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Kapitel 2 – Der erste Schultag

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Im frühen Herbst war es dann so weit: Die Schule begann. Ihr könnt euch vielleicht noch erinnern, wie für euch der erste Tag an einer neuen Schule war. Denn genau so fühlten sich auch die Zwillinge. Alles war neu und sie machten sich über alles mögliche Sorgen. Doch ihre Mutter begleitete sie und das war eine Hilfe. Als sie aus dem Auto stiegen, war Klars niedergedrückt. Es war ihm peinlich und er wollte nicht, dass jemand seine Gefühle sehen konnte, doch seine Mutter merkte immer, wenn etwas nicht stimmte. Deswegen nahm sie ihn kurz zu sich und fragte, was los sei.

»Ich wünschte, Dad wäre bei uns, er war ja auch in so einer Schule und könnte uns Tipps geben.«

Dies versetzte Jane gleich einen doppelten Stich, natürlich vermisste sie ihren Mann ebenfalls, aber gleichzeitig erinnerte es sie an ihren ersten Tag in der Schule – an die furchtbaren verdrängten Erinnerungen.

Endlich standen sie vor der Schule. Diese war eine fünfstündige Fahrt von ihrem Zuhause entfernt. Es gab nur wenige Zaubererschulen, da sich nicht viele Orte dazu eigneten. Ich könnte euch eine Menge Gründe dafür nennen, aber ich denke, im Laufe meiner Erzählung werdet ihr selbst einige herausfinden.

Jetzt fragt ihr euch vermutlich, ob die Fings täglich einen so weiten Weg zurücklegen müssen. Aber nein – die Schulen bieten vor Ort Wohnmöglichkeiten für alle Schülerinnen und Schüler. Dies ist, anders als bei der Bedienstetenschule, freiwillig und die Kinder besuchen oft am Wochenende ihre Familien. Die meisten übernachten tatsächlich in der Schule, denn das hat einige Vorteile, die aufzuzählen, wohl wieder zu müßig wäre. Ich habe euch noch viel zu erzählen, deswegen werde ich euch wieder auf später vertrösten und es euch selbst entdecken lassen.

Vor der Schule war schon einiges los. Eltern standen vor dem großen Eingangstor und unterhielten sich miteinander. Die Kinder standen drängend daneben. Durch die strengen Aufnahmeregeln kam es, dass sich nur noch wenige Familien bereits vor der Einschulung kannten. Früher wurden stets die selben Blutlinien aufgenommen, weshalb die Einzelnen meistens schon davor Grüppchen gebildet hatten. So war es nun eine viel schwierigere Situation für die jungen Schüler, da sie sich erst noch kennenlernen mussten. Andererseits ist das doch auch praktisch, wenn jeder unvoreingenommen aufeinander trifft. Leider halten sich die Adligen teilweise immer noch für etwas Besonderes und sehen Freundschaften mit Andersartigen als etwas Abstoßendes.

Nun aber zurück zum Eingangstor, es war wirklich riesig. Vier Meter lange dünne goldene Streben, welche an den Seiten spitz endeten, rankten sich in den blauen Himmel. In der Mitte bildeten die Streben den Namen der Schule Moonshine Manor. Ein breiter Kiesweg, der an beiden Seiten von einem perfekt geschnittenen Rasen flankiert wurde, führte zu einer weißen Treppe, welche von zwei Säulen umgeben war. Nach der Treppe stand eine mächtige schwarze Doppeltür offen. Hierdurch schritten unsere Fings. Wie ihr es euch vielleicht schon denken könnt, war die Schule damals äußerst luxuriös. Schließlich wurde sie von denen erbaut, die sich für das Höchste in der Gesellschaft hielten. Die Zauberei sollte ihre Alleinstellung zeigen und natürlich musste das Aussehen der Schule genau das widerspiegeln.

