Читать книгу Tod im Schilcherland - Isabella Trummer - Страница 21
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Оглавление»Wir brauchen noch einen Mann. Jetzt, wo Witt in Urlaub ist.«
Ratzinger wirft einen Kugelschreiber neben den Notizblock, um seinem Unmut Nachdruck zu verleihen.
»Wenn wir alle Leute abklappern wollen, die ich auf meiner Liste habe, schaffen wir zwei das niemals bis morgen Abend.«
Kammerlander ist ganz seiner Meinung. Ihr junger Kollege Kurt Ebner – na ja, wenn man fast vierzig noch als jung bezeichnen will – ist in Amerika auf Fortbildung. Operative Fallanalyse beim FBI, darauf hat er seit Jahren gewartet. Kurt wird bestimmt auch sein Englisch aufpolieren. Was nur von Vorteil sein kann. Ratzinger und er selbst haben auf dem Gebiet nicht viel zu bieten. Insgeheim befürchtet Kammerlander aber, dass Kurt nicht wiederkommen wird. Mit dem neu erworbenen Spezialwissen wird ihm Voitsberg vielleicht zu eng werden. Von den Karrierechancen in Graz oder Wien, einschließlich besserer Bezahlung, gar nicht zu reden.
Und jetzt auch noch Witt. Die Woche Urlaub mit seiner Frau in Italien sei ihm von Herzen gegönnt. Aber der Zeitpunkt ist denkbar schlecht. Eine Reduktion des Teams auf fünfzig Prozent macht sich eben bemerkbar.
»Ich habe schon mit Starkl gesprochen. Er wird uns jemanden schicken.«
»Hoffentlich heute noch«, knurrt Ratzinger.
»Lass uns inzwischen die Aufgaben untereinander aufteilen.«
Eine halbe Stunde später ist die Verstärkung da, in Form eines jungen Kollegen von der Streife. Matthias Hansbauer ist anzumerken, dass ihm die Zuteilung zu den »Kriminalern« gefällt. Rasch begreift er, worum es geht und was von ihm verlangt wird.
»Und mach keinen Staatsakt aus den Befragungen«, sagt Ratzinger noch. »Die Leute sollen nicht auf den Gedanken kommen, dass mit Beingrübls Ableben etwas nicht stimmen könnte.«
»Hab verstanden«, sagt Hansbauer. »Ich komm ja von der Gegend, da redet es sich privater.«
Ob Starkl das gewusst hat, fragt sich Kammerlander. Wenn ja, dann hat er bei der Personalentscheidung echt mitgedacht.
Am nächsten Tag um vier Uhr nachmittags treffen sie sich wieder im Büro. Hansbauer bekommt Ebners Schreibtisch zugewiesen.
»Das Beste wird sein, jeder erzählt zuerst von der Befragung, die ihm am wichtigsten, markantesten oder aussagekräftigsten erscheint. Danach sehen wir weiter.«
Kammerlander nickt Hansbauer zu.
»Tja, ich hab von den Bekannten Schrägstrich Freunden des Valentin Beingrübl eigentlich nur zwei Personen dabeigehabt, die mir griffig vorkommen. Da ist zuerst einmal die Weber Rosl. Die kennt den Beingrübl seit Jahrzehnten. Sie sagt, der Beingrübl hat nie ein Problem mit seinem Herzen gehabt. Und dass es wohl manch einem ganz zupasskommt, dass er jetzt tot ist. Aber sie ist eine alte Frau, von der man nicht weiß, wie fit sie hirnmäßig noch ist. Weil als ich nachgefragt hab, was sie damit meint, ist nix mehr gekommen. Ich kenn die Rosl seit der Kindheit. Die hat immer schon verbittert herumgeschimpft und Andeutungen gemacht. Als Kinder haben wir sie ›die alte Hex‹ genannt.«
»Und die andere Person?«
»Das ist der Schwaiger Martin, der Nachbar vom Beingrübl. Der hat auch einen kleinen Hof. Er hat viel aus der Vergangenheit vom Beingrübl erzählt, ziemlich traurige Geschichte. Ihr wisst darüber Bescheid?«
Kammerlander und Ratzinger nicken unisono.
