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Prolog

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Endlich wieder rennen. Endlich wieder Waldboden unter den Pfoten. Der Wolf war viel zu lange eingesperrt. Er holt weit aus, fliegt beinahe, streckt den Körper. Er genießt es, sich wieder spüren zu können. Den Wind in seinem Fell, den nachgiebigen Untergrund unter den Tatzen, Äste, die seine Flanken streifen. Ein Sprung über einen abgestorbenen Baumstamm. Sicher landet der Wolf und rennt weiter, geradewegs auf eine Schlammpfütze zu. Er läuft mitten durch die Pfütze, Schlamm quillt zwischen seine Zehen, spritzt auf sein Fell, beinahe in seine Augen. Er möchte heulen vor Glück.

Es ist ein fremder Wald, durch den der Wolf läuft. Überall sind fremde Gerüche, fremde Geräusche. Und doch ist er vertraut. Der Wolf wird langsamer, schnüffelt. Vor Kurzem war hier ein Reh und dort ein Eichhörnchen. Er riecht einen Fuchs, mehrere Hunde und die Alufolie, die jemand achtlos entsorgt hat.

Der Wolf hält an einem Brombeerstrauch, schnüffelt wieder. Er meint, die leise Ahnung eines fremden Wolfs zu riechen. Eine alte, entfernte Erinnerung. Der Wolf hebt sein Bein und pinkelt auf das Blattwerk. Es gibt ein befriedigendes Geräusch und sofort steigt sein eigener Geruch ihm in die Nase. Alles seins. Sein Revier.

Ein paar Sprünge weiter lichtet sich der Wald ein wenig und gibt den Blick auf den Mond frei. Voll ist er und groß und blutrot. Bei dem Anblick schwillt ein Heulen in der Brust des Wolfs. Er will nach seinem Rudel rufen. In Momenten wie diesem vermisst er sein Rudel. Auch wenn es nötig war zu gehen: Er hasst es, ein Einzelwolf zu sein.

Der Wolf öffnet schon das Maul, da erinnert er sich daran, dass er nicht auf sich aufmerksam machen darf. Keine Geräusche, keine Spuren. Doch, oh, es ist schwer.

Um nicht doch noch zu heulen, rennt er weiter, wird wieder schneller. In sinnlosem Zickzack läuft er zwischen den hohen Bäumen hindurch. Immer seiner Nase nach. Und dann ist da plötzlich dieser Geruch.

Der Wolf schnuppert. Etwas liegt in der Luft, doch er kann nicht genau sagen, was es ist. Ein Geruch, ein Duft. Die pure Verlockung. Der Wolf senkt die Schnauze auf den Waldboden und atmet tief ein. So muss der Himmel riechen. Und besser noch: So muss Zuhause riechen.

Zwischen Brombeerranken hindurch folgt der Wolf der Spur. Er duckt sich in die Schatten, schleicht und kauert. Ein Geräusch, ein Knacken. Und dann Schritte. Atmen, hektisch und abgehackt. Der Duft wird stärker. Der Wolf umrundet einen Baum, und dann sieht er ihn. Den Mann, der duftet wie alles Gute in der Welt. Der Wolf will zu ihm rennen, sofort, so schnell es geht. Doch er weiß, er darf es nicht.

Er muss ein Geräusch von sich gegeben haben, denn plötzlich sieht der Mann in seine Richtung. Da schiebt sich eine Wolke, die eben noch den Mond verdeckt hat, zur Seite. Es wird heller im Wald. Der Schatten, in dem der Wolf kauert, zieht sich zurück und gibt ihn frei.

Auge in Auge stehen der Wolf und der Mann einander gegenüber. Der Mann erstarrt. Unter den verführerischen Duft mischt sich der scharfe Geruch der Angst.

Liebe in den Augen des Wolfs

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