Verlangen spüren, ihren Körper, der sich eng an meinen presste, als wäre es gerade eben erst geschehen. Wie ich es genossen hatte mit ihren so offensichtlichen Gefühlen zu spielen! Doch dann war der Nebel dichter geworden. Ich hatte mich verdutzt umgeblickt, aber sie schien es gar nicht bemerkt zu haben. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich mich an das Bild zurückerinnerte. Und da war zum ersten mal die Schwärze erschienen. Sie war nicht wie die Schwärze in einer mondfinsteren Nacht, sondern eine Schwärze, die alles zu verschlingen drohte, was sich ihr in den Weg stellte. Sie schien ein Eigenleben zu führen und hatte sich langsam um Mariannas Fuß geschlängelt. Ein heiserer Schrei war meinen Lippen entwichen und ich hatte sie heftig von mir gestoßen, was sie zurück taumeln ließ. Entsetzen hatte sich in ihrem wunderschönen Gesicht ausgebreitet und es zu einer hässlichen Fratze verwandelt, doch es war zu spät gewesen. Die Schwärze ergriff nun von ihrem ganzen Körper Besitz, als wäre es ihr Eigentum und schlich sich in ihre Augen. Diese Augen waren das Schrecklichste, was ich je zuvor gesehen hatte. Sie waren stumpf und grau und in ihnen herrschte eine Ausdruckslosigkeit, die jedes mal wieder in meinem Herzen brannte, wenn ich sie aufs Neue sah. Und dann hatte der Schatten sie mitgenommen. Weggebracht an einen Ort, wo es kein Leben gab. Doch mich hatte er zurückgelassen. Zurückgelassen mit der Bürde allein zu sein und für ihn immer wieder weitere wehrlose Opfer zu finden. Denn ich war gebrandmarkt. Es war vor langer Zeit mein eigener, unbedachter Fehler gewesen, der mich zu dem gemacht hatte, was ich nun war. Und so würde es ewig bleiben. Seufzend drehte ich mich um, machte mich auf den Weg zurück zu meinem Landhaus, ganz genau wissend, was nun folgen würde. Und das anklagende Rauschen der Bäume begleitete mich.

Schattenglanz

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