Читать книгу Schattenglanz - Ina Maria Teutsch - Страница 18

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KAPITEL 14 - Totale Einsamkeit

Ich stolperte über einen Stein und wäre beinahe gestürzt. Im letzten Moment fing ich mich gerade noch ab und taumelte kopflos weiter. "Nur weg, nur weg von hier, einfach nur weg!", schrie eine beständig hämmernde Stimme in meinem Kopf. Am Anfang hatte ich noch die verzweifelten Rufe von Laurin gehört, dann war alles still geworden. Ich nahm nur noch meinen keuchenden Atem und das Blut wahr, das in meinen Ohren rauschte. Ein unbändiger Schmerz, den ich niemandem mit Worten beschreiben konnte, tobte tief in mir. Denn selbst wenn ich es versucht hätte, wäre es noch immer nicht halb so schrecklich gewesen, wie das, was ich nun so deutlich spürte. Es war auch nicht nur im entferntesten mit den Schmerzen zu vergleichen, die ich in meinem siebzehnjährigen Leben bis jetzt gefühlt hatte. Am liebsten wäre ich unter meine warme, weiche Kuscheldecke in meinem eigenen, vertrauten Zimmer gekrochen, wie ich es als kleines Kind immer getan hatte und dann niemals wieder hervorgekommen. Ich wollte nie mehr dieses Gesicht vor mir sehen müssen, das mich so sehr verletzt hatte! Was ich wollte war schlicht und ergreifend einfach alles zu vergessen. Vergessen! Was für ein wunderschönes Wort das doch war. Sich einfach fallen lassen, nicht mehr denken, nicht mehr leiden. Alles Geschehene hinter sich lassen und weiter machen, als wäre nie etwas gewesen. Doch ich wusste genau, dass ich das nicht konnte. Niemals konnte ich dieses bezaubernde Lächeln und diese hinreißenden silbergrauen Augen vergessen, die sich in mein Herz eingegraben hatten. Tief und unwiderruflich. In Büchern stand immer geschrieben "Es war Liebe auf den ersten Blick". So unbedeutende Worte, die einfach so leer klangen. Doch wenn man sie mit Leben und Gefühlen erfüllte, wurden sie wahr und zu etwas unglaublich Mächtigem. Zum Problem wurde es jedoch, wenn das "Es war Liebe auf den ersten Blick" sich nur auf eine der beiden Personen beschränkte. Denn dann war es durchaus nicht minder mächtig. Nur verwandelte sich diese Macht in etwas so Schreckliches, dass man es nicht einmal seinen schlimmsten Feinden wünschte. Meine Muskeln begannen zu brennen und ich bekam Seitenstechen. Aber ich wollte und durfte nicht stehen bleiben! Denn dann würden die Bilder kommen und mit ihnen die Gedanken. Doch das musste ich mit allen Mitteln verhindern. Also stürzte ich weiterhin voran und achtete nicht darauf, wohin ich überhaupt rannte. Nur fort von hier. Einfach nur weg. So viele Meter wie möglich zwischen diesen Idioten und mich bringen. Der Mond spendete mir gerade so viel Licht, dass ich den Waldboden ganz verschwommen wahrnehmen konnte. Der Schweiß, der mir nun aber in die Augen tropfte, machte es mir fast unmöglich etwas zu erkennen. Trotzdem drosselte ich mein Tempo nicht auch nur eine winzige Sekunde lang. Und da passierte es. Ich übersah eine Baumwurzel, verlor das Gleichgewicht und stürzte ins Bodenlose. Ein kleiner, erstaunter Schrei entwich meiner Kehle, dann schlug ich hart auf. Ich versuchte noch mich mit meinen Händen abzufangen, doch der Boden war seltsam glitschig nass und ich fand keinen Halt. Mein Kopf donnerte mit voller Wucht auf einen Stein und mir wurde schwarz vor Augen. Das einzige, was ich noch wahrnahm, war eine heiße, klebrige Flüssigkeit, die meine Stirn hinunterlief. Dann war alles vorbei.

