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Kapitel 10 – Neuer Tag, neue Chancen

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Es hatte lange gedauert, bis Klars einschlafen konnte. Er hatte die ganze Nacht gelauscht, ob jemand vor seinem Fenster war oder gar durch die Tür hereinkam. Erst als der Himmel bereits heller wurde, waren ihm die Augen zugefallen. Und als der Wecker klingelte, kam es ihm vor, als hätte er keine Minute geschlafen.

Nami hingegen war fit wie ein Turnschuh. Sie hatte gut geschlafen und freute sich nach einer geruhsamen Nacht auf den Zauberunterricht. Bisher war ihr noch kein Zauber gelungen, aber heute würde sie es schaffen, das wusste sie. Strahlend ging sie in Richtung Essenssaal. Auf dem Weg sah sie andere Anfänger in ihren Räumen essen. Sie nahm sich vor, am Abend in den Gemeinschaftsraum zu gehen, um neue Leute kennenzulernen. Oder vielleicht sollte sie auf dem Schulgelände spazieren, damit sie sich mit älteren Schülern austauschen konnte. Das wäre bestimmt interessant und Klars könnte ihr ein paar Jungs vorstellen. Sie war in Gedanken versunken, als Elizabeth sie von hinten erschreckte. Sie hatte Namis Augen zugehalten. Diese zuckte zusammen und drehte sich dann lachend um.

»Hatte keinen Zweifel, dass du es bist,« verkündete Nami laut. Elizabeth grinste sie an.

»Karin meinte grade eben, dass sie sich sicher ist, dass wir drei heute den Lichtzauber schaffen. Es ärgert mich, dass Marie diesen schon auf Hängelampen anwenden kann und wir anderen noch nicht mal eine Glühbirne direkt vor uns schaffen,« meinte sie dann.

Nami nickte und sagte inbrünstig: »Ich weiß, dass wir es heute schaffen.«

Mit diesen Worten in ihrem Hinterkopf konnten sie zufrieden und voller Vorfreude frühstücken.

Und schon eine Stunde später durften sie ihren Willen unter Beweis stellen. Die vier Mädchen warteten gemeinsam vor dem Klassenraum von Miss Lemonstein. Karin hing an Maries Rockzipfel und schwärmte von deren Kraft: »Ich wäre auch gern so gut wie du. Wie machst du das bloß?«

Marie reagierte kaum. Sie zuckte nur mit der Schulter. Karin ließ sich davon nicht stören und führte ihre bewundernden Ausführungen fort.

Hinter ihr kam Miss Lemonstein heranstolziert. Sie trug sehr hohe Stiefel und einen eleganten seidenen Zauberumhang. Er schmiegte sich an ihren großen Körper und glänzte weinrot. Miss Lemonstein war bisher Namis Lieblingslehrerin. Sie bewunderte sie. Wenn sie irgendwo eintrat, spürte man sofort ihre Aura, welche durch ihr Aussehen noch verstärkt wurde. Wenn Nami sich eine Hexe hätte vorstellen sollen, dann sah Miss Lemonstein genau so aus.

Miss Lemonstein erklärte zu Beginn den Schülerinnen mit lauter Stimme: »Heute ist schon unsere dritte Zauberstunde und ich zweifle nicht daran, dass ihr es alle schafft, die Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Diese Woche habe ich euch noch keine Hausaufgaben gegeben, aber ab nächster Woche erwarte ich viel von euch. Ihr werdet dieses Wochenende viel üben müssen, damit ihr dazu bereit seid. Doch noch haben wir zwei Tage Schonfrist.«

Sie lächelte die Kinder aufmunternd an und sagte: »Also, dann geht jeder wieder an seinen Platz. Marie, dir habe ich heute eine Lampe mit fünf Glühbirnen hingestellt. Mal schauen, ob du das auch schaffst.«

Sie zwinkerte und alle stellten sich an ihren Tisch. Jede von ihnen hatte einen Holztisch, auf der das zu verzaubernde Utensil stand. Wie schon die letzten Male lag bei Nami eine Glühbirne. Langsam holte sie ihren Zauberstab aus dem Jackett und behielt dabei den Blick auf der Birne. Sie wollte sich heute nicht ablenken lassen.

