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Kapitel 4

Sameeras Kämpfe

Es hatte den ganzen Heiligabend und beinahe die gesamte Nacht danach ununterbrochen geschneit. Bevor die Bewohner des Dar-as-Salam sich am nächsten Morgen auf den Weg zu dem bunt beleuchteten Weihnachtsbaum hinter dem Haus machen konnten, mussten Vikram und Raja erst mühsam einen Weg freischaufeln. Dabei rissen über ihnen die Wolken auf und trieben über die Gipfel der Berge davon, und als die Familie in Mäntel und Schals verpackt ins Freie trat, färbte sich der Himmel am Horizont lachsrosa.

Sameera erinnerte sich daran, wie Raja seine Tochter vor zwei Jahren noch zu dem Baum getragen hatte. Diesmal rannte Rani, die als Erste von allen aus dem Bett gesprungen und in mehrere Schichten warmer Kleidung geschlüpft war, den anderen voraus. Sie blieb vor der im Glanz unzähliger Lämpchen strahlenden Fichte stehen, breitete die Arme aus und lachte – es war ein Laut reiner, ansteckender Freude. Mohan, der auf Vikrams Arm saß, antwortete darauf mit einem fröhlichen Quietschen. Raja reichte Vikram einen Becher mit Chai, und Sita kam zu Sameera herüber und küsste sie auf die Wange.

»Heute möchte ich etwas zu euch allen sagen«, meinte sie, griff dabei nach Sameeras Hand und hielt sie fest. »Vor zwei Jahren waren wir das erste Mal gemeinsam hier, mein Mann, meine Tochter und ich. Da waren wir noch Gäste – obwohl ihr uns auch damals schon das Gefühl gegeben habt, dass wir dazugehören. Aber jetzt sind wir bei euch genauso daheim wie in Shivapur, und ich bin unendlich glücklich darüber. Dank unserer Familie hier in Srinagar haben wir noch mehr Menschen, die ein Teil von uns sind und die wir lieben dürfen. Ihr macht unser Leben hell… und wir eures hoffentlich auch. Ich wünsche mir, dass niemand von uns allen dieses Licht jemals wieder verliert.«

Sameera zog Sita an sich und nahm sie in die Arme. Sie schaute zu Raja hinüber, der leise mit Moussa und Azad sprach, zu Vikram, der lachend stillhielt, während Mohan die Finger in seinem Bart vergrub, und zu den Kindern, die sich um Zobeida und ihre große Thermoskanne scharten. Die jubelnde Wärme, die sie in sich spürte, war um ein Vielfaches stärker als der morgendliche Frost, der sie umgab.

»Danke«, sagte sie leise. »Im Moment kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass es um uns herum jemals wieder ganz dunkel wird.«

***

Wenig später versammelten sich alle zur Bescherung im festlich mit Girlanden und Lichterketten geschmückten Aufenthaltsraum. Bei dieser Gelegenheit lüfteten Sita und Sameera auch das Geheimnis ihres Einkaufsbummels bei dem Juwelier in Srinagar: Sita hatte Ismail Kabulis nagelneue Chenar-Kollektion komplett gekauft und trug nun einen Armreif aus silbernen Chenarblättern, einen ebenso gestalteten Ring, zarte Blattohrstecker und eine lange Silberkette mit einem einzelnen Chenarblatt. Zu der Kollektion gehörten außerdem noch große Creolen, an denen ebenfalls Chenarblätter baumelten und in die sich Sameera so sehr verliebt hatte, dass Sita sie ihr kurzerhand zu Weihnachten geschenkt hatte. Allerdings wartete Sameera wohlweislich darauf, sich mit ihnen zu schmücken, bis Mohan sein nächstes Schläfchen halten würde.

