Читать книгу Schattenglanz - Ina Maria Teutsch - Страница 9

Оглавление

KAPITEL 5 - Kein Ausweg

Ich rannte blindlings über den Hof. Meine Augen begannen zu brennen und ich bemerkte, dass ich angefangen hatte zu weinen. Unaufhörlich flossen mir Tränen über meine Wangen und tropften auf den Boden hinunter. Mein Atem ging schwer und mein Herz schmerzte, als würde man es mit einem Messer bearbeiten. Warum musste mir das alles nur so nahe gehen? Was interessierte mich das schon, was diese dämlichen Idioten von mir dachten?! Ich sollte eher gesagt froh darüber sein, dass sie mich nicht als ihresgleichen betrachteten. Denn das wäre eine ziemliche Beleidigung gewesen. Beinahe wäre ich in ein Mädchen hinein gerannt, das mir aus dem Sonnenblumenhaus entgegen kam. Dieses warf mir einen verwirrten Seitenblick zu, doch ich blieb keine Sekunde lang stehen. Mir war es gerade völlig gleichgültig, was die anderen von mir denken mochten. Sollten sie sich doch ihre Mäuler über die Neue zerreißen, die gleich am ersten Tag heulend durch die Gegend rannte. Sollten sie doch ihren Spaß haben! Ich stolperte die Treppe hinauf und wäre beinahe gestürzt. Na super! Ich sollte wohl erst einmal richtig laufen lernen. Schnell beeilte ich mich den Gang entlang zu kommen, um endlich in mein rettendes Zimmer zu gelangen. Doch dort benötigte ich erst einmal geschlagene drei Minuten, um mit meinen zitternden Fingern den Schlüssel in das Schloss zu bekommen. Dann sprang zu meiner großen Erleichterung die Türe auf und ich schmiss mich mit einem erstickten Laut aufs Bett. Wie sollte das alles bloß enden? Schon wieder kamen mir neue Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte. Ich schluchzte hemmungslos auf und vergrub mein Gesicht unter der Decke. Wie hatte ich mich vor diesen Idioten nur so blamieren können? Warum gerade jetzt? Denn wenn sie auch nur annähernd so schlimm waren, wie die Angebercliquen an unserer Schule, wusste spätestens morgen früh jeder über mein kleines Missgeschick Bescheid. Ich konnte ihre hämischen Gesichter schon deutlich vor mir sehen, wenn ich in die Mensa zum Essen ging oder durch die Gänge der Häuser eilte. Wie sollte ich das nur ertragen? Aber mir konnte es ja eigentlich auch vollkommen egal sein. Ich hatte hier nie beliebt sein oder Freunde finden wollen. In sechs Wochen würde ich verschwinden und keinen Gedanken mehr an dieses Camp verschwenden. Ich würde bis dahin einfach alles ignorieren und hoffen, dass wenigstens Franziska und die anderen noch zu mir hielten. Warum war ich dann jetzt eigentlich so fertig? Was bereitete mir solche Bauchschmerzen, dass ich am liebsten nie wieder aus diesem Zimmer herausgekommen wäre? Und da wusste ich es auf einmal klar und deutlich. Es war plötzlich so offensichtlich und doch gleichzeitig so verrückt, dass ich mich am liebsten selbst dafür gehasst hätte. Aber das konnte ich nicht. Denn auf eine seltsame Weise hatte ich nämlich das Gefühl einmal in meinem Leben die richtigen Dinge zu empfinden, die unausweichlich waren. Es war die Schuld dieses seltsamen, geheimnisvollen Jungen, der mich so vollkommen verwirrte. Mich schmerzte es ungemein, dass er mich vorhin so hatte sehen müssen und sein hasserfüllter Blick brannte mir noch immer im Nacken. Er verachtete mich so abgrundtief und war so voller Abneigung gegen mich, dass es unglaublich weh tat. Das Verrückteste daran war jedoch, dass ich ihn gerade deswegen noch mehr mochte. Ich wünschte mir nur ein einziges Mal ein kleines Lächeln in seinem Gesicht sehen zu dürfen, das seine Züge