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Ein traumloses Vakuum speit ihn zurück ins Bewusstsein.

Stille.

Das ist das Erste, was er registriert. Absolute Stille.

Seine Augäpfel bewegen sich unter den geschlossenen Lidern; es fühlt sich an, als rieben sie über Sand. Er öffnet die Augen einen Spalt, aber er sieht nichts. Hat er sich nur eingebildet, die Augen geöffnet zu haben? Fest presst er die Lider zusammen und reißt dann die Augen ruckartig auf. Kein Lichtstrahl, kein Schimmer, er starrt in vollkommene Dunkelheit. So eine Schwärze hat er nur einmal gesehen, vor vielen Jahren. Damals ist er mit seiner Schulklasse zur Bärenhöhle nördlich von Graz aufgestiegen. Nachdem sie vom Hauptgang der Höhle ein paarmal in Seitengänge abgezweigt waren, hat der Lehrer sie angewiesen, alle Taschenlampen abzuschalten. Die Dunkelheit hat ihn wie ein Schlag getroffen. Es war das schwärzeste Schwarz, das er bis dahin gesehen hat. Und jetzt wieder. Das gleiche Schwarz.

Er fühlt nasse Kälte die Beine nach oben kriechen. Die Stille legt sich auf ihn wie ein Sandsack. Träumt er etwa, wieder in der Bärenhöhle zu sein? Erneut kneift er die Lider zu und reißt sie auf. Wieder und wieder. Nein, er träumt nicht, die Finsternis ist real.

Was …? Ist er erblindet?

Aber wie …?

Plötzlich meint er ein Geräusch zu hören. Ist da noch jemand? Er konzentriert sich ganz darauf, kann es nicht einordnen, bis er merkt, dass es sein eigener Atem ist. Er will etwas sagen, doch ein würgendes Krächzen ist alles, was er zustande bringt. Erst jetzt spürt er, dass sein Mund aufgerissen und die Mundhöhle zur Gänze von etwas ausgefüllt ist. Schlagartig kommt der Würgereiz. Der Atem zischt stoßweise aus seinen Nasenlöchern.

Andere Empfindungen suchen ihn heim. Ein Krampf wütet in seinem linken Unterschenkel. Er will das Bein anziehen, aber ein schneidender Schmerz an der Fessel lässt ihn sofort innehalten. Sein Kopf schnellt nach vor, wird brutal zurückgerissen und schlägt hart auf. Er will um sich schlagen, doch die Handgelenke sind festgezurrt und die Fesseln schneiden ihm ins Fleisch.

Verzweifelt wirft er den Kopf hin und her. Es ist die einzige Bewegung, die ihm noch möglich ist. Auch damit hört er bald auf, weil ihn der Riemen über der Kehle wund scheuert. Über dem Bauch ist er ebenso fixiert.

Mit einem Mal erkennt er, dass er nackt ist. Die bloße Haut liegt auf einer glatten, kühlen Fläche. Die Kälte hat sich von den Beinen bis zum Hals ausgebreitet, lässt ihn unkontrolliert zittern. Trotzdem spürt er den Schweiß von seinen Schläfen rinnen.

Sein Oberkörper hebt und senkt sich in rasender Folge. Die Panik gibt ihm das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Der Würgereiz kehrt zurück. Er darf sich nicht übergeben, sonst verstopft ihm das Erbrochene die Nasenhöhlen.

Ruhe, ruhig bleiben. Sonst erstickt er.

Mit Mühe gelingt es ihm, den stinkenden Lappen in seinem Mund zu ignorieren und ruhiger zu atmen. Er darf nicht zulassen, dass Panik die Oberhand gewinnt.

Denken.

Er muss denken.

Er muss die Lage einschätzen. Ja, das muss er.

Ruhig werden und überlegen.

Er liegt geknebelt und gefesselt an einem unbekannten Ort. So viel steht fest. Und es gibt nichts, was er dagegen tun kann.

Sofort schießen die Fragen wie ein Pfeilhagel durch sein Hirn.

Was zur Hölle ist mit ihm geschehen?

Wo befindet er sich?

Wie kommt er hierher?

Wie lange ist er schon da?

Wer hat ihm das angetan?

Und warum?

Auf nichts hat er eine Antwort.

Tod im Schilcherland

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