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KAPITEL 10 - Das sehnsüchtig erwartete Treffen

Ich war den ganzen Tag über völlig verstört und zu nichts mehr zu gebrauchen durch das Camp gestolpert. Heute hatte ich keinen Kurs mit Laurin zusammen gehabt und war darüber ziemlich froh gewesen. Denn die verwirrenden Bilder der vergangenen Nacht gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Und wenn er mich so gesehen hätte, hätte er sich das mit dem Treffen vielleicht doch noch einmal anders überlegt. Meine neuen Freunde waren auch sichtlich über meine Zerstreutheit verwundert, doch ich konnte ihnen keine brauchbare Erklärung dafür liefern. Denn erstens wollte ich nichts von dem geplanten Treffen mit Laurin erzählen und zweitens konnte ich ihnen auf keinen Fall die goldene Feder zeigen, die höchst wahrscheinlich noch immer in meinem Schrank unter Hosen vergraben lag. Timo machte sich sichtlich Sorgen und hatte ein schlechtes Gewissen, dass er mich gestern im Schwimmbad nass und ohne zu föhnen zum Bus hatte gehen lassen. Er befürchtete, dass ich eine Grippe bekommen würde und war richtig fürsorglich zu mir. Das war mir wiederum schon beinahe etwas peinlich, aber ich fand es auch irgendwie richtig süß. Er bemühte sich so sehr um mich! Am Ende lud er mich sogar noch für nächsten Samstag ins Kino ein, was ich gerne dankend annahm, auch wenn ich wusste, dass ich ihm damit nur noch mehr Hoffnungen machte. Aber ich wusste ja auch selbst noch nicht wie es mit Laurin und mir weitergehen sollte. Nun hatte ich schon zwei Verabredungen in drei Tagen. Wenn das mal keine Leistung war! Und ich freute mich auf beide, auch wenn mich das Treffen heute am See mit mehr Aufregung erfüllte, was ich mir aber nicht eingestehen wollte. So verabschiedete ich mich um 16 Uhr mit der Entschuldigung, dass es mir nicht so gut ging, was aber auch wirklich der Fall war. Ich war so durch den Wind, dass ich gegen eine Glastür rannte, die ich kurzerhand übersehen hatte. Fluchend und mit schmerzendem Kopf gelangte ich schließlich in mein Zimmer. Dort schmiss ich mich erst einmal auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in den Kissen. Was für ein Tag! Ich hatte einen völlig unnötigen Matheunterricht über mich ergehen lassen müssen und danach auch noch Mittagsgestaltung gehabt, bei der "Malen nach Zahlen" oder "Der Wald unser Lebensspender" zur Auswahl gestanden hatten. Ich hatte mich für ersteres entschieden, auch um vielleicht doch noch einen Blick auf Laurin zu erhaschen, was aber leider nicht der Fall gewesen war. So war ich allein an einem Tisch gesessen und hatte Zahl um Zahl ausgemalt. Wie damals im Kindergarten! Langsam stand ich schließlich wieder aus meinem Bett auf und wühlte wild in meinem Schrank herum. Als ich die Feder daraus hervorzog, gaben meine Füße unter mir nach. Sie war immer noch da. Noch nicht verschwunden. Kein Traum. Ich schloss meine Augen und rieb mir meine schmerzende Schläfe. Die Feder in meiner Hand verursachte ein leichtes Vibrieren, das mir durch Mark und Bein ging, aber irgendwie auch gefiel. Ich stand wieder auf und zog eine Schnur aus meinem Koffer hervor, die ich damals im Nordseeurlaub zum Drachensteigen benutzt hatte. Diese band ich nun um meine Feder... verdutzt stellte ich fest, dass ich sie als MEINE Feder bezeichnet hatte. Sie gehörte doch gar nicht mir, sondern diesem seltsamen silbernen Engel, der vorher einmal ganz Gold gewesen war. Aber so etwas durfte es eigentlich auch gar nicht geben! Ich rieb mir über die Augen. Als ich die Feder an der Schnur fertig befestigt hatte, band ich sie mir um den Hals. Mir gefiel der Gedanke irgendwie, dass ich mit dieser Kette zu dem Treffen mit Laurin gehen würde. Er war genauso geheimnisvoll, wie diese Feder hier. Ich ging zu dem kleinen Spiegel hinüber, der in meinem Zimmer hing und betrachtete