Vikram und Raja hatten schon im Vorfeld gewusst, dass sie auf ihre Geschenke noch warten mussten. Sameera hatte im Oktober mehrere Meter edlen, dunkelgrünen Seidenstoff gekauft und Zeenath dazu angestiftet, für Vikram und Raja zwei gleiche Sherwanis zu schneidern und zu besticken – und da sie ohnehin planten, die Qasibs nach den Feiertagen in Gulmarg zu besuchen, hatte Zeenath gebeten, die Sherwanis selbst überreichen zu dürfen. Für große Begeisterung sorgten bei allen die Geschenke der Sharmas: Jeder Bewohner des Dar-as-Salam bekam eine DVD mit einem Film, den Rajas Söhne Surya, Sumair und Soham zusammengestellt hatten. Sie hatten dafür zahlreiche Videos verwendet, die Sumair während der »Evakuierungszeit« der Kinder in Shivapur gemacht hatte, und dazu Aufnahmen, mit denen Surya die Renovierungsarbeiten an dem Haus des Friedens dokumentiert hatte. Die Kinder bestanden darauf, den Film sofort anschauen zu dürfen; alles versammelte sich vor dem großen Fernseher und jede Szene wurde aufgeregt kommentiert. Dass es zwischendurch auch Augenblicke von der Baustelle zu sehen gab, freute die Kinder besonders, und Vikram und Sameera genossen es, auf diese Weise an der Zeit teilnehmen zu können, die ihre Schützlinge so weit von ihnen entfernt bei den Sharmas verbracht hatten.

Nach einem ausgedehnten Brunch zogen die Kinder sich mit ihren neuen Schätzen in die Zimmer zurück. Ahmad entführte Raja, um ihm eine ganze Kollektion neuer Kochrezepte zu zeigen, die er in den vergangenen Wochen abgespeichert hatte; es war bereits ausgemachte Sache, dass die beiden an einem der kommenden Tage das Regiment über den Herd des Dar-as-Salam übernehmen und gemeinsam für die ganze Gesellschaft kochen würden. Zooni wollte Sita unbedingt einige ihrer neuesten Kunstentwürfe zeigen, und Vikram hackte draußen Holz für die Feuerstellen. Mohan war eingeschlafen, und so hatte Sameera endlich Muße, Janveer anzurufen. Sie zog sich dafür in Vikrams Büro zurück, ließ sich auf dem sündhaft bequemen Schreibtischstuhl nieder, den sie ihrem Mann unlängst spendiert hatte, und streckte die Beine von sich.

»Hallo, Janveer«, sagte sie lächelnd, als er sich meldete. »Krismas mubarak. Ich muss bekennen, in den letzten Tagen war ich ein bisschen faul. Aber ich verspreche dir, morgen komm ich für ein paar Stunden Konditionstraining rüber. Kann mir gar nicht schaden bei der Festtagsküche hier. – Ja, ich weiß, zu lange Pausen sind nicht gut; ich hab meinen letzten Muskelkater noch nicht vergessen. Wenn wir aus Gulmarg zurück sind, machen wir mit den Schulterwurfübungen weiter. Dann werden wir sehen, wer von uns beiden zuerst auf der Matte landet. – Nein, noch nicht. Aber Vikram hat mir versprochen, dass wir im Januar mit dem Waffentraining anfangen. Ich glaube, es macht ihn nicht wirklich glücklich, dass ich lernen will, wie man mit einer Pistole umgeht. Dabei war es seine Idee!«

Sie ließ den Sessel herumkreiseln… und stellte plötzlich fest, dass sie nicht mehr allein war. Auf der Türschwelle stand Sita, die Stirn gerunzelt und ein halbes Dutzend Fragen in den Augen.

»Du willst lernen, wie man schießt?«

Sameera holte tief Luft. »Ich ruf zurück, Janveer«, sagte sie leise und legte auf.

Der Raum war sehr still, und Sita wartete geduldig auf eine Antwort. Eine Antwort, in der es um viele Dinge gehen würde, über die Sameera am liebsten überhaupt nicht reden wollte. Du wolltest damals auch nicht über den Abend mit Gupta reden, erinnerte sie sich. Mit niemandem, und schon gar nicht mit Sita. Und es war ein Segen, dass du es am Ende doch getan hast.