weich werden ließ und nur einmal seine Nähe zu spüren. Doch da würde wohl eher noch das achte Weltwunder geschehen, bevor das passierte. Ich musste wirklich total gestört sein. Oder vielleicht waren das auch die Nebenwirkungen des Camps. Wer wusste das schon so genau. Ein lauter, scheppernder Gong ertönte, der mich erschrocken auffahren ließ. Verwirrt blickte ich mich um und suchte die Quelle des Lärms. Ich entdeckte an der Decke in der hintersten Ecke des Zimmers eine Klingel, die ununterbrochen schrillte. Was hatte das nur zu bedeuten? War das ein Feueralarm? Verstört richtete ich mich auf. Doch dann erinnerte ich mich vage an die Ausführungen von Frau Superfröhlich, die erklärt hatte, dass uns eine Glocke zum Essen rufen würde. Genervt ließ ich mich zurück sinken und presste mir ein Kissen auf die Ohren. Ich stöhnte auf. Das war ja nicht auszuhalten! Ich hatte absolut keinen Hunger. Also beschloss ich in meinem Zimmer zu bleiben, bis die Party begann. Ich hatte auch nicht die geringste Lust nun auf Marie und den Rest ihrer Angeberclique zu treffen, was noch ein weiterer guter Grund war nicht zu gehen. Und vor allem wollte ich nicht einem viel zu gut aussehenden Jungen begegnen, der mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, egal wie sehr ich mich auch bemühte. Es war zum verrückt werden! Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich schweißgebadet wieder hochschreckte, war es bereits sieben Uhr und höchste Zeit sich für die Party fertig zu machen. Ich wühlte schnell mein Schminkzeug und neue Klamotten aus meinem Koffer hervor und machte mich auf den Weg ins Bad. Es befand sich am anderen Ende des Ganges hinter einer veilchenblauen Tür. Als ich sie öffnete, kam mir ein Schwall stickig heißer Luft entgegen. Wie es aussah hatten sich hier schon viele für die Party fertig gemacht. Der Boden war nass und die Spiegel schon fast erblindet. Der Raum selbst war mit blauen Fliesen gefliest, von denen einige schon tiefe Risse aufwiesen. Die Waschbecken waren winzig und aus einigen tropfte ununterbrochen Wasser. Seufzend stellte ich mich vor einen der Spiegel und versuchte irgendetwas zu erkennen. Na prima! Nicht einmal ein gescheites Bad hatten sie hier. Ich bemühte mich, mich einigermaßen zu richten, was ich den Umständen entsprechend relativ gut hinbekam. Gerade trug ich mir etwas Lidschatten auf, als plötzlich die Tür zum Bad aufging und zwei kleine Mädchen hereinkamen. Sie unterhielten sich tuschelnd hinter vorgehaltener Hand und kicherten. Als sie mich bemerkten, stoppten ihre Gespräche sofort und sie brachen in schallendes Gelächter aus. Na ganz toll! Ich konnte mir schon fast denken, über was sie sich unterhalten hatten. Sie warfen mir immer wieder flüchtige Seitenblicke zu und schienen sich prächtig zu amüsieren. Ich kam mir vor wie ein Affe im Zoo. Offensichtlicher ging es ja nicht mehr! Neuigkeiten schienen sich hier wohl noch schneller zu verbreiten, als an unserer Schule. Wahrscheinlich gab es aber auch einfach sonst nichts Interessantes, über das man sich den Mund hätte zerreißen können. So schnell ich konnte stürzte ich wieder aus dem Bad hinaus in mein rettendes Zimmer. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr zu der Party zu gehen, aber leider hatte ich es Franziska und den anderen ja hoch und heilig versprochen. So schmiss ich mein Schminkzeug in eine Ecke, atmete noch einmal tief durch und machte mich auf den Weg. Auf den Weg zu einer Party, auf der alle bereits wussten, was ich getan hatte.

Schattenglanz

Подняться наверх