Was ihr ihnen jedoch zugutehalten solltet: nicht nur das Aussehen war auf das Perfekteste getrimmt worden, sondern auch die Ausbildung. Nur die Besten durften dort unterrichten und die Schüler erhielten alles, was für ihre Bildung notwendig war.

In einer großen Halle waren alle neuen Schüler, deren Eltern und die Lehrkräfte versammelt. Die Eltern saßen mit ihren Kindern auf Stühlen, die zu einer Bühne ausgerichtet waren. Der durch eine Glasfront erhellte Saal wurde von marmornen Säulen gestützt. An den Wänden hing das dunkel violette Schulwappen: ein offenes Buch, über dem ein Zauberhut schwebte und zwei funkensprühende Zauberstäbe an den Seiten.

Jane setzte sich mit Klars und Nami in die dritte Reihe, damit sie auch alles sehen konnten.

Schnell füllte sich die Halle. Die Zwillinge beobachteten vor allem die Bühne, denn dort stellten sich die Fachkräfte der Schule auf. Diese unterhielten sich festlich gekleidet, ohne die Zuschauer zu beachten. Als keine weiteren Familien mehr eintraten, wurden die Türen geschlossen. Die Stimmen verebbten und alle blickten erwartungsvoll nach vorne. Klars ärgerte es, dass die Personen auf der Bühne weiterhin plauderten und nicht begannen. Nach mehreren Minuten flüsterten die Wartenden wieder und fragten sich, wann es anfangen würde.

Da öffneten sich die Türen erneut und zwei Männer und eine Frau, welche sehr edel gekleidet waren, traten ein. Ihre Blicke waren streng und erhobenen Hauptes marschierten sie zum Podium auf der Bühne. Nami wurde durch ihre Art eingeschüchtert, sie erschienen ihr sehr mächtig. Klars hingegen fand ihr Auftreten überheblich.

Der größte von ihnen, Sir Blake, übernahm das Wort. Er hatte schwarzes kurzes Haar, einen Dreitagesbart und stechende dunkle Augen. Es war, als könnte er mit nur einem Blick all das sehen, was man im Leben so ausgeheckt hat und unbedingt geheim halten möchte.

Ich bin diesem Mann übrigens auch einmal begegnet. Sehr unangenehm war das. Ich traute mich gar nicht, ihm in die Augen zu schauen. Doch allzu viel will ich euch noch nicht über ihn erzählen, nur lasst euch eins gesagt sein, der erste Eindruck trügt oft über das wirkliche Wesen eines Menschen hinweg.

Er gehört übrigens der höchsten Zauberliga an, weshalb er mit Sir und nicht mit Mister angesprochen wird. Bei den Frauen heißt es dann Lady statt Miss.

Nun, da begann also seine Rede. Wieso ich die so genau kenne? Naja, einerseits gibt es – wie ich schon erwähnt habe – Möglichkeiten alte Erinnerungen von anderen Personen zu betrachten und andererseits wurde die Rede genauestens notiert. Zauberern sind Überlieferungen sehr wichtig und deshalb schreiben sie alles nieder. Das kann ich euch übrigens nur wärmstens empfehlen. Es ist immer wieder lehrreich, die eigenen Erlebnisse zu lesen. Ich führe noch immer regelmäßig Tagebuch, wo ich mir alles aufschreibe, was ich als wichtig empfinde. Denn auch, wenn ich meine Erinnerungen anschauen kann, so weiß ich dann dennoch nicht, was ich damals gefühlt und gedacht habe.

Gut, aber nun will ich euch die Ansprache nicht weiter vorenthalten, sonst seid ihr bald genervt von mir altem Mann.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns heute hier versammelt, um unsere neuen Zöglinge in Moonshine Manor willkommen zu heißen. Ich möchte nun keine lange Rede halten, da ich weiß, dass viele einen langen Weg hinter sich haben und sehr müde sind. Jedoch halte ich es für wichtig, dass ihr wisst, auf was ihr euch einlasst. Noch sind eure Eltern da und ihr könnt sofort wieder heimkehren. Denn einmal angefangen, gibt es kein zurück mehr. Ihr geht mit dem heutigen Tage eine Verpflichtung ein, die ihr unter allen Umständen einhalten müsst. Nur wenige erhalten dieses Privileg, weshalb es nicht vergeudet werden sollte.

