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9 – Im Reich der Zwerge

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In der folgenden Woche besuchte Mirabella tatsächlich offiziell mit Baldur Schwarzalbenheim, Ragnar begleitete sie auf Geheiß von Odin. Gemeinsam betraten sie die Welt der Zwerge über das Portal in Walhall und landeten ähnlich wie über das Portal von Folkwang in einem unterirdischen leicht beleuchteten Gangsystem. Sie sah sich neugierig um und entdeckte zwei Zwerge mit Felspickeln, Stirnlampen und Eimern, die den Gang entlangliefen und an der Kreuzung abbogen.

„Wo gehen wir hin?“, fragte sie Baldur, als er schnellen Schrittes in die andere Richtung marschierte.

„Wir besuchen die Zwergenkönige. Es gibt ihrer drei und man muss immer allen dreien seine Reverenz erweisen, damit sich keiner benachteiligt fühlt.“

Nach mehreren Weggabelungen, der Weg führte kontinuierlich leicht bergauf, kamen sie an die Erdoberfläche. Mirabella hatte helles Tageslicht erwartet, stattdessen trübten Nebelschwaden und Wolken die Sicht, sumpfiger Morast umgab den Höhlenausgang.

„Wir müssen warten, bis wir abgeholt werden“, erklärte Baldur.

„Cosy…“, sagte sie augenzwinkernd zu Ragnar, der leicht grinste.

„Und das war die Welt der Titanen?“

Baldur nickte. „Allerdings verdunkelte sich die Sonne erst nach ihrer Auslöschung.“

Sie wurde schlagartig ernst. „Und es ist wirklich niemand übriggeblieben?“

„Von den Ur-Titanen nur die beiden Flüsse in der Unterwelt. Nachfahren, vermischt mit anderen Spezies durchaus.“

„Triton ist ein halber Titane“, überlegte Mirabella laut.

„Schwerer Wasserstoff?“, fragte ihr Bruder stirnrunzelnd.

Sie lachte erstaunt. „Nee, aber man hat auch einen Mond vom Planeten Neptun nach ihm benannt. Triton ist Neptuns Sohn, seine Mutter war eine Titanin.“

„Er ist der König der Meermenschen“, fügte Baldur hinzu.

„Ist Delphines Freund nicht einer von denen?“, fiel Ragnar auf und seine Schwester nickte bestätigend.

„Sinnt Neptun immer noch auf Rache?“, fragte Baldur plötzlich sehr ernst.

„Ich weiß es nicht“, gab sie zu. Sie sah zu Ragnar, beide wussten, dass Neptun nach der Statue suchen ließ.

„Obwohl ihm Fand nicht schlecht zu gefallen scheint…“, warf Baldur ein, während er die Mienen der Jugendlichen studierte.

Mirabella sah auf. „Dann habe ich mir das nicht eingebildet?“

„Sie war einst mit einem lokalen Meeresgott vereint, der jedoch wie viele der alten Götter verschwunden ist. Seither buhlen Njörd und Neptun um sie, sehr verhalten, aber eindeutig.“

„Und wem gibt sie den Vorzug?“

„Keinem offiziell, in ihrer Lage darf sie sich für keine Seite entscheiden.“

„Dabei ist Njörd gar kein Ase sondern Wane“, warf Ragnar ein.

„Das ist für den Süden alles das gleiche“, erklärte Baldur. „Oder nicht?“ Sein Blick fiel auf die Vestalin, die belustigt nickte.

„Gibt es niemanden unter den Göttern für dich, Baldur?“, fragte sie neugierig und errötete sogleich über ihren Wagemut, Baldur etwas so Persönliches zu fragen.

„Für mich?“, fragte er verwundert.

„Naja, du bist schon so lange allein und bist wirklich der Beste von allen. Du hättest Fand am ehesten verdient.“

Er lächelte ob des Kompliments. „Wir würden wohl nicht zusammen passen“, erklärte er amüsiert.

„Oder Freya?“

Baldur schüttelte den Kopf. „Sie ist zu… launisch, zu hitzig.“

„Hm, ist wirklich schwierig. Es fällt mir keine Göttin ein, die so perfekt ist wie du. Außer vielleicht Vesta.“

Baldur lächelte amüsiert. „Hast du vergessen, dass sie sich nicht binden will.“

Mirabella beobachtete gebannt seine Miene. „Du magst sie aber, oder?“

Der schöne Gott sah fast ertappt auf. „Wer mag sie nicht? Sie ist klug, gütig und empathisch.“

„Schön ist sie auch, auf eine dezente Weise“, ergänzte Ragnar, der schmunzelnd Mirabellas und Baldurs Konversation verfolgte.

