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Wütend schmeißt Ferdinand Wolfshuber den Telefonhörer auf die Gabel. Sofort bedauert er seinen Wutausbruch. Normalerweise geht er mit diesem Apparat pfleglich um, hat er ihn doch für teures Geld ersteigert. Ein Schmuckstück aus edlem Holz und Elfenbein, noch mit einer richtigen Wählscheibe. Besorgt untersucht er das Telefon auf etwaige Kratzspuren, aber es hat die rüde Behandlung unbeschadet überstanden.

Sein Blick fällt auf den aufgeschlagenen Ordner auf seinem Schreibtisch. Sofort ist die Wut wieder da. Wieso geht der Kerl nicht ans Telefon? Er weiß doch, was morgen auf dem Programm steht. Sie haben noch einiges vorzubereiten.

Er hat mit Roman eigentlich schon beim »Lärchenwirt« gerechnet, aber da ist er nicht aufgetaucht. Na ja, er ist bestimmt verschwitzt gewesen und hat sich duschen wollen. Vielleicht hat er nach der Radtour mit Sarah etwas unternommen, es ist ja schließlich Sonntag. Bei diesem Mädel muss er am Ball bleiben, da darf nichts schiefgehen. Sie ist eine der besten Partien im Bezirk, und ausgetobt hat er sich ja nun wirklich zur Genüge. Vielleicht bekommt er noch in diesem Jahr eine Verlobung hin?

Aber wenn er geduscht und eine Verabredung mit Sarah gehabt hat, wieso steht dann sein Wagen noch im Carport? Und seine Frau hat gesagt, sie hätte den Roman seit dem Frühstück nicht mehr gesehen.

Als er sich um sechs noch nicht gemeldet hat, ist Wolfshuber doch unruhig geworden. Und mit jeder Stunde, die verstrichen ist, wütender. Jetzt ist es schon halb zehn Uhr nachts, und er kann den Jungen einfach nicht erreichen.

Seine Wut verraucht allmählich, und Besorgnis macht sich breit. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Was, wenn er gestürzt ist? Was, wenn er hilflos irgendwo liegt und auf Rettung wartet? Aber er hat ja immer sein Handy dabei. Aber … vielleicht ist er nicht in der Lage zu telefonieren? Weil er verletzt oder ohnmächtig ist?

Am besten wird sein, er ruft im Krankenhaus an. Roman hat bestimmt keine Papiere dabei. Falls er nicht sprechen kann, weiß auch niemand seinen Namen. Ein unbekannter Patient.

Falls es denn so ist.

Das Gespräch ist kurz. Nein, heute hat es außer einem Bandscheibenvorfall keinen Neuzugang gegeben. Und das ist eine fünfzigjährige Frau gewesen. Er bedankt sich und legt den Hörer diesmal behutsam auf.

»Ferdl!«

Er schlägt die Augen zum Himmel. Was will seine Frau denn schon wieder? Da steht sie auch schon in der Tür, ein Nachtgespenst im rosaroten Hemd. Die Haare unordentlich, die Füße in Pantoffeln.

»Was willst?«, fährt er sie grob an.

»Ich geh jetzt ins Bett. Kommst auch?«

»Später. Hab noch zu tun …«, brummt er.

»Dann gute Nacht.«

Er sieht ihr nach, registriert wieder einmal ihre unförmige Gestalt, ihren schleppenden Gang. Ihre schwabbelige, faltige, alte Haut. Sie hat ihn in allem enttäuscht. Die Figur vernachlässigt, im Bett sterbenslangweilig und ihr gemeinsames Kind ein Fehlschlag. Na ja, inzwischen hat sich das von selbst erledigt. Danach hat er seine Frau nie wieder angerührt.

Er steht vor dem Spiegel neben dem Bücherschrank. Prüfend dreht er sich zur Seite. Für sein Alter hat er sich recht gut gehalten. Groß gewachsen ist er ja nicht, aber er hat eine aufrechte Haltung, und sein Bauchansatz lässt sich unter einer Jacke ganz passabel kaschieren. Die Glatze, von einem grauen Haarkranz umgeben, stört ihn schon lang nicht mehr. Wer hat heutzutage noch volle Haare? Selbst junge Männer tragen Glatze. Mitunter eine Vollglatze.

Er denkt an die attraktive Maria. Sie hat ihm einen gesunden Buben geboren, den er nach ihrem Tod bei sich aufgenommen hat. Die Maria hätte sich nicht so gehen lassen. Nicht zum ersten Mal findet er, dass der Krebs die Falsche erwischt hat.

Seine Frau ist nicht begeistert gewesen, als sie von seinem Seitensprung erfahren hat. Und von dem »ledigen Kind« schon gar nicht. Zwischen ihr und dem »Bankert« hat immer eine unausgesprochene Feindseligkeit geherrscht. Wohingegen seine Beziehung zu dem Jungen mit den Jahren enger geworden ist. In vielem hat er sich selbst als junger Mann wiedererkannt. Seine Frau hat das Beste aus der Situation gemacht und nach einigen Monaten die Anwesenheit des Stiefsohnes nicht mehr in Frage gestellt.

Was ihm jetzt auch nicht weiterhilft. Wo treibt sich der Bub bloß herum? Wenn er irgendwo versackt ist, kann er was erleben. So viel steht fest.

Das Telefon klingelt. Na endlich. Doch es ist Sarah, die sich erbost erkundigt, wieso der Roman sie nicht abgeholt hat. Sie hätten ins Kino gehen wollen. Er tischt ihr eine Ausrede auf und beendet das Gespräch so rasch wie möglich.

Dann ruft er alle Leute an, von denen er sich vorstellen kann, dass sie über Romans Verbleib Bescheid wissen. Dass es schon fast elf Uhr ist, ist ihm egal. Doch er muss einen nach dem anderen von der Liste streichen, keiner hat Roman heute irgendwo gesehen. Nach zwanzig Minuten ist er mit seinem Latein am Ende. Das kann doch alles nicht wahr sein.

Er nimmt das Telefonbuch aus der Schreibtischlade und sucht die Nummer der Edelschrotter Polizei heraus. Im nachfolgenden Gespräch muss er an sich halten, um nicht ausfällig zu werden. Das ist doch ganz normal, dass ein junger Mann einmal nicht zu erreichen ist. Es ist Frühling, und die Hormone schlagen aus … Morgen ist er bestimmt wieder da, wahrscheinlich um eine Erfahrung reicher, um die man ihn beneiden würde … Und außerdem ist es viel zu früh für eine Vermisstenanzeige.

Dieser Trottel.

Wenn Roman etwas passiert ist, wird er diesem faulen Hund den Arsch aufreißen.

Tod im Schilcherland

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