Читать книгу Tod im Schilcherland - Isabella Trummer - Страница 16
9
ОглавлениеDie Beamten steigen aus dem Wagen. Was für ein herrlicher Tag. Beide strecken wie Synchronturner die Arme aus und dehnen den Rücken durch.
»Man sollte viel öfter rauskommen«, seufzt Kammerlander. »Die Luft hier heroben ist schon anders als im Tal.«
»Gute Luft, ja. Aber wohnen möchte ich nicht so abgelegen.«
»Stadtpflanze.«
Kammerlander sieht sich um. Kirche, Gemeindeamt, Gasthaus, Volksschule, Kaufhaus, Feuerwehr. Hübsche Häuser rundherum. Sogar ein Tennisplatz am Ortsrand. Und ein wunderbarer Ausblick auf die Umgebung.
»Wollen wir? Hier kriegst du sicher einen besseren Kaffee als bei uns im Büro.«
Sie sind übereingekommen, als letzten Tagesordnungspunkt noch beim »Lärchenwirt« in Sankt Martin nachzufragen. Dann werden sie sich ins wohlverdiente Wochenende zurückziehen. Da man beim alten Beingrübl wohl nicht auf ein Gewaltverbrechen schließen muss, werden sie von der Gerichtsmedizin vor Mitte nächster Woche nichts hören. Wahrscheinlich war es ohnehin ein Schlaganfall oder Herzinfarkt, wie Ratzinger vermutet. Aber der Vollständigkeit halber wollen sie noch dem Hinweis von Beingrübls Enkel nachgehen. Dann ist die Sache rund, und nach Bekanntgabe der Todesursache können sie den Fall nächste Woche zu den Akten legen.
Der Gastraum ist nur spärlich besetzt. Zwei alte Männer sitzen sich gegenüber und spielen Karten. Der Briefträger trinkt gerade sein Bier aus, schnappt sich eine große Tasche und ist mit einem »So, weiter geht’s!« auch schon aus der Tür. Am Ecktisch sitzt eine Frau in einer abgetragenen Mantelschürze, vor sich einen Häferlkaffee. Ihr Alter ist schwer zu schätzen, sie kann sechzig oder neunzig sein. Der Wirt stützt die Unterarme auf die Theke und liest Zeitung. Die Stille im Gastraum nimmt Kammerlander dankbar zur Kenntnis. Kein Gedudel von Hintergrundmusik. Die Beamten stellen sich an die Schank.
»Die Herren wünschen?« Der Wirt schaut nicht einmal von der Zeitung hoch.
»Zwei Cappuccino, wenn’s nicht zu viel Mühe macht.«
»Das werden wir noch hinkriegen.«
Der Wirt schlurft zur Kaffeemaschine und erweckt das Gerät zum Leben. Gleichzeitig kommt ein neuer Gast zur Tür herein. Etwa vierzig, schätzt Kammerlander. Hemd und Krawatte, die Haare gut geschnitten.
»Mir kannst auch gleich einen Kaffee machen«, sagt er. »In fünfzehn Minuten beginnt die Sitzung.«
Er stellt sich mit einem »Guten Tag, allerseits!« neben die Beamten an den Tresen.
Als alle drei ihre dampfenden Tassen vor sich haben, fängt Kammerlander den Blick des Wirtes ein.
»Auf ein Wort, Herr Windisch.«
Er zückt seinen Dienstausweis und stellt sich und Ratzinger vor.
Die Kartenspieler legen ihre Karten auf den Tisch und schauen interessiert zu ihnen herüber.
»Wir sind wegen Valentin Beingrübl hier …«
»Ja, den ham s’ heut in der Früh g’funden.«
»Ach, das wissen Sie bereits?«
»Ist ein kleines Dorf. Der Revierförster hat heut schon bei mir reing’schaut.«
»Ja dann.« Kammerlander lächelt verbindlich.
Der Krawattenträger wendet sich überrascht den Beamten zu. »Was? Der Beingrübl ist tot?«
»Und Sie sind?«, fragt Ratzinger, der sich bisher hingebungsvoll mit seinem Cappuccino befasst hat.
»Äh, ich? Mein Name ist Marcel Huber. Ich bin hier der Gemeindesekretär. Stimmt das? Der Beingrübl ist tot?«
»So ist es, Herr Huber. Kannten Sie ihn näher?«
»Nein, nein, eben so, wie man jemanden kennt, der im Gemeindesprengel wohnt … Ich muss dann auch wieder.«
Huber legt ein paar Münzen auf die Theke, winkt in die Runde und eilt hinaus.
Kammerlander dreht sich wieder zum Wirt.
»Wir sind hier, weil wir gehört haben, dass Herr Beingrübl am Donnerstag noch in Ihrem Gasthaus gewesen sein soll. Können Sie das bestätigen?«
»Ja, freilich. Genau da, wo Sie jetzt stehen, hat er sein Viertel Schilcher getrunken.«
»Wann war das ungefähr?«
»Mei, so sechse wirds g’wesen sein.«
»Hat er gesagt, was er im Anschluss noch vorhat?«
»Na, kein Wort.«
»Wann ist er denn wieder gegangen?«
»Des weiß ich net genau. Ich bin um halb achte ausm Keller kommen, da ist er schon weg g’wesen.«
»Können Sie sich vorstellen, was er spät am Abend im Modriacher Wald gewollt hat?«
»Na, wirklich net.«
Kammerlander dreht sich zu den Gästen um.
»Hat jemand von Ihnen den Herrn Beingrübl am Donnerstag nach halb acht noch gesehen?«
Alle schütteln den Kopf.
»Vielen Dank. Das war es auch schon.«
Als sie wieder im Wagen sitzen, lehnt sich Ratzinger entspannt nach hinten.
»Das hätten wir jetzt auch. Soll uns keiner nachsagen, wir würden nicht jedem Hinweis nachgehen. Und jetzt? Wochenende?«
»Wochenende.«