„Die Gestalt, die sie gewählt hat, ist ansprechend, ja“, gab Baldur zu, „aber das Äußerliche ist bei uns Energiewesen wirklich nicht so wichtig, da austauschbar und frei wählbar.“

„Es entspricht aber auch etwas eurem Charakter, oder nicht?“, hakte Mirabella nach.

„Die Hauptgestalt, die wir gewählt haben, wahrscheinlich schon“, gab er zu.

„Baldur und Vesta, ihr wärt ein tolles Paar!“, beschloss das Mädchen bestimmt.

„In welcher Welt lebst du, Mirabella?“, fragte der Gott plötzlich ernst und leicht kopfschüttelnd.

„Ich hoffe, bald in einer, in der sich alle miteinander vertragen!“

Baldurs Augenbrauen stiegen nach oben. „Eine ohne Loki, Odin, Mars und Jupiter?“

„Jupiter ist nicht wie die anderen“, verteidigte sie automatisch ihren Wunschvater, „die anderen drei können gerne zur Hölle gehen!“

Mit einer schnellen Handbewegung erschuf der Gott des Lichts eine Blase. „Den Gefallen werden sie dir nicht tun…Runa…“

Mirabella fuhr herum und blickte Baldur erschrocken an. Auch Ragnar war in der Bewegung erstarrt und schaute ungläubig zu ihm.

„Du weißt auch Bescheid?“, fragte sie entsetzt. „Ich dachte, du als einziger würdest nicht mit denen unter einer Decke stecken!“ Sie klang ehrlich enttäuscht und sah Baldur so verzweifelt an, dass er mit beiden Händen nach den ihren griff. „Ich stecke nicht mit ihnen unter einer Decke, Mirabella. Das musst du mir glauben. Es ehrt mich, wie hoch du mich schätzt, du scheinst jedoch meinen Verstand ein wenig zu unterschätzen…“

Er lächelte sie aufmunternd an. „Ich mag manchmal etwas naiv sein, aber ich bin nicht dumm. Nach Lokis Ausbruch habe ich mit deinem Vater, mit Thor, gesprochen. Er hat meinen Verdacht bestätigt und mir alles gesagt. Euer“, er sah nun auch zu Ragnar, „Geheimnis ist bei mir sicher. Ich möchte euch helfen, so gut ich kann. Als ich die Wahrheit erfuhr, war ich entsetzt, was sie dir zumuten, mein Kind.“

Erleichtert lächelte die Halbgöttin. Sie hätte den Glauben an das Gute verloren, wenn Baldur mit Loki und Odin gemeinsame Sache machen würde.

„Ich bin tatsächlich froh, dass du es weißt, ich hätte dich nicht gerne angelogen.“

Ragnar räusperte sich. „Ich will ja nicht stören, aber da draußen warten ein paar Zwerge schon eine Weile...“

Baldur sah sich um. „Wir dürfen sie nicht warten lassen.“ Mit diesen Worten verließ er die Blase und die Jugendlichen folgten ihm.

Die Zwergengesandtschaft bestand aus drei langbärtigen kostbar gekleideten Zwergen. Sie verkündeten den genauen Besuchsplan, der sich komplizierter als eine Audienz beim Papst anhörte. Mirabella blickte zu Ragnar, dessen Mundwinkel auch verdächtigt zuckten. Sie musste sich sehr bemühen, den notwendigen Ernst aufzubringen. Zuerst wurde König Laurin besucht und der Tross setzte sich in Bewegung. Sie gingen durch einen anderen Gang erneut in das Höhlensystem hinein.

„War Laurin nicht der Zwergenkönig aus Südtirol, mit dem Rosengarten?“, fragte Mirabella verwundert.

Baldur nickte. „Ja, das war in der Tat ein Zwerg aus dem Süden, Dietrich von Bern hat ihn besiegt, nachdem Laurin eine Königstochter entführte. Laurin versteckte sich mit seiner Tarnkappe im Rosengarten, der ihn jedoch durch seine Bewegungen verriet. Aus Ärger verzauberte er ihn nach seiner Gefangennahme. So die Geschichte. Unser Laurin trägt nur seinen Namen.“

„Haben alle Zwerge eine Tarnkappe?“, fragte sie neugierig.

