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»Wann haben Sie Ihren Großvater das letzte Mal gesehen?«

Herbert Reinweber sitzt mit den Beamten am Küchentisch und lässt die Schultern hängen. Seine Augen sind gerötet, er muss schlucken, bevor er zu sprechen beginnt.

»Vorgestern. Vorgestern in der Früh. So um halb acht.«

»Und danach?«

»Bin ich zur Arbeit gefahren. Wie jeden Tag.«

»Und Sie arbeiten wo?«

»Im Kraftwerk Arnstein. Da bin ich Praktikant. Ich schau, ob alles in Ordnung ist und das Werkl läuft. Ist eh nicht viel zu tun, das meiste läuft automatisch ab. Man muss nur ein Auge auf alles haben.«

»Und danach?«

»Um vier bin ich nach Graz gefahren. Ich mach den Elektroingenieur im zweiten Bildungsweg.«

Kammerlander nickt verständnisvoll. »Das stelle ich mir sehr anstrengend vor. Neben der Arbeit.«

Der junge Mann zuckt mit den Schultern.

»Ist nicht so schlimm. Lernen kann ich im Kraftwerk. Das ist, wie gesagt, kein Stressjob. Aber wieso ist das wichtig? Den Opa macht’s nicht mehr lebendig.«

»Da haben Sie recht. Aber bevor wir nicht wissen, was die Todesursache war, wird das Ableben Ihres Großvaters als unklarer Todesfall eingestuft. Da kann unter Umständen alles wichtig sein.«

Herbert Reinweber nickt resigniert.

»Wann sind Sie denn vorgestern heimgekommen?«, fragt Ratzinger mit gezücktem Stift und Notizbuch.

»So um halb zehn. Ich hab gesehn, dass alles dunkel gewesen ist, aber ich hab mir nichts gedacht dabei. Mein Opa ist öfter mal länger unterwegs gewesen. Um halb elf hab ich mich hingehauen, ich hab in der Früh ja wieder rausmüssen.«

»Und in der Früh ist Ihr Großvater immer noch nicht da gewesen. Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen?«

»Ja, freilich. Aber was hätt ich machen sollen? Als Erstes hab ich gesehen, dass sein Bett unberührt war. Dann hab ich in die Scheune geschaut. Da hab ich bemerkt, dass Opas Wagen nicht da ist. Ich hab herumtelefoniert, wo ich mir gedacht hab, dass er sein könnt. Aber außer, dass er vorgestern beim ›Lärchenwirt‹ ein Bier trinken war, hab ich nichts rausbekommen.«

»Wissen Sie, wann das gewesen ist?«

»Der Wirt hat gesagt, so um sechs.«

»Und dann sind Sie wieder zur Arbeit gefahren?«

»Ja sicher. Was hätt ich denn sonst tun sollen? Ich bin gestern Nachmittag schon früher heimgekommen, weil am Freitag hab ich keinen Kurs. Ich hab gesehen, dass der Opa immer noch nicht da ist, und hab wieder herumtelefoniert. Dann bin ich zur Polizei nach Edelschrott gefahren und hab den Opa vermisst gemeldet.«

Kammerlander nickt.

»Die Edelschrotter Kollegen haben Ihre Anzeige an die Bezirksdienststelle weitergeleitet. So ist sie bei uns gelandet. Herr Reinweber, haben Sie eine Ahnung, was Ihr Großvater in diesem Wald in Modriach gewollt hat?«

»Das hab ich mich natürlich auch gefragt. Aber ich hab keine Ahnung.«

Kammerlander fällt auf, dass der junge Mann bei der letzten Antwort unsicher wirkt. Aber er dringt nicht weiter in ihn. Manchmal muss man den Menschen Zeit lassen, sich zu sortieren.

»Äh, eine Frage noch«, bringt sich Ratzinger wieder ins Spiel. »Ist Ihr Großvater …? Ich meine, war die Fahrtüchtigkeit noch gegeben?«

»Ja, bestimmt. Er hat noch gute Augen gehabt, eine leichte Lesebrille beim Zeitunglesen natürlich, aber sonst …«

»Und … ist er manchmal losgefahren …? Ich sag es einmal direkt: Haben Sie bei ihm Orientierungsprobleme bemerkt? Dass er zum Beispiel vergessen hat, warum er irgendwohin gefahren ist?«

Reinweber zieht scharf die Luft ein.

»Wenn Sie wissen wollen, ob mein Opa senil war, das können Sie vergessen. Der ist noch hundertprozentig beisammen gewesen. Außerdem hat er ja keinen Autounfall gehabt.«

»Das ist richtig«, beschwichtigt Kammerlander. »Ist Ihr Großvater oft mit dem Wagen unterwegs gewesen?«

»Ja, schon. Immer, wenn er was hat einkaufen wollen oder eine Auslief… äh, den Leuten Obst verkauft hat, ist er mit dem Auto gefahren. Wir wohnen ja weitab vom Schuss, da geht ohne Auto nichts.«

Das leuchtet Kammerlander ein. Sie selbst haben drei Mal nach dem Weg fragen müssen, bis sie hergefunden haben.

»Kann ich … den Großvater sehen?«

»Im Moment nicht. Er ist in der Gerichtsmedizin. Wir müssen klären, was die Todesursache war.«

»Wann …« Reinweber stockt und senkt den Blick. Er bringt den Satz nicht zu Ende.

»Sobald der Leichnam freigegeben ist, werden wir Sie verständigen.«

Kammerlander hat den Eindruck, dass die Erschütterung des jungen Mannes echt ist.

Tod im Schilcherland

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