mich genauer. Die Feder schien aus sich heraus golden zu strahlen, was perfekt zu meinen blau-grünen Augen passte. Mein Blick fiel auf die Uhr und ich stellte erschrocken fest, dass ich mich beeilen musste, wenn ich mich auch noch richten wollte. Schnell zog ich mir ein kurzes Sommerkleid an und eilte ins Bad davon. Ich war zwar nur halb zufrieden mit meinem Endresultat, doch das musste nun reichen. Dann packte ich mir noch eine kleine Handtasche und machte mich auf den Weg. In der Eingangshalle des schiefen-Turm-von-Pisa-Hauses hatte ich heute morgen einen Plan gefunden, auf dem der See eingezeichnet war. Er lag vielleicht einen halben Kilometer weiter nördlich von hier hinter einem kleinen Wäldchen. Draußen lachte mir die untergehende Abendsonne ins Gesicht. Ich blieb noch einen kurzen Augenblick stehen und versuchte meine durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen, was mir nur mit mäßigem Erfolg gelang. Dann beeilte ich mich so schnell wie möglich von dem Gelände des Camps zu verschwinden, ohne dass mich jemand anderes dabei sah. Ich hatte keine allzu große Lust erklären zu müssen, wo ich nun hinwollte. Keine Wolke war heute weit und breit am Himmel zu entdecken. Ich bog links in einen Waldweg ein, an dessen Rand roter Klatschmohn blühte. Seine Farbe strahlte bis zu mir herüber und erinnerte mich an frisches Blut. Es schüttelte mich. Die Schmerzen des Engels in meinem Traum oder was das auch immer gewesen sein mochte, traten mir deutlich wieder ins Bewusstsein. Vielleicht war das Silber ja Blut gewesen? Ich fröstelte plötzlich. Schnell schob ich diese bedrückenden Gedanken beiseite. Ich sollte mich wohl eher auf das bevorstehende Treffen und die Realität konzentrieren. Was wollte Laurin von mir? Warum wollte er, dass wir uns an einem See trafen? Ich kannte ihn doch gar nicht! Und trotzdem spürte ich dieses vorfreudige Kribbeln in mir, wenn ich an diesen geheimnisvollen Jungen dachte. Ich bekam gar nichts davon mit, wie ich zum Sternensee gelangte. Auf einmal stand ich direkt vor ihm und bewunderte seine glatte Oberfläche. Nun erkannte ich auch warum der See Sternensee hieß. Er hatte fünf Verengungen, die tatsächlich wie die Zacken eines Sternes wirkten. Er war nicht sehr groß, aber trotzdem wunderschön. Am Rand wuchs meterhoch das Schilf und ein Schwanenpaar zog seine Runden auf dem Wasser, drei junge Schwäne im Schlepptau. Ich musste lächeln. Der Anblick war einfach zu süß. Doch wo blieb Laurin bloß? Es war bereits zehn nach sechs. Schon fast eine viertel Stunde zu spät! Unruhig stapfte ich auf und ab. Wo war er heute morgen nur gewesen? Würde er mich versetzen? Hatte er nie vorgehabt zu kommen? Viel zu viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Mein Kopf begann zu brummen, wahrscheinlich auch noch wegen dem Zusammenstoß mit der Glastür von vorhin. Also ließ ich mich am Rande des Sees im Gras nieder und wartete. Es wurde 18:30 Uhr, dann 19 Uhr.Aber es regte sich immer noch nichts. Ich hatte begonnen einzelne Grashalme auszureißen und in kleine Stücke zu zerschnipseln. Enttäuschung machte sich in mir breit. Warum hatte ich auch daran geglaubt, dass dieser Macho sich mit mir treffen wollte? Mit mir! Einem tollpatschigen, vollkommen durchschnittlichen und langsam aber sicher verrückt werdenden Mädchen? Wie blöd ich gewesen war! Ein Schmerz breitete sich in meiner Brust aus und ich seufzte auf. Wieder einmal auf die Nase gefallen. Wie sooft. Plötzlich legte sich eine kühle Hand auf meine Schulter und ließ mich erschrocken herumfahren. Zwei silbergraue Augen funkelten mir munter entgegen und eine Reihe schneeweißer Zähne blitzte vor mir auf. "Wie gut er aussieht!", schoss es mir durch den Kopf. Sofort war alles andere um mich herum vergessen. Es zählte nur, dass dieser Junge vor mir stand und mich angrinste. Sein Gesicht schien