„Die Könige immer, auch manche mächtigen Zwerge“, gab Baldur zu. Sie nickte bedächtig, es konnten also noch weit mehr Tarnkappen in Umlauf sein, als die zwei, von denen sie wusste.

„Dietrich von Bern, der aus der Nibelungensage?“, fragte Ragnar nach einem Moment des Schweigens plötzlich.

Der Gott des Lichts lächelte wohlwollend. „Ja, er hat viele Heldentaten vollbracht.“

„Ein Halbgott?“

Baldur nickte.

„Ein Ase aus der Schweiz?“ Mirabella guckte ungläubig.

„Dieses Bern war eigentlich Verona und er hieß Theoderich, genannt der Große. Er wuchs in Konstantinopel auf, war ein König der Ostgoten und eroberte im Verlauf das Reich des Odoakers, Italien. Die Legenden passen nicht alle zusammen, aber er vollbrachte in der Tat vieles. Er war ein Sohn der Kelten.“

„Apropos Kelten, wir würden gerne die Kelten zu unserer Feier und unseren Treffen einladen. Kyell meinte, die Tochter von Fand wäre in unserem Alter.“

Baldur musterte sie kurz. „Eine gute Idee, ich werde mich darum kümmern.“

„Danke. Müssen wir irgendwas zu diesem Laurin wissen?“

„Er ist der mächtigste der drei momentan. Offiziell teilen sie sich zu dritt das Reich, aber Laurin dominiert die Troika.“

„Wie heißen die anderen zwei?“

„Dvalin und Vindalf.“

„Gibt es auch Frauen oder ist das hier wie bei den Schlümpfen?“, fragte Mirabella scherzhaft.

„Es gibt Zwergenfrauen“, erwiderte Baldur verständnislos, offensichtlich waren ihm die Schlümpfe kein Begriff.

„Aber keine Königinnen?“

„Nein, es gibt aber den Rat der Zwerginnen, er berät den König. Beide Geschlechter beteiligen sich am Goldschürfen und am Kämpfen.“ Er sah amüsiert zur Vestalin. „Die Gleichberechtigung hat auch hier Einzug gehalten.“

Mirabella grinste zufrieden, als sie sich eines peitsche-schwingenden Zwerges in einiger Entfernung gewahr wurde. Hinter ihm erkannte sie hochgewachsene Wesen, die mit hängenden Häuptern hinter dem Zwerg gingen. Vielmehr schleppten sie sich unter großer Anstrengung vorwärts, miteinander verbundene Fußfesseln verhinderten die Flucht des Einzelnen. Als sie näherkamen, sah das Mädchen, dass es sich um Lichtalben handelte, ausgemergelte Gestalten mit grauer Haut, die zahlreiche Verletzungen zeigte, bekleidet nur mit einer Art Leinensack, barfüßig und mit leerem Blick. Haarfarben waren bis auf die weißen der ersten Klasse alle vertreten. Mirabella war stehengeblieben, als die Gefangenenkolonne im nächsten Moment abbog und aus ihrer Sicht verschwunden war. Entsetzt sah sie zu Baldur. „Was war das?“

„Lichtalben in der Verbannung, sie werden für die Minenarbeiten hier verwendet.“

„Das ist ja grauenvoll. Hält man sie wie Sklaven?“

„Es sind Gefangene, sie erhalten genug zu essen und annehmbare Schlafstätten, aber die Alben leiden unter dem Mangel an Sonnenlicht, davon werden sie krank und schwach.“

„Und sterben?“

Baldur nickte. „Oft schon nach wenigen Wochen.“

„Das ist Mord, kann man da gar nichts machen?“

„Das ist ein Vertrag unter den Alben, er nützt sowohl den Lichtalben als auch den Schwarzalben, wir haben kein Recht, hier einzugreifen.“

„Und wer kommt alles hierher? Nur die Schwerverbrecher oder auch kleinere Vergehen, wie… mit jemandem befreundet sein, der die falsche Haarfarbe hat.“ Ihr waren sofort Lynt und Peer in den Sinn gekommen. Sie fing einen warnenden Blick von Ragnar auf.

Baldur sah sie kurz nachdenklich an. „Ich glaube, nur diejenigen, die sich eines schweren Verstoßes schuldig gemacht haben, wobei die falsche Haarfarbe zu wählen dazu gehört.“

„Auch die Weißhaarigen?“

Nun schüttelte der Gott den Kopf. „Sie kommen nicht in die Minen, sie müssen am Hofe der Könige dienen.“

„Sterben die dann auch so früh?“

„Nein, sie erhalten eine Art von Lichttherapie über Nacht.“

„Das ist ja so ungerecht!“, monierte Mirabella.