»Seinen Enkel hat er geliebt. Für den hätte er alles getan, sagt der Schwaiger. Und … tja, da ist noch was. Der alte Beingrübl hat wohl sein Obst in Schnaps verwandelt, also nicht ganz sauber …«
»Das wissen wir. Und da wir schon beim Schnaps sind, mach ich gleich weiter.« Kammerlander zieht einen Zettel zu sich heran und überfliegt ihn rasch.
»Ich bin beim Ehepaar Wolfshuber vorstellig geworden. Es könnte sein, dass der Beingrübl dem Landtagsabgeordneten am Donnerstag ein Fläschchen in seine Jagdhütte geliefert hat. Denn als Wolfshuber am Freitag, also einen Tag nach Beingrübls Tod, zur Jagdhütte gefahren ist, hat er eine Flasche Schnaps vor der Tür gefunden.«
»Ach, sieh an.« Ratzinger zieht die Augenbrauen hoch. »Der Herr Landtagsabgeordnete kauft Schwarzgebrannten?«
Kammerlander macht eine wegwerfende Handbewegung.
»Er hat ganz schnell eine Erklärung zur Hand gehabt. Die Flasche wäre ein Geschenk gewesen. Beingrübl hätte ihm jedes Jahr zum Geburtstag einen Selbstgebrannten geschenkt.«
»Da hat er ja schnell reagiert.«
»Politiker eben.«
»Das heißt, der Herr Landtagsabgeordnete war an Beingrübls Todestag nicht auf der Jagd?«
»Er sagt Nein. Er wäre an dem Abend bei einem Freund in der Nähe von Graz gewesen, einem Arzt, der das auch telefonisch bestätigt hat.«
Ratzinger kommt nun auch zur Sache. »Der Dorfarzt, mit Namen Silvester Doppelhofer, will bei Beingrübl eine gewisse Kurzatmigkeit festgestellt haben, die auf ein belastetes Herz schließen lässt. Als Patient war er in dieser Sache allerdings nicht bei ihm. Und dann habe ich bei den Banken in Voitsberg nachgefragt. Beingrübl war in der Sparkasse, kurz vor zwölf. Ich musste nicht einmal mit einem Gerichtsbeschluss drohen. Der Schalterbeamte hat den Monitor ein wenig gedreht und sich einen Kaffee geholt. Auf Beingrübls Konto gab es keine Auffälligkeiten. Die monatliche Rente, regelmäßige kleine Einzahlungen aufs Sparbuch. Da ist über die Jahre ein hübsches Sümmchen zusammengekommen.«
»Gut, dann wissen wir das jetzt. Uns fehlen also die Stunden zwischen zwölf Uhr mittags und sechs Uhr abends am letzten Donnerstag. Und die Zeit nach seinem Wirtshausbesuch. Und uns fehlt der Grund, warum Beingrübl so spät am Abend durch dichtes Gestrüpp gelaufen ist, wobei er einen Schuh verloren hat. Auf einen Abgrund zu, den die Einheimischen ›Kleine Höll‹ nennen.«
Um zweiundzwanzig Uhr beendet Kammerlander die Besprechung. Sie haben Aussagen verglichen und analysiert, Unwichtiges ausgesiebt. Es sind Szenarien durchgespielt, Telefonate geführt und alle denkbaren Versuche unternommen worden, um Verdachtsmomente zu verifizieren. Vermutungen konnten durch keinerlei Fakten erhärtet werden. Sie haben keinen einzigen Beweis dafür gefunden, dass beim Ableben des alten Mannes etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, aber auch keine Erklärung, was er so spätabends bei der Jagdhütte gewollt hat oder wen er dort vielleicht getroffen hat. Erschöpft, mit geröteten Augen und randvoll mit Koffein, geben die Beamten auf. Es gibt nichts, was sie Kommandant Starkl vorlegen können, um eine weitere Ermittlung zu rechtfertigen.
Kammerlander ist nicht glücklich, als er nach Hause fährt. Ein unbestimmter Zweifel nagt an ihm. Der Fall ist abgeschlossen, sagt er sich immer wieder.
Aber es fühlt sich nicht so an.
Am nächsten Morgen wird der verdächtige Todesfall als ein natürlicher eingestuft.
Die Akte »Valentin Beingrübl« wird geschlossen.