Sie atmete noch einmal tief durch und ging dann die einzelnen Schritte im Kopf durch. Sie wollte einen Lichtzauber erreichen und deshalb musste sie zunächst ihren Stab auf die Birne halten, ihn schnell und kurz nach oben schnippen und »Licht« sagen. Dabei musste sie sich immer vorstellen, dass die Birne leuchten würde.

Sie schloss ihre Augen und stellte es sich vor. Doch in dem Moment als sie diese wieder öffnete und den Spruch sagen wollte, kam ihr der Gedanke, wieso Marie so viel stärker war als die anderen. Hatte sie bereits Zuhause geübt? Waren alle in ihrer Familie so gute Zauberer? Gedankenversunken murmelte sie »Licht«, doch nichts passierte. Sie hörte ein Kichern und wusste sofort, woher es kam: Marie. Sie hatte ihren Tisch neben Namis und grinste, sobald diese zu ihr blickte. Nami war richtig wütend und als sie jene Wut spürte, die sie schon in der Speisehalle gespürt hatte, fühlte sie ein Lodern und nachdem sie intuitiv auf ihre Hand blickte, sah sie ein Zeichen. Es sah aus wie eine spiralförmige züngelnde Flamme und sie bildete sich ein, zu erkennen, wie diese sich bewegte. Schnell drehte sie sich zu ihrem Tisch herum, sodass es niemand sehen konnte. Doch nachdem sie sich vor Schreck umgedreht hatte, war ihre Wut wie weggeblasen und als sie auf ihre Hand schaute, war da nichts. Sie war enttäuscht. Sie wollte mehr darüber erfahren, doch wenn es immer so schnell verschwand, hatte sie wohl nie die Chance dazu.

Nami hörte hinter sich einen Jubelschrei: Elizabeth hatte es geschafft, ihre Birne leuchtete. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Miss Lemonstein lobte sie und hing bereits eine Hängelampe über ihren Tisch: »Vielleicht schaffst du das heute auch noch.« Elizabeth nickte entschlossen und machte sich sofort an die Umsetzung.

Nami war am Verzweifeln. Sie wusste, dass man sich nicht ablenken lassen durfte und keine Gedanken im Weg stehen sollten. Aber manchmal, das weiß ich aus eigener Erfahrung, erscheint einem das einfach unmöglich. Egal, was man auch versucht, es kommen immer wieder neue in den Sinn.

Es waren schon die letzten zehn Minuten angebrochen, Karin arbeitete nun auch an einer Hängelampe und Elizabeth hatte bereits ein Flackern bei ihrer geschafft, da versuchte es Nami noch ein allerletztes Mal. Sie verengte ihre Augen zu kleinen Schlitzen, sodass sie nur noch die Glühbirne sah. Sie stellte sich vor, wie ihre ganze Zauberkraft in ihren Arm und durch den Stab floss und dann als sie sicher war, dass sie sich lange genug konzentriert hatte, sagte sie laut: »Licht«.

Sie hatte im letzten Moment ihre Augen geschlossen, aus Angst vor dem Ergebnis. Doch sie konnte die Blicke der anderen auf sich spüren und noch bevor sie ihre Augen wieder geöffnet hatte, hörte sie Klatschen und als Nächstes fühlte sie eine Umarmung. Elizabeth keuchte in ihre Haare und gratulierte: »Siehst du, wir haben es alle geschafft. Wirklich ein toller Tag.«

Nami traute sich endlich hinzuschauen: die Glühbirne strahlte hell, so hell, dass man es auch in dem sonnendurchfluteten Raum ganz genau sehen konnte. Sie war froh, alle Anspannung wich von ihr und es war ihr egal, dass sie die Letzte war, die es geschafft hatte. Was zählte, war nur, dass sie es geschafft hatte.

Auch Klars befand sich zur selben Zeit in seinem Zauberunterricht bei Mister Clüdo. Sie sollten weiter an dem Bewegungszauber arbeiten. Klars hatte bereits einen Gymnastikball geschafft und Mako war es an einem Fußball gelungen. Klars freute sich für ihn und war froh, dass jetzt nichts mehr zwischen ihnen stand.

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