Baldur lächelte traurig. „Ich weiß, mir gefällt es auch nicht, aber ein System muss sich von innen heraus ändern, eines Tages wird es genug Lichtalben geben, die diesen Zustand nicht mehr tolerieren werden.“

„Das ist aber zu spät für…“, fast hätte sie sich verplappert, „für alle jetzt Lebenden.“

Er musterte das trotzige Mädchen erneut. Bevor er etwas sagen konnte, verkündete einer der Zwerge, dass sie nun König Laurins Empfangszimmer betreten würden. Mirabella hatte während der Diskussion um die gefangenen Alben gar nicht bemerkt, wie sich der Gang verändert hatte. Statt aus Lehm und Fels waren die Wände und der Boden nun holzgetäfelt, vor ihnen wurde eine schwere Metalltür geöffnet und gab die Sicht auf einen Thronsaal preis. Ein dunkelgrüner Läufer führte bis kurz vor den Thron. Der Saal besaß eine goldene Decke, goldene Kronleuchter und einen kleinen Springbrunnen aus glitzerndem Glas oder waren es Diamanten? Im Gänsemarsch liefen sie hinter dem Zwerg hinterher, Baldur vorne, Mirabella in der Mitte, Ragnar bildete das Schlusslicht. „Sagt nur etwas, wenn ihr gefragt werdet“, hatte der Ase noch geraunt, bevor sie den Saal betraten. Der Zwerg verbeugte sich vor dem schon grauhaarigen König so tief, dass seine große Nase fast den Boden berührte, und trat zur Seite. Laurin, ein dicker Zwerg mit einer eher kleinen Nase, dafür einer umso größeren Warze auf derselben, saß gelangweilt auf seinem goldenen Thron, in dem verschiedene Edelsteine eingearbeitet waren. Die Kleidung war erwartungsgemäß prächtig, wertvoller Schmuck zierte den gedrungenen Hals und seine kleinen dicken Finger. Seine Krone lag neben ihm auf einem kleinen Podest. Sie hätte mit den Kronjuwelen der englischen Königin konkurrieren können, war aber offensichtlich ebenso schwer und unbequem zu tragen.

Baldur holte die Jugendlichen an seine Seite und verneigte sich leicht. Mirabella war sich nicht sicher, wie tief sie sich verbeugen musste. Sie war zwar die Tochter eines Gottes, aber nur eine Halbgöttin. Sie versuchte es mit einem eleganten Knicks, scheu sah sie seitlich zu Baldur, der eine Handbewegung machte, dass der Knicks wohl noch ein wenig tiefer gehen sollte. Gehorsam sank sie tiefer und kam sich albern beim Knicksen mit Hose vor. Ragnar verbeugte sich ebenfalls tief. Gemeinsam warteten sie, bis Laurin sie ansprach, wenngleich Baldur laut Protokoll auch als erster hätte sprechen dürfen, er ließ jedoch Laurin den Vortritt. Dieser ließ sich Zeit und musterte zunächst seine Gäste.

„Willkommen, Baldur! Wen hast du heute mitgebracht?“, fragte er schließlich.

Mirabella richtete sich erleichtert auf, ihre Beine hatten schon angefangen, sich zu verkrampfen.

„Ragnar, ein Sohn von Thor, und“, Baldur zögerte kurz, „Mirabella, eine Tochter von Jupiter.“

„Jupiter? Habt ihr Frieden geschlossen?“

„Leider nicht, aber Mirabella ist zum Austausch bei uns.“

„Als Geisel?“

„Nein, zum freundschaftlichen Kennenlernen.“

„Und was soll das bringen?“

Der Gotte des Lichtes schmunzelte leicht. „Kein Gold und keine Diamanten, aber vielleicht etwas Wertvolleres: Vertrauen.“

Laurin schlug sich lachend auf die Schenkel. „Guter Witz! Odin scheint den Verstand zu verlieren! Naja, wird vielleicht Zeit, dass ihn mal einer ablöst, oder?“

Baldurs Augenbrauen stiegen leicht nach oben. „Ich glaube nicht, dass er in nächster Zeit seinen Rücktritt plant. Was gibt es Neues hier, Laurin?“

„Hm“, er winkte ab, „das Übliche, ein wenig Streitereien hier und dort. Eine Meuterei der Lichtalben. War aber schnell erledigt.“ Er lachte. „Sie traten in einen Essstreik, was den meisten von ihnen nicht gut bekam. Wir haben nun einen leichten Arbeitskräftemangel. Ist schade, da ich eine neue Goldmine erschlossen habe, aber wir erwarten diese Woche Nachschub.“

„Erhalten die Lichtalben Gold für die Gefangenen?“, fragte Mirabella gegen jedes Protokoll, wütend durch Laurins Gerede.

