Читать книгу Tod im Schilcherland - Isabella Trummer - Страница 9
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ОглавлениеRasch zieht er sich die blaue Drillichhose über und schlüpft in die Holzpantoffeln. Er muss, bevor er fährt, noch im Stall das Vieh versorgen, er weiß schließlich nicht, wie lange er wegbleiben wird. Viel hat er eh nicht mehr, bloß noch ein paar Hühner, drei Hasen und Jaqueline, die Mutterkuh mit ihrem Kalb. Er hat einmal mit seinem Enkel einen Disput gehabt über die neumodischen ausländischen Namen, mit denen jeder seinen Nachwuchs straft. »Können die Leut den Kindern denn nicht Namen geben, die zum jeweiligen Land passen?«, hat er gefragt. Bertl hat ihn hinterwäldlerisch genannt, woraufhin Beingrübl die neu erworbene Kuh »Jaqueline« getauft hat. Auf den verwunderten Blick seines Enkels hat er gemeint, »Jessica« habe ihm auch gut gefallen, er habe lange geschwankt. Man wolle ja schließlich keine hinterwäldlerische Kuh im Stall haben. Da ist der Bertl in schallendes Gelächter ausgebrochen und hat gesagt: »Botschaft angekommen. Auf die Milch wirds keine Auswirkung haben.« Jaja, manchmal muss man den Jungen halt zeigen, dass man noch kein alter Depp ist.
Vom Stall geht es in den Schuppen. Er drückt sich an seinem alten Kleintransporter vorbei und nimmt einen Korb vom Regal. In die hintere Wand ist eine Tür eingelassen, die in einen zweiten Raum führt. Wer es nicht weiß, dem fällt die Tür gar nicht auf, dafür hat er mit Kästen und Regalen gesorgt. Dieses Gelass nennt er seinen Hobbyraum. Er wählt den passenden Schlüssel am Ring und sperrt auf. Dann geht er vorbei an der kupfernen Brennanlage und allerlei Zubehör und atmet zufrieden den Dunst ein, der sich über die Jahre in den Wänden eingenistet hat, egal, ob er gerade Schnaps brennt oder nicht. Er greift in eine Schachtel, und fünf Flaschen Selbstgebrannter wandern in den Korb.
Er macht eine kurze Bestandsaufnahme. Bis zum Hochsommer wird es noch reichen. Dann ist das neue Obst wieder genau richtig, um in eine schmackhaftere Form umgewandelt zu werden. Sein Zwetschgerner ist legendär, da ist er nicht wenig stolz drauf. In den letzten Jahren allerdings hat sich der Geschmack der Abnehmer etwas gewandelt, Birnen- und Marillenschnaps sind angesagt. Beingrübl hat in seinem Obstgarten aber wesentlich mehr Zwetschgen- als Birn- oder Marillenbäume. Doch um eine Lösung ist er nicht verlegen: In den Zwetschgenschnaps wird einfach ein Teil Birnenschnaps gefüllt, und fertig ist der Williams. Da darf man sich nix scheißen. Etikett kommt eh keines drauf. Und dann kann ihm keiner was.
Der Dorfwirt, einer seiner größten Kunden, vollzieht dann im Keller die Wandlung. Wie der Pfarrer bei der Sonntagsmesse. Er füllt den Schnaps in die leeren Markenflaschen mit Etikett … Nehmet und trinket alle daraus. Und? Hat’s bisher jemandem geschadet? Der Wirt verdient, und er verdient. Bertl hat das einmal grinsend eine Win-win-Situation genannt, was Beingrübl nicht spaßig, sondern lebenspraktisch findet. Eine spezielle Form der Ab-Hof-Vermarktung, wenn man so will.
Mit so Kleinigkeiten wie Anmeldung und Genehmigung hat er sich nie aufgehalten. Was er auf seinem Grund und Boden macht, geht keinen was an. Schon gar nicht die Behörden. Die wollen nur abkassieren, sonst nix. Er zahlt ja auch keine Steuern für seine Bohnen. Oder für den Salat. Na also.
Wieder im Haus, beginnt er mit dem Aufräumen. Lass die Küche nie unaufgeräumt, hat seine Resi immer gesagt, man weiß nie, ob nicht doch Besuch kommt. Daran hat er sich bis heut gehalten. Nachdem er das Geschirr gespült hat, geht er ins Bad. Heute muss die Morgentoilette etwas umfangreicher ausfallen als sonst. Als er aus der Dusche kommt (Bertl hat darauf bestanden, dass so ein Ding eingebaut wird. Du wirst auch nicht jünger, hat er gesagt, und kannst vielleicht bald nicht mehr in die Wanne steigen, was Beingrübl mit einem unwirschen Grunzen quittiert hat), reibt er sich mit seinem kratzigen Handtuch trocken. Darauf hat er bestanden: Seine Handtücher werden nicht weich gespült. Er will was spüren, wenn er ein Handtuch benutzt, nicht wie die Weicheier heutzutage, die sich am liebsten trocken streicheln.
Er stellt sich vor den Spiegel und betrachtet seine faltige Gesichtshaut, auf der ein weißgrauer Dreitagebart wuchert. Alt ist er geworden, da hilft kein Schönreden, aber im Hirnkastl fehlt noch nix, denkt er. Das werden einige noch zu spüren bekommen, die meinen, sie könnten ihn über den Tisch ziehen. Er zwinkert seinem Spiegelbild zu, und seine Augen funkeln kampfeslustig.
Bertls Elektrorasierer mit Verachtung strafend, greift er zu seinem Rasierpinsel und schäumt ihn ein. Neumodisches Glump, kein Elektrischer rasiert so sauber wie eine Klinge, da können die Leut sagen, was sie wollen. Sein Gesicht verschwindet allmählich unter einer Schicht weißen Schaums, bis er aussieht wie ein Weihnachtsmann, dem man Watte ins Gesicht gepickt hat. Vorsichtig setzt er die Klinge an und beginnt mit der Rasur. Er zieht die Haut in alle Richtungen, damit er in jeder Falte die störenden Barthaare erwischt, und schneidet dabei allerlei Grimassen. Als er fertig ist, wischt er sich die Schaumreste ab und atmet tief durch. Ja, so ist man präsentabel, wenn man unter Leute geht.
Und was Wichtiges vorhat.