»Richtig, meri behn«, sagte sie endlich. »Ich muss wissen, wie man sich gegen körperliche Angriffe wehrt. Ich will lernen, wie man verriegelte Türen öffnet und wie man einen Gegner außer Gefecht setzt, wenn man keine Waffe hat als die bloßen Hände. Und ja – ich will außerdem lernen, wie man schießt. Ich erkläre dir auch, warum… aber mach bitte erst die Tür zu, ja?«

***

»… und dann, am Stand von Hassan baba, hatte ich das Gefühl, es wäre alles wieder da«, sagte Sameera. Sie saß immer noch auf Vikrams Drehstuhl; Sita hatte sich in dem Lesesessel in der Ecke niedergelassen. »Hamid hat mich nach Hause gefahren, ich hab Mohan gefüttert und bin hinaus an die Feuerstelle gegangen. Und da bin ich geblieben, bis Vikram abends nach Hause kam und mich gefragt hat, was los ist.«

»Und wer von euch ist auf die Idee gekommen, dich in einen Selbstverteidigungskurs zu stecken?«, fragte Sita, die Sameeras Erzählung hochkonzentriert und mit sichtbarer Besorgnis zugehört hatte.

»Das war Vikram.« Sameera schaute auf ihre Hände hinunter. »Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht mehr das ewige Opfer sein will, das seine Feinde dazu missbrauchen, ihm zu schaden. Und er meinte, er hätte nur den Rat eines alten Kriegers anzubieten: dass ich lernen muss, mich zu wehren.«

»Ich verstehe. Klar, du kannst dich ja nicht für den Rest deines Lebens zuhause einsperren. Und selbst das bietet keine hundertprozentige Sicherheit.« Sita strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und was genau machst du da alles? Du hast etwas von Schulterwurfübungen gesagt – offenbar gehst du gleich aufs Ganze!«

»Ich mach das jetzt schon fast drei Monate«, erklärte Sameera. Sie spürte, wie ihr leichter ums Herz wurde; es war doch gut, mit Sita darüber zu reden. »Am Anfang hat Janveer mir überhaupt keine Kampftechniken beigebracht, sondern mich im Fitnessraum bei Najiha trainieren lassen bis zum Umfallen. Und ich bin gelaufen… so viel und so weit wie nie zuvor in meinem Leben. Abends bin ich vor Erschöpfung fast mit der Nase im Essen gelandet. Aber weißt du was – seitdem träume ich nicht mehr. Die Erinnerungen sind noch da, aber wenigstens muss ich im Schlaf Guptas Stimme nicht mehr hören.«

»Das ist ja schon mal ein Fortschritt«, stellte Sita fest. »Und was ist mit deinen Panikattacken in der Öffentlichkeit? Sind die auch schon weniger geworden?«

Sameera biss sich auf die Lippen. »Ich muss zugeben, ich hab es seit damals noch nicht wieder versucht, allein auf den Markt zu gehen.«

»Könntest du dir denn vorstellen, es zu tun?«, fragte Sita. »Ich meine, jetzt, wo du schon ein wenig in Selbstverteidigung geübt bist.«

»Ehrlich?« Sameera senkte den Blick. »Nein. Noch nicht ganz.«

Sita seufzte. »Dann müssen wir uns vorläufig mit den ausbleibenden Träumen als erstem Erfolgserlebnis begnügen. Ich halte dir die Daumen, didi, dass es bald noch weiter aufwärts geht. Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun.«

Sameera lächelte. »Glaub mir, du tust genug. Du hörst mir zu, und das ist eine ungeheure Erleichterung für mich. So wie damals im April, weißt du?«

Ein Schatten flog über Sitas Gesicht. »Nur dass die weise Ratgeberin diesmal nicht so recht weiß, wie sie dir helfen kann. Mit Zuhören allein ist es ja nicht getan.«

»Mach dir keine Gedanken.« Sameera beugte sich vor und nahm Sitas Hände in die ihren. »Es geht ja durchaus schon aufwärts für mich. Meinem Körper tut das Training gut, auch wenn ich Janveer mehr als einmal einen gnadenlosen Schleifer genannt und ihn herzhaft verflucht habe. In diesen drei Monaten habe ich an Kraft und Geschmeidigkeit ordentlich zugelegt, und auch sonst fühle ich mich bereits stärker. Es ist… wie eine Schlacht, in der man Meter für Meter verlorenes Territorium zurückerobern muss. Einen Schritt nach dem anderen. Ich muss nur weiterkämpfen, meri behn. Irgendwann halte ich wieder in meinen Händen, was mir Gupta weggenommen hat. Und dann kann ich auch wieder allein über den Markt gehen und an den Schmuckständen stehenbleiben, wenn ich will.« Sie betrachtete Sita liebevoll. »Obwohl ich das viel lieber mit dir gemeinsam täte.«