Der Majordomus der Zwerge neben ihr schien einer Ohnmacht nahe, Laurin sah das Mädchen so perplex an, dass Ragnar ein Grinsen unterdrücken musste. Mirabella wurde sich ihres Fauxpas bewusst und errötete nun, ein echtes Einsehen besaß sie jedoch nicht, sie fand dieses Hofprotokoll zutiefst albern.

Laurin musterte das rothaarige Mädchen kritisch. „Die Regeln im Olymp scheinen sehr bäuerlich zu sein. Sprichst du dort den König auch ungefragt an?“

„Natürlich, der König ist mein Vater“, antwortete Mirabella nun aufmüpfig.

„Selbst meine Tochter spricht mich nicht ungefragt an, schon gar nicht bei einer offiziellen Audienz.“

Sie überlegte kurz, bei einer Audienz würde sie wahrscheinlich auch warten, bis Jupiter sie ansprach. Theoretisch. Insgeheim wusste sie, dass sie auch da nicht ihren Mund halten könnte. Sie wusste aber auch, dass Jupiter darüber hinwegsehen würde.

„Verzeihung“, sagte sie nun ohne Überzeugung und konnte sich den Nachsatz nicht verkneifen, „ich bin es demokratischer gewohnt.“

Laurin zuckte leicht zusammen. „Ihr Menschen und eure Demokratie, wir Zwerge haben seit tausenden von Jahren eine Monarchie und sie funktioniert exzellent.“

Bevor Mirabella etwas erwidern konnte, ‚Für dich vielleicht‘ lag ihr schon auf den Lippen, hob Baldur seine Hand und sie schwieg tatsächlich. „So interessant diese Diskussion sein mag, wir kamen für eine kurze Audienz und wollen Euch nicht weiter belästigen, falls keine weiteren Fragen bestehen.“ Er sah dabei nur Laurin an. Dieser wandte sich an Ragnar und musterte den Jugendlichen. „Wie ich höre, bist du ein guter Kämpfer, dein Großvater ist sehr erfreut darüber.“

Der Junge nickte artig.

„Ich werde dich einladen, um ein Schmuckstück deiner Wahl zu erkämpfen. Dies hat Tradition bei uns.“

„Ich danke Euch“, entgegnete Ragnar förmlich und verneigte sich tief.

Laurin sah erneut zu Mirabella. „Du bist ein schönes Kind. Wenn du es bei den anderen beiden geschickter anstellst, schenken sie dir vielleicht sogar ein kleines Schmuckstück zum Andenken.“

Sie kochte innerlich vor Wut, sie wollte kein Blutgold geschenkt haben und hätte dem Zwerg am liebsten eine feurige Antwort ins Gesicht geschleudert, aber sie riss sich zusammen und nickte nur. Mit dem größten Widerwillen knickste sie erneut tief und ging rückwärts wie die anderen in Richtung Tür. Als sich die Tür schloss, fing Baldur das Blitzen der grünen Augen auf und lächelte unwillkürlich. „Du hast wirklich das Temperament deines Vaters…“

Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf. „Was bildet dieser Gnom sich denn ein, lässt sich wie der Sonnenkönig hofieren, diese lächerliche hässliche Gestalt! Meine Frage hat er auch nicht beantwortet.“

„Mirabella“, Baldur sprach ruhig, „ihn wegen seiner Gestalt zu verurteilen, ist unfair.“

Widerwillig nickte sie. „Du hast recht, aber ich verurteile auch viel mehr sein Verhalten!“

„Das kannst du gerne tun, Kritik hat noch nie geschadet.“

Sie sah überrascht auf. „Du schimpfst mich nicht für mein Verhalten?“

„Nein, jeder ist für sein Verhalten selbst verantwortlich und auch für die Konsequenzen. Inhaltlich stimme ich sowieso mit dir überein, dein Verhalten war nur nicht sehr diplomatisch.“

„Weil ich jetzt kein Sklavengold bekomme? Darauf verzichte ich gerne!“

„Bravo, das ist jedenfalls konsequent.“

Ragnar grinste. „Ich freue mich schon auf die anderen zwei Begegnungen!“

Mirabella und die Götterdämmerung

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