Читать книгу Die Legende vom Feuermal - Ivonne Hufnagl - Страница 6
Kapitel 4 – Der erste Unterricht
ОглавлениеNach dem Essen wurden sie von Mister Trine zum Unterrichtsgebäude begleitet. Von nahem sahen die acht Stockwerke noch gewaltiger aus. Was wurde dort nur alles unterrichtet? Fürs Erste sollten sie nur ihren Zauberstab mitbringen. Diesen hatten alle noch in ihrer Schatulle aufbewahrt, um ihn ja nicht zu beschädigen. Aber wisst ihr, sobald man mal ein Band zu dem Stab aufgebaut hat, lässt man ihn nicht mehr aus den Augen und trägt ihn ganz nah bei sich. Doch noch waren ihnen die Stäbe unbekannt. Sie mussten schließlich alles erst lernen.
Von innen war das Gebäude noch eindrucksvoller. Sie standen in einer großen Eingangshalle. Alles war aus robustem, strahlendem Marmor. Hoch oben war eine Glaskuppel, durch die sie den wolkenverhangenen Himmel sehen konnten. Eindrucksvoll hallte jedes noch so kleine Geräusch lange nach, weshalb sie tunlichst darauf bedacht waren, möglichst leise zu sein. Andere Schüler sahen sie keine, denn die älteren Schüler kamen erst am Abend an und die anderen Gruppen waren gerade woanders.
Langsam schritten sie die breite Treppe, die von einem dunklen Holzgeländer umrahmt war, hoch. Im ersten Stock gab es einige Gänge. Zunächst schritten sie einen langen nach rechts, dann einen weiteren nach links und dann wieder nach rechts. Alle hatten sie Angst, hier nie wieder herauszufinden, so verwinkelt war das Gebäude. Es war aber auch wirklich riesig. Falls ihr schon einmal in einem sehr großen Schloss wart, könnt ihr euch die Dimensionen vielleicht vorstellen.
Schlussendlich kamen sie doch noch an einer hohen Holztür an. Etwas schüchtern traten sie ein. Ein stämmiger Mann mittleren Alters erwartete sie bereits. Er schaute grimmig drein. Klars konnte seinen Blick kaum von dessen mächtigem, schwarzen Schnurrbart abwenden. Die Lippen waren kaum noch erkennbar. Doch so stark sein Barthaar wuchs, so wenig hatte er auf seinem Kopf. Ein karger Kranz umgab seine Glatze. Dafür hatte er buschige Augenbrauen, die die Größe seiner Augen betonten.
Der Raum war vollkommen leer. Vorne hing eine Tafel, aber sonst gab es nichts. Nicht einmal die Wände waren dekoriert. Vermutlich um Schäden vorzubeugen, schließlich zauberten hier die Anfänger. Mister Trine ließ die Kinder etwas verloren zurück und der Mann vorne an der Tafel räusperte sich: »Nun, ihr seid eine Minute zu spät. Aber sei´s drum. Ihr seid sicherlich schon sehr gespannt auf das Zaubern. Zunächst, mein Name ist Mister Clüdo und mir ist wohl bewusst, dass ihr euer Können in Tests bereits beweisen musstet. Sonst wäret ihr an dieser Schule wohl kaum aufgenommen worden. Doch was ihr hier macht, ist etwas ganz Besonderes. Bisher habt ihr die Zauberkraft in euch kennengelernt.« Dabei zeigte er auf sein Herz. »Jeder Mensch hat sie in sich, die einen mehr, die anderen weniger. Doch jetzt müsst ihr euch mit einem weiteren Wesen auseinandersetzen: dem Zauberstab. Schon bald werdet ihr ihn spüren. Er wird zu einem Teil von euch werden. Und wenn ihr große Zauberer werden wollt, müsst ihr lernen, ihn zu verstehen.«
Die Schüler schauten hier etwas skeptisch. So etwas hatten sie noch nie gehört. Der Zauberstab – ein Lebewesen? Der Mann musste ja spinnen.
»Ihr werdet mich nun für verrückt halten. Und manche werden es nach ihrer Schulzeit weiterhin. Das sind die mittelmäßigen Zauberer. Doch wenn ihr die Magie vollständig durchdrungen habt, werdet ihr zu den Besten werden. Ihr könnt Dinge schaffen, von denen andere nur träumen können. Im Laufe eurer Ausbildung werdet ihr einige Beispiele von Magiern kennenlernen, die dieses Werk vollbracht haben.«
Während dieser kurzen Rede glänzten seine Augen. Bei Klars hatten die Worte Wirkung gezeigt. Er fühlte schon ein Kribbeln, wenn er daran dachte, gleich loslegen zu dürfen.
Ohne weitere Worte zu verlieren, gingen die Übungen auch gleich los. Mister Clüdo forderte sie auf: »Nehmt den Zauberstab in eure Schreibhand und schließt die Augen. Was könnt ihr fühlen?«
Sie machten, was er sagte und Klars war verblüfft. Zunächst spürte er nichts und dann, als ein paar Sekunden vergangen waren und er die ersten unruhigen Bewegungen der anderen spüren konnte, war es da: das Kribbeln. Es war, als ob der Zauberstab ihm etwas sagen wollte. Es floss durch seine Hand und pulsierte dann in seinem ganzen Körper. Doch es wurde jäh unterbrochen von Philippé: »Ich dachte, wir lernen etwas für die Zukunft. Was soll es uns bringen, blind dazustehen?«
Klars öffnete langsam seine Augen. Die anderen blickten verängstigt zu Mister Clüdo. Niemand anderes hätte sich getraut, sich gleich am ersten Tag mit dem Lehrer anzulegen. Doch Philippé war anders, er war wütend und konnte nicht aufhören: »Hat irgendjemand etwas gespürt? Der Typ will doch einfach nur unsere Zeit verschwenden!«
Keiner sagte etwas, sie starrten nur weiterhin zu Mister Clüdo, denn es war allen klar, dass dieser gleich wütend werden würde. Doch da kannten sie Mister Clüdo noch nicht. Zu aller Verwunderung lächelte dieser nur und erwiderte: »Du bist Philippé, wenn ich mich nicht irre. Wir haben vorab eure Akten bekommen. Deine Familie ist eine Zaubererfamilie der ersten Art. Sie sehen Zaubern als Zweck, nicht als Berufung, das ist keineswegs schlimm. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wir lernen hier auch Dinge, die euren Zweck erfüllen, doch ich muss euch zunächst in alle Finessen einführen,« dabei betonte er alle, »später dann könnt ihr euch die Kurse aussuchen, die zu euch passen. Ich würde euch allen raten, sich auf alles einzulassen, aber ich zwinge niemanden dazu. Wenn jemandem etwas nicht zusagt, dann kann er sich an den Rand stellen und zusehen.«
Und damit hatte sich das Problem gelöst. An diesem Tag lernte Klars noch keine Zaubersprüche, aber er kam seinem Stab näher – was ich für eine wichtige Ausgangslage halte.