Читать книгу Tod im Schilcherland - Isabella Trummer - Страница 10
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ОглавлениеDer Doppelhofer hat heut net gut ausgesehen, denkt Beingrübl, als er aus dem Haus des Arztes kommt und in seinen alten Lieferwagen steigt. Ob er krank ist? Oder gestern bloß zu tief ins Glas geschaut hat? Wohl eher Letzteres. Aber er will nix sagen, der Arzt ist einer seiner verlässlichsten Kunden. Da wär er schön blöd, wenn er Gerüchte in die Welt setzt und die Kundschaft vergrault. Außerdem: Der Jüngste ist der Dorfarzt halt auch nimmer. Wär an der Zeit, dass er einen Neuen einarbeitet, der dann seine Praxis übernimmt. Aber welcher junge Arzt geht heute schon aufs Land? Es dürfte ruhig auch eine junge Ärztin sein. Kein Problem. Da würde man auch wieder gern zum Doktor gehen.
Kurze Zeit später sieht Beingrübl den »Lärchenwirt« vor sich und fährt zur Rückseite des Gasthauses. Er nimmt lieber den Lieferanteneingang, der ist von der Straße aus nicht einzusehen. Seine gut eingespielte Ab-Hof-Lieferung geht schließlich nur ihn und den Sepp was an.
In der Küche herrscht geschäftiges Treiben, aus Töpfen quillt Dampf, in diversen Pfannen brutzelt es leise. Die Wirtin hat alles im Blick und scheucht die Küchenhilfe zu den Salat- und Gemüseschüsseln. Sie nickt dem Beingrübl kurz zu, der mit einem Hofer-Plastiksack in der Tür steht.
»Sepp!«, ruft sie durch das Futterloch in den Gastraum. »Kannst einmal kommen?«
Der Wirt erscheint und winkt Beingrübl nach hinten. Wortlos gehen sie in den Keller, und nach einigen Minuten hört man sie die alten Steinstufen wieder heraufstapfen. Jetzt hat der Beingrübl keinen Plastiksack mehr in der Hand.
»Willst was essen? Es gibt heut Wildgulasch.«
Der Wirt bemerkt erst jetzt das weiße Hemd und den Sonntagsjanker seines Lieferanten. Das Geschäft geht eben vor, erst danach kommt das Private.
»Oder bist wo eing’laden?«, setzt er nach. »So wie du dich herausgeputzt hast.«
»Wer soll mich schon einladen? Ich hab halt an Termin in der Stadt. Da kann ich ja schlecht mit dem Arbeitsg’wand gehen.«
»Aber auf ein Bier bleibst doch noch?«
Der Beingrübl schüttelt den Kopf. »Bin schon spät dran. Ich schau vielleicht auf dem Rückweg noch einmal herein.«
»Na, dann bis später«, sagt der Wirt, der dem Beingrübl gern auf den Zahn gefühlt hätte, was er denn im Sonntagsstaat in der Stadt zu tun hat. Macht nix. Früher oder später landet eh jede Neuigkeit bei ihm am Tresen. Das ist ein dörfliches Grundgesetz.
Beingrübl nickt dem Wirt zum Abschied zu, ohne sich noch etwas aus der Nase ziehen zu lassen. Nein, nein, denkt er, ist schon besser so. Wer weiß, ob es bei einem Bier bleibt. Und heut braucht er einen klaren Kopf.
Jetzt hat er nur noch eine Flasche in seinem Korb. Sie ist für die alte Weber Rosl bestimmt. Die trinkt auch gern einmal einen Schnaps, »wenn’s fette Essen so druckt«, aber den größten Teil verwendet sie für die Herstellung von Einreibungen. Sie weiß noch um die heilkräftige Wirkung diverser Pflanzen und Kräuter, und bei kleineren Beschwerden fragen die Leute lieber die Rosl, als zum Arzt zu gehen. Zumindest die alten Leute.
Als auch dieses Geschäft abgeschlossen ist, bleibt er noch auf ein Schwätzchen. Viele im Dorf halten die Rosl für schrullig oder spinnert, aber er weiß es besser. Ihr macht so leicht keiner was vor, sie zählt eins und eins zusammen und hat längst keine Illusionen mehr, was Anstand und Ehrbarkeit der Dörfler betrifft.
Inzwischen ist es halb zwölf geworden, und er muss sich beeilen, damit er nicht erst nach Geschäftsschluss die Stadt erreicht. Er fährt die Sankt-Martiner-Straße hinunter, ein Stück den Gößnitzgraben entlang und über Kowald nach Voitsberg. Er muss ein bisschen suchen, bis er einen Parkplatz gefunden hat. Als er mit seiner abgewetzten Aktentasche vor der Sparkasse steht, hat er noch zehn Minuten. Das reicht.
Zurück auf der Straße empfängt ihn das Glockenspiel des Rathauses. Es ist also Mittag, da wär es schon ganz gut, was zu essen. In ein Gasthaus geht er nicht, viel zu teuer. Man muss den Städtern das Geld ja net eimerweise zur Tür hineinschütten. Vielleicht findet er ja einen Würstelstand, diese Ausgabe will er sich schon leisten. Parallel zur Durchgangsstraße geht er die Gassen hinauf und hinunter, aber alles, was er in seiner Preisklasse findet, ist eine Bude mit Straßenverkauf, auf der groß »Döner« steht. Er kennt das Wort von seinem Enkel, der das Zeug gern mag. Bis heut hat Beingrübl mit dem ausländischen Glump nix am Hut gehabt. Aber der Preis passt. Ob er es probieren soll?
Er sieht einen zylinderförmigen Fleischturm, der sich dreht. Wie soll das gehen? Ein junger Mann türkischer Abstammung fragt ihn nach seinen Wünschen. Zögerlich zeigt er auf den Turm.
»Ein Mal? Mit Soße? Mild? Scharf?«
Was nun? Am besten wird sein, sich auf nix einzulassen.
»Mild«, murmelt er.
Der junge Mann grinst und nimmt ein großes Messer. Wenigstens kein Krummsäbel, denkt Beingrübl und beobachtet misstrauisch, wie der Mann Fleischränder seitlich vom Turm abschabt, die er in ein Fladenbrot fallen lässt. Dann klatscht er einen Löffel voll heller Soße drauf und schlägt den Fladen zusammen. Das Ganze wird ihm auf einem Papierteller mit ein bisschen Salat und einer Plastikgabel hingeschoben.
Beingrübl klemmt sich die Aktentasche unter den Arm, zahlt und nimmt den Papierteller vorsichtig mit beiden Händen, was wieder mit einem Grinsen quittiert wird. Frecher Türkenbengel!
Aber riechen tut es schon gut.