Mit einem Mal hellte Sitas Miene sich auf. »Wir können ja zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, pyaari. Wir fahren gemeinsam nach Srinagar – und du gehst allein voraus auf den Markt. Wenn du merkst, du bist noch nicht so weit, dann zückst du dein Handy und rufst mich an, und ich bin sofort bei dir. Wenn du merkst, es geht – dann feiern wir gemeinsam vor Ort. Und in jedem Fall gehen wir danach zusammen die Schmuckstände begutachten.«

»Das klingt gut, aber bei dem vollen Programm, das wir diesmal haben, wird uns kaum die Zeit dafür bleiben«, gab Sameera zu bedenken.

»Die Zeit schaufeln wir uns ganz einfach frei«, erwiderte Sita energisch. »Oder glaubst du wirklich, dass irgendetwas hier mir wichtiger ist als du, didi?«

»Nein. Erstaunlicherweise nicht.« Sameeras Finger verschränkten sich fest mit denen von Sita. »Falls ich es noch nicht gesagt haben sollte: Ich liebe dich, meri behn. Danke, dass es dich gibt.«

»Und ich liebe dich, meri didi.« Sita erwiderte Sameeras Händedruck. »Deshalb hoffe ich auch, dass du das, was du bei diesem Training lernst, nie wirklich brauchen wirst. Ebenso wenig wie das Schießen. Liebe Güte, ich kann mir das gar nicht vorstellen: du mit einer Pistole in der Hand!«

Sameera gluckste. »Ich auch nicht. Und Vikram wahrscheinlich noch viel weniger. Aber andererseits kann er mir dadurch auf ganz praktische Weise helfen – indem er mir etwas beibringt, was er persönlich im Schlaf beherrscht. So hat er das Gefühl, mich zu unterstützen, und das hilft wiederum ihm. Sehr sogar, glaube ich.«

Sie zwinkerte Sita zu.

»Außerdem habe ich festgestellt, dass er phantastisch massieren kann. Ein paar von den Muskelkatern, die ich Janveer zu verdanken habe, hätte ich ohne Vikrams ›magische Finger‹ wohl nicht so gut überstanden.«

»Da könnte man als Frau ja glatt neidisch werden«, versetzte Sita trocken. »Ich glaube, ich sollte mir auch noch einen Muskelkater zulegen, solange ich hier bin.«

»Ich kann dich ja morgen mitnehmen, und du trainierst eine Runde mit!« Sameera grinste. »Ich glaube, das wäre eine tolle Idee – allein schon, um Janveers verblüfftes Gesicht zu sehen.«

»Und danach meins, wenn er mich durch die Gegend scheucht«, lachte Sita. »Ich glaube, ich beschränke mich besser aufs Zuschauen und trainiere lieber hinterher mit dir einen gemeinsamen Marktbummel.«

»Klingt nach einem Plan.« Sameera stand auf. »Und jetzt ruft die Pflicht; Zobeida hat vorhin jemanden gesucht, der für sie einen Berg Kartoffeln schält, und die Kinder haben heute frei. Kommst du mit?«

»Klar.« Sita erhob sich ebenfalls. »Mal sehen, ob dein Krafttraining sich auch dabei als nützlich erweist.«

»Kaum – es sei denn, ich erschrecke die armen Dinger so sehr, dass sie von allein aus der Schale hüpfen.«

»Probier’s doch mal«, schlug Sita mit einem deutlichen Schalk in den Augen vor. »Wenn dir das gelingt, dann können sich deine zukünftigen Feinde definitiv warm anziehen.«

***

Am nächsten Tag begleitete Sita Sameera tatsächlich zum Training. Janveer registrierte den unerwarteten Gast mit offensichtlichem Erstaunen, begrüßte Sita aber mit großer Freundlichkeit. Dann stellte er ihr einen Stuhl in den Trainingsraum und widmete sich neunzig Minuten lang Sameera: eine halbe Stunde Konditionstraining, eine weitere halbe Stunde Training an einem Boxsack, den Janveer mitten im Raum aufhängte, und die letzte halbe Stunde Nahkampfübungen. Sameera ging mindestens ein halbes Dutzend Mal zu Boden, aber sie kam immer rasch wieder auf die Beine und griff erneut an. Am Ende des Trainings gelang ihr ein Schulterwurf, der Janveer auf die Matte schickte. Janveer stand auf, wischte sich den Schweiß von der Stirn und verneigte sich vor ihr.

