Читать книгу Fünf Bücher gegen die Häresien - Irenäus von Lyon - Страница 30
Оглавление25. Kapitel: Karpokrates
1.
Karpokrates und seine Schüler lehren, daß die Welt und was in ihr ist von Engeln gemacht sei, die viel niedriger sind als der ungezeugte Vater. Jesus sei Josephs Sohn, ähnlich den übrigen Menschen, nur gerechter als sie; seine Seele sei stark und rein geblieben in der Erinnerung an das, was sie während ihres Aufenthaltes bei dem ungezeugten Vater geschaut habe. Deshalb habe sie von ihm eine Kraft empfangen, so daß sie denen entfliehen konnte, die die Welt gemacht haben. So ging sie durch diese hindurch, wurde in allen befreit und stieg zu ihm empor. Ähnlich gehe es mit den Seelen, die seiner Seele ähnlich sind. Die Seele Jesu wurde in den Lebensgewohnheiten der Juden erzogen, verachtete jedoch diese und empfing deshalb besondere Kräfte, durch die sie die strafbaren Leidenschaften des Menschen überwand.
2.
Die Seele, die ähnliche Kräfte, um ähnliches zu wirken, empfängt, kann wie jene die fürstlichen Schöpfer dieser Welt verachten. Daher verstiegen sich einige in ihrem Hochmut so weit, daß sie behaupteten, Jesu gleich zu sein; andere sagten sogar, sie seien in gewisser Hinsicht mächtiger als er, andere klüger als seine Jünger, wie Petrus, Paulus und die übrigen Apostel, und stünden Jesu in nichts nach. Denn ihre Seelen wären in demselben Kreise gewesen, hätten dieselbe Kraft empfangen und gingen ebendorthin zurück und hätten auch die Weltenschöpfer verachtet. Wer aber in dieser Verachtung noch weiter vorgeschritten sei, der könne auch ihn übertreffen.
3.
Zaubereien, Beschwörungen, Liebestränke und -feiern, Gespenstererscheinungen und Traumgeister und die andern schwarzen Künste treiben sie gleichfalls, indem sie sagen, sie hätten die Macht, über die Fürsten und Schöpfer dieser Welt zu herrschen und darüber hinaus über alle Geschöpfe in der Welt. Wahrlich, der Teufel hat sie wie die Heiden zur Lästerung des heiligen Namens der Kirche ausgesandt, damit die Menschen ihre Ohren abwenden von der Verkündigung der Wahrheit, wenn sie ihre verschiedenen Lehrweisen vernehmen und meinen, wir alle seien von jener Art. Ja, wenn sie ihre Sachen bloß sehen, lästern sie uns alle, die wir doch mit ihnen weder in der Lehre noch in den Sitten noch im täglichen Umgang irgendwelche Gemeinschaft haben. Führen sie doch ein üppiges Leben, und gottlos ist ihre Lehre, und den127 Namen mißbrauchen sie nur zum Deckmantel ihrer Bosheit. Aber gerecht ist ihre Verdammung128 , und gerechten Lohn werden sie für ihre Werke empfangen.
4.
So sehr haben sie der Verrücktheit die Zügel schießen lassen, daß sie behaupten, es stehe ihnen frei, jede beliebige irreligiöse und gottlose Handlung zu begehen; denn nur das menschliche Urteil unterscheide zwischen guten und bösen Handlungen. Müßten doch die Seelen bei ihren Wanderungen durch die Körper jegliches Leben und jegliche Handlung durchmachen, wenn nicht jemand gerade gleich beim erstenmal alles erlebt hätte.129 Aber ihre Schriften lehren, daß die Seelen vor ihrem Abscheiden alles bis auf den letzten Rest durchgemacht haben müssen, damit sie nicht, weil sie ihre Freiheit noch nicht ausgekostet hätten, noch einmal in einen Körper übergehen müßten. Das habe Jesus mit dem Gleichnis angedeutet: „Wenn du mit deinem Gegner auf dem Wege bist, gib dir Mühe, von ihm frei zu werden, damit er dich nicht etwa dem Richter übergebe und der Richter dem Diener und er dich in den Kerker werfe. Wahrlich, ich sage dir, du wirst von da nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast“130 . Der Gegner, das sei einer von den Engeln der Welt, den sie den Teufel nennen, der dazu geschaffen ist, daß er die verlorenen Seelen aus der Welt zum Fürsten führe, dem ersten von den Engeln, die die Welt gemacht haben. Der übergebe solche Seelen einem andern Engel, der ihm dient, damit er sie in andere Körper einschließe, denn ein Kerker sei der Körper. Und das Wort: „Du wirst von dort nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast“ bedeute, daß er von der Macht der Engel, die die Welt gemacht haben, nicht loskommen werde. Vielmehr werde er in andere Körper versetzt, bis er jede Tat verübt hat, die es in der Welt gibt, und erst wenn daran gar nichts mehr fehlt, dann sei die Seele frei und ledig für jenen Gott, der über den Fürsten der Welt steht. So würden also die Seelen erlöst und befreit, indem sie entweder gleich von vornherein beim erstenmal sich in allen Handlungen betätigt hätten, oder indem sie von Körper zu Körper wandernd und in jede Art des Lebens versenkt, ihre Schuld abgetragen und erfüllt hätten. Dann brauchten sie nicht mehr in einem Körper zu weilen.
5.
Ob nun wirklich diese gottlosen, frevelhaften und verbotenen Dinge sich bei ihnen zutragen, das möchte ich wohl bezweifeln. Aber in ihren Schriften steht es geschrieben, und selber legen sie es so aus, indem sie sagen, Jesus habe seinen Aposteln und Jüngern im Geheimen besondere Lehren gegeben und sie beauftragt, diese den Gläubigen und den Würdigen anzuvertrauen. Der Glaube und die Liebe mache selig, das übrige sei gleichgültig und nur nach dem Urteil der Menschen werde es gut oder böse genannt, während es doch von Natur nichts Böses gebe.
6.
Einige von ihnen zeichnen ihre Schüler, indem sie ihnen an der hinteren Seite des rechten Ohrläppchens ein Brandmal beibringen. So hat Marzellina, die als Anhängerin dieser Lehre unter Anicet nach Rom kam, viele betört. Sie nennen sich Gnostiker und haben gemalte oder sonstwie hergestellte Bilder Christi, dessen Typus von Pilatus gemacht sein soll zu der Zeit, da Jesus unter den Menschen wandelte. Diese krönen sie und stellen sie gleichzeitig mit den Bildern weltlicher Philosophen wie des Pythagoras, Plato, Aristoteles und anderer aus und unterscheiden sich in solchen Gebräuchen wenig von den Heiden.