Читать книгу Die Skrupellose - Schweden-Krimi - Ингер Фриманссон - Страница 16

12. Kennet

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Es ging leichter, als er sich das jemals vorgestellt hätte. Das Schicksal meint es gut mit mir, schoss es ihm durch den Kopf, und der Gedanke stimmte ihn fast schon fröhlich. Das Mädchen lag in dem Kinderwagen, war allein und schlief.

Sie lag da wie bestellt.

Sie wollten ihr ja auch gar nichts antun. Im Gegenteil. Die Kleine würde es in Zukunft viel besser haben. Wie sie dort lag, glich sie einer Puppe mit dichten Wimpern. Ihre Wangen glühten wie auf einem billigen Druck, der ihm aus seiner Kindheit in Erinnerung geblieben war.

Sie war so feingliedrig.

Als er behutsam den Arm unter ihren Rücken schob, zuckte sie zusammen und wurde langsam wach. Er legte ihr die Hand auf den Mund und sah, wie sich ihre Augen vor Überraschung und Entsetzen weiteten.

Da nahm er sie in den Arm und lief los.

Sie wehrte sich kaum, was ihn im Nachhinein wunderte. Er öffnete die hintere Tür und legte sie auf die Rückbank, zog ihr Kleid ein wenig nach oben und presste die Nadel der Spritze kurz über dem Knie in ihr Fleisch. Daraufhin gab sie einen kurzen, krächzenden Schrei von sich, aber nicht laut, niemand außer ihr selbst konnte ihn hören. Ihr Bein zuckte ein wenig, aber nur schwach, sodass es ihm gelang, die Spritze festzuhalten, bis sie leer war.

Er hüllte sie in die karierte Decke, streichelte linkisch ihre Füße, entschuldige, dass ich dir wehgetan habe, aber jetzt wird alles gut, alles gut. Saß er nicht sogar da und summte mit seiner dünnen Stimme ein Lied, das ihm gerade in den Sinn kam? Schmetterlinge taumeln trunken ...

Schmetterlinge, das würde sie verstehen.

Im Grunde hätte er es eilig haben müssen, aber daran dachte er überhaupt nicht.

Er hatte erwartet, dass sie zappeln und beißen würde, und der Gedanke, dass er sie hart anfassen, ja vielleicht sogar schlagen müsste, hatte ihn geängstigt. Er war das genaue Gegenteil von einem gewalttätigen Mann. Als er im Fernsehen einmal eine Reportage über Tiertransporte gesehen hatte, war er zusammengebrochen und in Ohnmacht gefallen.

Das Kind glitt in einen Dämmerzustand. Sie hatte es ihm beigebracht, so musst du die Spritze halten, er hatte an ihr üben müssen, bis er es schließlich beherrschte. Sie leide an Allergien, die jederzeit ausbrechen könnten, hatte sie erklärt, und dann müsse er ihr helfen können.

»Aber so ein kleines Kind ... was ist, wenn die Dosis zu hoch ist, wenn sie stirbt?«

»Du musst endlich lernen, mir zu vertrauen, Kennet.«

Richtig. Sie war Krankenschwester. Und sie wollte doch endlich ihre Tochter haben.

Ruhig ließ er den Wagen an und fuhr davon. Eine Frau kam ihm entgegen, aber sie ging mit zwei Hunden spazieren und war vollauf damit beschäftigt, darauf zu achten, dass die Leinen der Hunde sich nicht verhedderten. Sie hatte ihn überhaupt nicht bemerkt, würde sich nie im Leben erinnern können, ein Auto gesehen zu haben. Die Hunde sprangen um sie herum. Im Rückspiegel sah er sie immer kleiner werden.

Das Schwerste war vorbei. Das Zweitschwerste würde sein, das Mädchen in die Wohnung zu schaffen.

Kennet fuhr Richtung Lövsta und parkte auf einem Waldweg. Dort öffnete er den Kofferraum und holte die große Tasche mit den Sportabzeichen heraus. Auf ihrem Boden lag eine Bahn dünnen Vorhangstoffs, den er um Brust und Arme des Mädchens wickelte. Anschließend presste er sie vorsichtig in die Tasche. Sie sah so klein aus, so schutzlos. Ihr Körper war schlaff, gurgelnde Laute drangen aus ihrer Kehle.

Ich muss mich beeilen, dachte er verwirrt. Sie muss ordentlich Luft holen können.

Er wagte es nicht, den Reißverschluss komplett zu schließen, stellte die Tasche auf die Rückbank und kontrollierte ein weiteres Mal, dass das Mädchen atmete.

Während der Rückfahrt begann er zu zittern, was eigenartig war, denn schließlich hatte bis jetzt alles reibungslos geklappt. Am Ängbyplan hörte er Sirenen. Trocken und rau lag seine Zunge im Mund, er versuchte sich zu räuspern, verschluckte sich jedoch stattdessen. Er war den Tränen nahe und musste schlucken, um sie zu unterdrücken.

Im Rückspiegel sah er einen Streifenwagen, der sich in rasender Fahrt näherte, und sein Herz pochte so sehr, dass er es bis in die Handflächen spüren konnte. Er fuhr an den Straßenrand. Der Motor stockte und ging aus. Daraufhin legte er die Hände auf die Ohren, senkte den Kopf und wartete.

Aber es passierte nichts. Die Sirenen wurden lauter und kurze Zeit später wieder leiser, und als er es wagte aufzuschauen, war der Streifenwagen schon längst vorbei und weit entfernt. Er lachte auf. Aber seltsam war es schon, denn diese jungen Frauen mussten doch inzwischen gemerkt haben, dass der Kinderwagen leer war. Sie mussten doch Alarm geschlagen haben. Wie konnten sie ein kleines Kind überhaupt so alleine lassen! Das war einfach unverzeihlich. Es geschah ihnen fast recht.

Jetzt war alles gut, es würde gut gehen, alles würde gut werden. Von heute an würde sich alles um sie beide und das neue kleine Kind drehen, ihr gemeinsames Kind, er hatte ihr die Tochter beschafft, die sie sich so gewünscht hatte. Er drehte den Kopf, um sich die Tasche anzusehen. Sie stand da wie eine ganz normale Tasche und hätte alles Mögliche enthalten können. Wer sollte ihm schon folgen? Es war dem Auto doch nicht anzusehen, dass er ein Kind entführt hatte. Er war ein Autofahrer unter vielen.

Er näherte sich dem Fridhemsplan, und der Verkehr war im Laufe der Zeit dichter geworden, der Tag hatte endgültig begonnen.

Niemand würde ihn je finden.

Die Skrupellose - Schweden-Krimi

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