-Ich ging einen langen Gang entlang. Die Wände schienen aus weicher, weißer Watte zu bestehen. Langsam trat ich darauf zu und stellte fasziniert fest, dass meine Hand mühelos darin verschwand. Ich fühlte keinen Widerstand und auch sonst nicht das Geringste. Eine Ewigkeit stand ich einfach nur da und bewunderte alles. Ich wusste nicht wie lange ich das tat. Waren es Stunden? Tage? Jahrhunderte? Doch irgendwann strahlte mir auf einmal ein seltsames Licht entgegen und blendete mich. Ich hob meine Hände schützend vor die Augen. Es war golden und glänzte schöner, als jeder Sonnenaufgang. Neugierig ging ich darauf zu und begann aus einem Gefühl heraus fröhlich zu pfeifen. Ich fühlte mich plötzlich so vollkommen frei und lebendig. Das Licht wurde immer heller. Wie schön es doch war! Einfach traumhaft. Hier wollte ich bleiben. Ich empfand keine Schmerzen und kein Leid mehr. Was war das überhaupt gewesen? Warum hatte ich so etwas jemals gefühlt? Es war doch alles vollkommen perfekt, so wie es gerade war. Schmerz? Leid? Zwei nichtssagende Worte ohne Bedeutung. Ich hüpfte wie ein kleines Mädchen den Gang entlang. Endlich daheim. Da stockte ich plötzlich. Daheim? Was war das? Irgendetwas regte sich dabei in meinem Hinterkopf. Irgendetwas war da. Nur was? Ein seltsames Ziehen schlich sich in meine Brust. Ich stolperte. Woher kam nur dieses seltsame Gefühl? Eben schien doch noch alles so perfekt gewesen zu sein! Doch ich konnte den Gedanken nicht fassen. Also ging ich weiter voran. Einfach weiter, auch wenn irgendetwas nicht zu stimmen schien. Der Gang wurde breiter und öffnete sich in einen Saal. Dieser war schöner, als alles, was ich je zuvor gesehen hatte. Halt nein... da war etwas gewesen, das eindeutig noch viel schöner war. Nur was? Ich wusste es nicht mehr. Hatte es vergessen. Also musste es auch unwichtig gewesen sein. Der Saal wurde von acht großen Säulen gestützt, die aus einem seltsam perlmutten schimmernden Material waren. Der Boden und die Decke waren aus purem Gold und glänzten herrlich. Viele Springbrunnen, in denen bunte Fische schwammen, plätscherten munter vor sich hin und ein wunderschön grüner Garten erstreckte sich so weit das Auge reichte. War ich im Himmel? Naja wenn es so war, dann war es auf jeden Fall einfach unbeschreiblich herrlich! Ich streifte durch die wunderschöne Landschaft und vergaß alles um mich herum. So etwas wundervoll Natürliches gab es nicht auf unserer Erde. Erde? Was war das? Dreck, der auf dem Boden lag? Keine Ahnung. Ich beobachtete einen Vogel, der gerade sein Gefieder putzte. Seine Federn waren ganz silbern und gefielen mir sehr gut. Sie waren so wunderschön! Ich blieb stehen und schlich mich so nah wie möglich an ihn heran. Doch wohl zu nah. Denn im nächsten Augenblick flog der Vogel mit einem erschrockenen Kreischen auf und suchte das Weite. Etwas enttäuscht machte ich einen Schritt nach vorne und bemerkte auf einmal, dass eine einzelne Feder vor mir zu Boden schwebte. Wie wunderschön! Und silbern... silbern... irgendetwas war mit silbern... Ahhh! Zwei Augen, die meine in ihren Bann zogen. Ein Lächeln, das mich völlig verzauberte. Eine Stimme, die mich alles vergessen ließ. LAURIN! Plötzlich sah ich meine Eltern vor mir, meine beste Freundin Lara, Franziska, Leonie, Mona, Martin, Timo und... ihn. Laurin in seiner ganzen Vollkommenheit. Und mit diesen Bildern wurde ich auf einmal zurück gerissen. Hinaus aus diesem wunderschönen Saal, mit diesem unglaublichen Garten. Denn er schien auf einmal nicht mehr auch nur annähernd so perfekt zu sein, wie angenommen. Und damit kam wieder die Schwärze.-

Und mit der Schwärze kamen die Schmerzen. Meine Hände brannten, mein rechtes Knie pochte und meine Stirn war seltsam verklebt und juckte. In meiner Brust brannte ein heißes Feuer, das mich zu verschlingen drohte. Ich fühlte den kühlen Boden unter mir und zitterte. Doch ich war noch am Leben. Die Erinnerungen hatten mich gerettet, wie wusste ich nicht. Die Erinnerungen.... "Laurin", hauchte ich schwach und verzweifelt. Dann verschwamm wieder alles vor meinen Augen und wurde urplötzlich schwarz. Doch dieses mal war es eine gewöhnliche, ohnmächtige Schwärze, die mich vollkommen einhüllte.

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