Читать книгу Tod im Schilcherland - Isabella Trummer - Страница 18
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Оглавление»Hier ist der Wagen vom Beingrübl g’standen.« Revierförster Peter Brunner steht mit Kammerlander an der Weggabelung und zeigt auf die Stelle im Wald. »Er muss um den Schranken herumgegangen sein und den rechten Weg genommen haben. Ist die einzige Möglichkeit, da hinaufzukommen.«
»Wohin führt dieser Weg?«
»Zu einer Jagdhütte. Sonst ist da nichts.«
»Dann nehmen wir denselben Weg.«
Als sie oben aus dem Wald treten, ist Kammerlander außer Puste. Brunner ist nichts anzumerken.
»Da vorn endet der Weg, sehen Sie. Bei der Hütte.«
»Wer benutzt die Jagdhütte?«
»Der Wolfshuber hat sie gepachtet. Zusammen mit dem Revier.«
»Der Landtagsabgeordnete?«
»Genau der.«
Kammerlander deutet auf den Grasstreifen neben dem Weg.
»Sieht aus wie Reifenspuren.«
»Bestimmt von Wolfshubers Geländewagen. Er hat einen Schlüssel für den Schranken.«
Kammerlanders Atem hat sich wieder beruhigt. Sie gehen um ein Grünerlengebüsch zur Vorderseite der Hütte.
Was für ein idyllischer Flecken Erde. Kammerlander inhaliert tief die würzige Luft, die man nur in dieser Höhe atmen kann. Ein typisch weststeirisches Haus, gebaut aus Holz und mit Schindeln gedeckt, auf einer Lichtung, umgeben von Wald. Ein Ansichtskartenmotiv. Neben dem Haus plätschert leise Wasser in einen ausgehöhlten Holzstamm, ein Schlauch als Überlauf verliert sich in einer leicht abfallenden Rinne. Die grünen Holzbalken vor den Fenstern sind geschlossen, die Hütte ist verlassen. Trotzdem drückt er die Klinke, die Tür bewegt sich nicht.
Na schön. Hätte ja sein können.
Er dreht sich zum Förster.
»Gehen wir davon aus, dass Beingrübl hier gewesen ist. In welche Richtung musste er gehen, um zum Abgrund zu kommen?«
Brunner zeigt in südliche Richtung, und die beiden machen sich auf den Weg. Sie durchqueren einen Streifen mit Sträuchern und Gebüsch, das immer undurchdringlicher wird. Kammerlander bleibt an Dornen hängen und muss sich ein paarmal losreißen. Wieso sollte sich ein alter Mann da durchquälen, noch dazu mitten in der Nacht?
»Ich möcht bloß wissen, was der Alte hier gewollt hat«, bestätigt Brunner Kammerlanders Gedanken.
Als sie den Wald erreichen, sieht Kammerlander eine schiefe Tafel, auf der »Achtung! Absturzgefahr!« steht. Das dornige Gebüsch verschwindet, dafür erschwert Unterholz aus verkümmerten Bäumchen und verdorrtem Astholz das Vorwärtskommen.
Kammerlander übersieht einen trockenen Zweig und schrammt sich die Wange auf.
»Was haben wir denn da?«
Brunner bückt sich und zieht an einem schwarzen Herrenschuh, der halb verborgen unter einer Wurzel liegt.
»Sieht aus, als sind wir auf der richtigen Spur. Den nehmen wir auf dem Rückweg mit. Jetzt müssen S’ ein bissl vorsichtig sein. Es geht nach unten, auf den Abgrund zu. Ist nicht das erste Mal, dass hier jemand abgestürzt ist.«
Tatsächlich fällt der Boden ab; Kammerlander nimmt einen Felsen an der Seite wahr, während er sich bei jedem Schritt an Zweigen festhält.
»Halt!«
Brunner hebt warnend die Hand.
»Gleich da vorn ist’s aus.«
Vorsichtig macht Kammerlander noch einen Schritt. Er reckt den Kopf nach vorn, und ihm wird schwindlig. So etwas hält er immer schwerer aus. Höhenangst hat er früher nicht gekannt. Aber in den letzten Jahren …
»Das müsst die Stelle sein, wo der Beingrübl abgestürzt ist. Im Volksmund heißt der Abgrund ›Kleine Höll‹. Direkt darunter hab ich ihn gefunden.«
Nachdem Kammerlander sich von Brunner verabschiedet hat, ruft er Ratzinger an.
»Wie weit bist du mit Beingrübls Hintergrund?«
»Damit bin ich durch, so wie es aussieht. Früher hat er neben seiner Landwirtschaft noch einen Job als Lkw-Fahrer gehabt. Er war verheiratet, eine Tochter, die Frau ist früh gestorben. Tochter und Schwiegersohn haben in desolaten Verhältnissen gelebt, beide Trinker, sie sind ebenfalls verstorben. Beingrübl hatte zwei Enkelkinder, das Mädchen lebt auch nicht mehr, sein Enkel Herbert ist als Einziger von der Familie übrig geblieben. Er hat ihn vor ein paar Jahren bei sich aufgenommen.«
»Keine schöne Familiengeschichte.«
»Wirklich nicht. Und jetzt?«
»Sei so gut und frag nach, ob unserem Toten ein Schuh gefehlt hat. Wir haben in der Nähe der Absturzstelle einen Herrenschuh gefunden. Schwarz, Größe zweiundvierzig.«
»Wird gemacht.«
»Gut, ich bin auf dem Weg zum Beingrüblhof. Lass dich von einer Streife hinfahren, ich warte dort auf dich.«