dadurch um einige Jahre jünger zu werden und ließ mein Herz höher schlagen. " Hey Lissy! Du bist noch hier!", hauchte er freudig überrascht. Ich wurde von seinem intensiven Blick leicht rot und stotterte: "Hey! Ja also... ich fand es hier schön und hab halt noch ein bisschen gewartet." "Ein bisschen?!", lachte er laut auf, "waren ja nur eineinhalb Stunden." Ich stimmte in sein ansteckendes Lachen mit ein. "Wollen wir eine Runde um den See laufen oder hast du schon genug gesehen?", wollte er da grinsend wissen. "Ich denke eine Runde werde ich gerade noch ertragen", antwortete ich ebenfalls grinsend und ergriff Laurins Hand, die er mir entgegen streckte. Ein warmer Schauer durchlief mich und ich konnte an nichts mehr anderes denken, als an Laurin, der so dicht vor mir stand. Seine Nähe verursachte einen Totalausfall meines Gehirns. Wir gingen schweigend nebeneinander her. Unsere Hände berührten sich nicht und trotzdem konnte ich diese elektrische Energie deutlich spüren, die mich immer durchfuhr, wenn er mich berührte. Ich atmete tief durch und musste mich bemühen einigermaßen normal zu bleibe. Als ich schon dachte wir würden den ganzen Weg schweigend zurücklegen, was mich auch nicht gestört hätte, solange Laurin nur bei mir war, brach er plötzlich das Schweigen: "Tut mir übrigens echt leid, dass ich zu spät gekommen bin. Wirklich. Ich musste nur noch etwas... klären und das hat etwas länger gedauert. Aber du fragst dich sicher warum wir uns hier getroffen haben oder?" Ich nickte nur zustimmend. Zu mehr war ich eh nicht in der Lage und ich hatte ihm schon längst wieder alles vergeben. "Naja. Also irgendwie gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Das mag sich jetzt komisch anhören, da wir uns erst vorgestern das erste mal gesehen haben, aber so ist es. Und deshalb wollte ich die Gelegenheit nutzen und dich mal etwas besser kennenlernen", fuhr er fort. Mittlerweile waren wir auf der anderen Seite des Sees angekommen und stehen geblieben. Wir beobachteten die kleinen Schwäne dabei, wie sie durchs Wasser tobten und ihre Eltern, die sie aufmerksam dabei beobachteten. Ich konnte das eben gehörte immer noch nicht ganz realisieren. Erst langsam verstand ich, was er da gerade gesagt hatte. "Also ja ich weiß das ist seltsam und so...", begann Laurin da etwas hilflos. Ich wandte mich ihm zu und unterbrach ihn: "Nein, nein! Das ist überhaupt nicht seltsam! Mir geht es auch irgendwie so, auch wenn ich nicht weiß warum." Ein Strahlen erschien in Laurins Gesicht und seine Augen schienen plötzlich goldene Einschlüsse aufzuweisen. Mir wurde warm ums Herz. Auf einmal trat er da einen Schritt nach vorne und seine Finger fuhren zart über meine Wange. Ein heißes Brennen ergriff von mir Besitz. "Danke!", hauchte er ehrfürchtig. Ich verstand zwar nicht warum, aber das war mir auch vollkommen egal. Laurin war bei mir. Die Stelle, wo er mich berührt hatte glühte. Ich wollte mehr, sehnte mich nach seiner Nähe. Plötzlich fiel sein Blick auf meine Kette an meinem Hals und er fuhr zurück, als hätte er sich verbrannt. Ein verstörter Ausdruck schlich sich in sein Gesicht. Hatte ich etwas falsch gemacht? Was war passiert? Gerade eben war doch noch alles so perfekt gewesen! "Es ist Zeit. Ich muss noch etwas erledigen. Also bis morgen dann. Es war wirklich schön mit dir. Tut mir leid", mit diesen Worten wandte er sich ab und im nächsten Moment war er im dichten Wald verschwunden. Verdattert ließ er mich alleine zurück. Ich beobachtete noch eine ganze Weile die Schwäne, ohne etwas dabei zu denken oder mich zu bewegen. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und machte mich auf den Weg zurück. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war gerade eben geschehen? Was sollte ich jetzt schon wieder davon halten?

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