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Zehntes Kapitel

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Seelenruhig nestelt Mathilde zwei Vierteldollarmünzen aus ihrem Strumpfband und lässt sie in ihrem Bündel verschwinden.

„Woher hast du das Geld?“, fragt Luise und reibt sich erstaunt die Augen. Sie ist gerade erst aufgewacht.

„Woher wohl?“, die Andere grinst schief, „kannst du dir doch denken. Bekommen habe ich es.“

„Von Gästen? Und musst es nicht beim Köberer abgeben?“

Mathilde sieht sie verächtlich an: „Sag mal, wie lang bist du schon in Kalifornien?“

„Erst diesen Sommer sind wir in San Francisco angekommen.“

„Verstehe! Dann bist du zum ersten Mal hier oben. Musst wohl noch einiges lernen.“

Luises wird warm. Ihre Wangen glühen.

„Also, Lektion Nummer eins,“ beginnt Mathilde herablassend, „ich erklär es dir auch nur, weil du uns sonst das Geschäft versaust: Wenn du mit einem nach hinten gehst, muss er dafür einen oder zwei Dollar beim Wirt bezahlen. Im Voraus. Klar?“

Luise nickt. Ihr Herz schlägt bis zum Hals. Sie weiß, worum es geht. Glaub bloß nicht, dass Männer dafür immer ins Bordell gehen müssen, hat Elisa einmal gesagt. Es gibt überall welche, die es für Geld machen.

„Lektion Nummer zwei“, fährt Mathilde unwirsch fort, „wenn er mit dir allein ist, muss er dir zusätzlich mindestens einen Vierteldollar geben. Oder mehr, wenn er Extras will. Du lässt ihn erst ran, wenn er geblecht hat, klar? Das Geld kannst du dir in dein Strumpfband stecken. Oder sonst wohin.“

„Und was sagt Köberer dazu?“, Luise versucht, sich ihre Unbedarftheit nicht anmerken zu lassen, „Er bekommt es doch bestimmt mit!“

„Natürlich“, schnaubt Mathilde, „aber er ist ja nicht blöd. Er kann sich denken, dass wir es nicht umsonst machen.“

„Und was ist, wenn der Sheriff davon erfährt?“

„Ha!“, geräuschvoll zieht Mathilde ihre Spucke hoch, „was soll er schon machen? Was glaubst du, warum der so häufig im Saloon herumhängt? Etwa um uns zu kontrollieren?“ Sie holt Luft: „Natürlich weiß jeder, dass die Tanzerei im Saloon verboten ist. Wer dabei erwischt wird, muss ins Gefängnis. Das gilt für den Mädchenhalter, den Gastwirt und sogar für uns Mädchen.“ Sie wirft Luise einen gehässigen Blick zu: „Aber du hörst das ja anscheinend zum ersten Mal. Ist vielleicht auch besser, wenn du weiter so tust, als wärst du die Unschuld vom Lande. Manchen Männern scheint es ja zu gefallen.“

Unvermittelt springt sie auf und poltert die Treppe in den Gastraum hinunter, als habe sie dort etwas Wichtiges zu erledigen.

Luise geht die Frage von nun an nicht mehr aus dem Kopf: Wie kann sie etwas eigenes Geld verdienen? Sie wird es brauchen, wenn sie eines Tages Dora nach Amerika holt. In ihrem Kontrakt steht, dass sie 50 Gulden pro Jahr zusätzlich bekommen kann, wenn sie folgsam und fleißig ist. Aber was bedeutet das?

Sie tanzt mit jedem, der danach verlangt, eine Runde, hat sich dem Dienstherren noch nie widersetzt. Aber sie ist nicht so naiv, zu glauben, dass Köberer sie allein dafür extra entlohnen wird.

„Wenn dir ein Kerl eine Münze zusteckt, gib sie mir,“ hat er ihr gleich zu Anfang befohlen, „die Burschen blechen beim Wirt. Für alles. Glaub nicht, dass du deine Dollars irgendwo verstecken kannst. Das lockt nur Langfinger an.“

„Wenn ich ein Trinkgeld bekomme, bewahrt ihr es für mich auf?“, fragte sie eifrig.

„Natürlich nach Abzug aller Kosten,“ knurrte er.

Luise nickte verständig. Aber im Stillen fragte sie sich, was der Mädchenhalter meinte. Für ihr Essen, die Unterkunft, die Kleidung und die Reisen hatte Schneider aufzukommen, so stand es im Kontrakt.

Ihr Album hat sie kaum mehr angerührt, seit sie mit Elisa zusammen auf der City of New York englische Wörter gesammelt hat. Jetzt kramt sie das Büchlein hervor, schlägt es auf, nimmt einen Stift zur Hand und beginnt Zahlenreihen untereinander zu schreiben.

Die vier hessischen Mädchen, so rechnet sie aus, bringen es an einem Tanzabend im Saloon auf etwa einhundert Dollar. Von diesem Verdienst zieht der Wirt bestimmt etwas für sich selbst ab, und das nicht nur für Kost und Logis. Zusätzlich verdient er an den Drinks, die sich seine Gäste genehmigen und den Tänzerinnen spendieren müssen.

Was übrig bleibt, bekommt Köberer, der von seinen Einnahmen wiederum etwas an Schneider abgeben muss. Aber was verdienen die Mädchen selbst damit, dass sie sich von all den Kerlen anfassen und im Kreis herumschwenken lassen? Plötzlich kommt ihr der Mietpreis, den der Vater für sie bekommt, nicht mehr so märchenhaft hoch vor.

Ein Mädchen kann in einer Saison etwa zweieinhalbtausend Dollar einbringen, rechnet Luise weiter, wenn es an hundert Abenden im Saloon tanzt. Ziemlich viel, selbst wenn man alle Kosten für die Reise, die Kleidung, ihre Unterkunft, das Essen, den Wirt und den Mädchenhalter davon abzieht. Ein amerikanischer Dollar, das hat ihr Elisa auf der Überfahrt in Erfahrung gebracht, ist etwa soviel wert wie in der Heimat zwei Gulden.

Was aber geschieht mit diesen Schwindel erregenden Beträgen? Solange Luise auch mit dem Bleistift an den Zahlenkolonnen entlangfährt, sie findet es nicht heraus.

Weder Köberer noch die Gastwirte, bei denen sie bisher abgestiegen sind, wirkten besonders reich. Ihre Häuser sind schäbig, das Essen fade, und kaum einer hat eine Frau.

Hurdy Gurdy Girl

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