»Sehr gut, hakim sahiba«, sagte er. »Sie sind in den nächsten Tagen in Gulmarg?«

»Ja.« Sameeras Gesicht leuchtete auf. »Wir besuchen unsere Tochter Zeenath.«

»Dann schauen Sie zu, dass Sie sich ordentlich bewegen. Und nicht zu viele Süßigkeiten, die machen träge. Wir sehen uns danach.«

Sameera nickte, lächelte Sita zu und verschwand in dem Badezimmer nebenan; wenig später hörte Sita Wasser rauschen.

Janveer rollte die große Trainingsmatte zusammen und nahm den Boxsack von dem Haken an der Decke. Sita erhob sich von ihrem Stuhl, von dem aus sie das gesamte Training still und aufmerksam verfolgt hatte, und ging zu ihm.

»Darf ich Sie etwas fragen, Janveer?«

»Selbstverständlich, Sharma sahiba

Er legte den Boxsack auf dem Boden ab. Sie versuchte zu schätzen, wie alt er war… Anfang oder Mitte Dreißig, hochgewachsen und auf angenehme Weise muskulös, ein klares, offenes Gesicht mit hohen Wangenknochen und ganz leicht mandelförmigen dunklen Augen. Sein Haar war glänzend schwarz, wellig und kurz; die Narbe seitlich am Kopf bildete eine weiße, nackte Linie, die sich von der Schläfe bis zur Ohrmuschel zog. Sie wusste, wie er zu dieser Narbe gekommen war, und dass er nach dem Attentat auf Tarek Kamaal fast ein Jahr gebraucht hatte, um sich von seiner lebensgefährlichen Schussverletzung zu erholen. Ein gutaussehender Mann… und jemand, der zu großer Pflichterfüllung und Hingabe fähig war.

»Als Sameera Sie um dieses Training gebeten hat«, fragte sie, »was haben Sie da gedacht?«

»Es war nicht die hakim sahiba, die mich darum gebeten hat«, erwiderte Janveer. »Sandeep sir hat es getan. Und ich habe zuerst gezögert. So ein Training ist schwierig und anspruchsvoll, und es dauert oft Monate, bis man wirkliche Erfolge sieht.«

»Und?« Sie musterte ihn neugierig. »Sehen Sie welche?«

Er lächelte. »Inzwischen schon… von Zeit zu Zeit. Dieser Schulterwurf heute, das war einer. Und man muss natürlich bedenken, dass die hakim sahiba bei Null angefangen hat. Aber dafür schlägt sie sich sehr ordentlich – und sie gibt nicht auf. Anfangs habe ich ein paarmal damit gerechnet, dass sie das Handtuch wirft.«

»Nicht Sameera.« Sita lächelte ein wenig grimmig. »Nicht meine didi.«

»Nein.« Janveer nickte zustimmend. »Sandeep sir hat sich eine gute Frau ausgesucht. Und manchmal muss man die, die man liebt und schützen will, lehren, sich selbst zu schützen. Man kann nicht ununterbrochen und überall die Hand über sie halten. Das hat er schmerzlich begreifen müssen – erst bei Kamaal sahab und dann bei Ihrem Mann. Und bei der hakim sahiba inzwischen sogar schon zweimal.«

»Ich weiß.« Sita seufzte. »Aber ich verstehe, dass er es trotzdem immer wieder versucht.«

»Ich auch.« Janveer hob den Boxsack wieder auf; er lächelte sie an, aber sein Lächeln war ein wenig traurig. »Glauben Sie mir, ich auch. Er kann nicht anders.«

Ein Lied in der Nacht

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