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8. Magda

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Er wartete vor dem Hauseingang auf sie. Anfangs tat sie, als hätte sie ihn nicht gesehen, und fummelte am Fahrradschloss herum, und ihre Hände zitterten so sehr, dass sie beinahe den Schlüssel verloren hätte. Dann trat er ins Licht und sie sah den gedrungenen Körper und seine zu Schlitzen verengten Augen.

»Magdalena.«

Sie schwieg.

»Ich wusste, dass du kommen würdest. Ich habe nach deinem Fahrrad gesucht.«

»Hast du?«

»Aber ich habe es nicht gesehen, also habe ich mir gedacht, sie wird kommen.«

Das Fahrrad war zwischen ihnen, als markierte es eine Grenze.

»Du bist hier?«, sagte sie heiser. »Das hätte ich nicht gedacht, ich hatte gehofft, dass du ... dass ihr ...«

Er sah sie an, sein Gesicht war starr und angespannt.

»Ich möchte mit dir reden. Ich will alles von dir hören.«

»Aha«, flüsterte sie und bekam immer größere Angst.

»Wir gehen rein.«

Sie holte die Schlüssel heraus und spürte ihn dicht neben sich, als sie das dunkle Treppenhaus betraten. Mama, dachte sie, das Wort tauchte einfach in ihr auf, ein ungewohntes und nie gebrauchtes Wort.

»Mach Licht«, sagte er.

»Geht nicht, die Lampe ist kaputt.«

Sie tasteten sich zu ihrer Tür hinab. Sie öffnete. Er war neben ihr, hinter ihr, fasste sie aber nicht an. Sie hatte Angst, empfand aber gleichzeitig auch Trauer.

»Ich dachte, dass du ...«, setzte sie an und ihre Stimme brach, und sie sank in die Hocke.

Als er die große Lampe eingeschaltet hatte, fiel kaltes, weißes Licht auf sie herab und blendete sie. Er stand über ihr, lehnte sich vor, da war etwas an seiner Körperhaltung, was sie noch nie gesehen hatte. Sie griff nach ihm, aber er wich zurück. Sie sah seine Füße in den braunen Stiefeln.

»Was ist?«, flüsterte sie. »Was ist passiert?«

Da zerrte er sie plötzlich hoch und presste sie an die Wand. Ein Kleiderbügel fiel klappernd auf den Boden. Sie kniff die Augen ganz fest zu.

»Bitte ... das tut weh.«

»Ich habe den ganzen Abend bei der Polizei gesessen. Ich weiß nicht, wo sie ist! Magdalena! Hängst du da mit drin? Wenn du und Eva was ausgeheckt habt, um mir etwas anzuhängen, dann ... dann weiß ich nicht, was ich mit dir mache.«

Sie antwortete nicht, hing wie eine Puppe in seinen Händen.

Dann schlag mich doch, bring mich um, wenn du willst, ich war es doch, die für dein Kind verantwortlich war.

Er ließ sie los und fuhr herum, ging in die Küche und steckte sich eine Zigarette an.

»Kann ich dir etwas anbieten?«, flüsterte sie. »Einen Tee oder was anderes?«

Er schüttelte gereizt den Kopf.

»Ich möchte, dass du mir haargenau erzählst, was passiert ist. Ich will alles wissen, jedes kleinste Detail.«

»Mach bitte das Licht aus«, bat sie ihn. »Man kann so gut hereinsehen, wenn es draußen dunkel ist. Man kann alles sehen.«

Er tat, worum sie ihn gebeten hatte. Sie zog die Schuhe aus, ging ins Zimmer und legte sich angekleidet ins Bett.

In der Dunkelheit fand sie die Worte.

»Ich dachte, du wärst es gewesen«, flüsterte sie. »Ich habe mir eingeredet, dass du es warst, aber ich habe nichts gesagt, ich habe kein Wort gesagt, das schwöre ich dir, nicht ein Wort.«

»Und warum nicht?«

»Ich weiß nicht.«

»Jedenfalls haben sie mich aufs Revier geholt. Und verhört!«

Sie schluckte. Es pochte in ihren Schläfen.

»Aber mich haben sie doch auch verhört ... und die Kinder.«

Er hörte ihr gar nicht zu.

»Als ob ich meine eigene Tochter kidnappen würde!«

»So abwegig ist das nun auch wieder nicht«, sagte sie. »Ich meine, wenn man bedenkt, wie es zwischen dir und Eva zu stehen scheint.«

»Weißt du, man löst keine Probleme, indem man sich wie ein Irrer benimmt.«

»Nein, aber ... du hast doch mal gesagt, es sei ungerecht, dass deine Eltern Angelica nie treffen dürfen und so. Ich dachte, dass ...«

Er stöhnte auf und sein Gesicht war angespannt und nackt.

»Ich denke so viel an sie. Wo ist sie, Jesus Christus, wo ist sie?« Er erhob die Stimme, schrie die letzten Worte fast. »Wie konntest du sie nur aus den Augen lassen, Magdalena, wie konntest du das tun!«

»Verzeih mir.«

»Oh, hier geht es nicht um Verzeihung. Das hier ist etwas viel Größeres, hier geht es um Leben und Tod.«

»Denkst du, das weiß ich nicht?! Aber es war doch nur für einen kurzen Moment, ich hatte sie in den Kinderwagen gelegt, sie lag auf dem Kissen und schlief, sie war doch krank, sie hatte sogar Fieber.«

Sie hörte an seiner Art zu atmen, dass ihn das noch mehr aufbrachte, und bereute, es gesagt zu haben. Er ging im Zimmer auf und ab, konnte keine Sekunde still sitzen.

»Bitte, Florian«, flüsterte sie. »Komm und leg dich ein wenig neben mich, ich werde dir genau erzählen, wie es war. Wir werden sie finden, natürlich werden wir sie finden. Aber leg dich zu mir, ruh dich ein wenig aus und halt mich fest, ich bin so schrecklich traurig.«

Er zündete sich eine neue Zigarette an, sie sah die leuchtende Glut.

»Ich kann nicht«, murmelte er. »Wie soll ich mich ausruhen können, wenn ich sie die ganze Zeit vor mir sehe? Wie sie ... es tut so weh, Magdalena. Sich vorzustellen, dass jemand einem Kind etwas antun will. All diese kranken Verrückten, die hinter Schloss und Riegel sitzen sollten, aber frei herumlaufen, weil diese Gesellschaft so schlaff ist, und alle anderen ... Pädophilen ... es gibt mittlerweile ja sogar Kinder, die andere Kinder umbringen.«

Sie konnte nichts erwidern, nichts zu ihrer Verteidigung vorbringen. Angelica war verschwunden und sie war schuld, sie allein.

Die Skrupellose - Schweden-Krimi

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