Hier neben mir seht ihr das Schulwappen, dieses zeigt, woraus eure Aufgaben bestehen. Das Buch steht für Wissen, ihr müsst euch vieles aneignen, denn ohne Theorie funktioniert nichts auf der Welt. Euch stehen endlose Stunden voll Lernen, lange Nächte mit Büchern bevor.

Der Zauberhut! Als Zauberer untersteht ihr einer Ordnung, an die ihr euch stets zu halten habt. Zuwiderhandlungen ziehen strenge Konsequenzen nach sich. Im Gegenzug,« hier lächelte er das erste und einzige Mal in seiner Rede, »erhaltet ihr besondere Befugnisse. Ihr werdet Dinge können, die sich Außenstehende nur zu träumen wagen.

Der Zauberstab! Es bringt euch nichts, viel zu wissen, wenn ihr es nicht anwenden könnt. Nur Übung macht euch zu Meistern eures Faches und wir verlangen viel davon.

Wir geben euch die Möglichkeit, den besten Beruf unserer Welt auszuüben, deshalb erwarten wir von euch etwas zurück. Wer es leicht haben möchte, ist hier fehl am Platze!«

Die Menge klatschte und die Frau neben ihm, Lady Winror, trat in die Mitte: »Nun, wenn es keine Fragen mehr gibt, dann erkläre ich euch das weitere Vorgehen. Die Kinder, welche hier übernachten, werden beim Zaubern getrennt von denen unterrichtet, die Zuhause wohnen. Schließlich haben sie einen anderen Tagesablauf. Zudem werden Mädchen getrennt von den Buben ausgebildet. Wir wollen schließlich keine Ablenkungen. Deshalb werden unsere Betreuungslehrer nun die Kinder aufrufen, welche gemeinsam das Zaubertraining absolvieren. Bei den anderen Fächern ist die Trennung nicht so strikt und die Schüler haben dort die Möglichkeit, neue Bekanntschaften zu schließen.

Ich bitte die Eltern, sich jetzt von den Kindern zu verabschieden, da diese nun in den Unterricht gehen.«

Die Menge klatschte erneut und der Schulrat marschierte aus dem Raum. Nami kamen die Tränen, sie hatte sich so auf die Schule gefreut, aber sie war auch noch nie für lange Zeit von ihrer Mutter getrennt gewesen. Weinend umarmte sie diese: »Du kommst uns doch immer holen, wenn wir das wollen?«

Jane lächelte, war jedoch ebenfalls kurz vor einem Tränenausbruch. Ab heute würde sie allein Zuhause sein, keiner würde sie von ihrem Verlust ablenken und schafften es ihre Kinder wirklich ohne sie? Was war, wenn Klars wieder einen Ausbruch hatte? Sie hoffte zwar noch immer, dass das damals nur ein Zufall gewesen war und sie das Mal nicht auf seiner Hand gesehen hatte, aber gleichzeitig wusste sie, dass es jederzeit wieder passieren könnte. Aber sie musste stark für die beiden sein und durfte sich nichts anmerken lassen. Sie wollte ihren Kindern die Möglichkeit zur Entfaltung geben. Sie durfte ihnen nicht im Wege stehen und vielleicht, so hoffte sie, war es wirklich nicht das Feuermal auf seiner Hand gewesen.

»Ihr dürft jederzeit nach Hause und ich bin jederzeit für euch erreichbar. Genießt die Zeit und seid immer fleißig,« antwortete sie deshalb. Sanft streichelte sie über ihre Haare und gab ihnen einen Kuss auf die Wange.

Die Legende vom Feuermal

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