Читать книгу Die Legende vom Feuermal - Ivonne Hufnagl - Страница 3
Kapitel 1 – Jane und ihre Familie
ОглавлениеEs waren einmal zwei sich zankende Geschwister …
Damit wir uns nicht missverstehen, dies ist kein Märchen, ich habe es wirklich erlebt. Ich bin übrigens Tiberius Nicholai, aber alle nennen mich Nicholai.
Es war ein warmer Sommertag, der zwölfjährige Klars und seine Schwester Nami waren mit ihrer Mutter Jane in meinem Laden. Sie waren sehr ungeduldig und wollten unbedingt ein Eis haben. Ihre Mutter hingegen wollte hier noch ihren Schuleinkauf erledigen. Ich kann nur sagen, sie hat sich da den besten Laden ausgesucht, ich biete nur die beste Qualität an Zauberstäben, teilweise brauche ich Wochen, um einen neuen zu finden und dann erst die Schulung und die Pflege dessen. Das muss ich euch irgendwann noch genauer erzählen. Ohne meine Lehrlinge würde ich das alles zeitlich überhaupt nicht schaffen. Ich finde …
Oh, ich sollte euch vorerst nicht mit meinen Angelegenheiten stören, es interessiert euch sicherlich, wie es mit den Zwillingen weiterging. Ja, ihr habt richtig gehört, Nami und Klars sind Zwillinge. An diesem Tag brach Klars Kraft auf einmal aus ihm heraus. Dies war schon lange nicht mehr passiert, weshalb ihre Mutter schon gehofft hatte, dass es damals nur eine Phase gewesen sei.
Aber vielleicht sollte ich von Anfang an beginnen. Ich kenne die Fings schon sehr lange, bereits die Großeltern von Jane hatten ihrerseits den Zauberstab ihrer Tochter hier gekauft. Da war ich gerade noch in meinen Lehrjahren. Jane war ein nettes Mädchen gewesen, sehr schüchtern und stets höflich. Sie hatte ihr Gesicht hinter ihrem blonden, lockigen Haar versteckt. Damals war sie gerade zwölf, so wie viele Jahre später ihre Zwillinge bei mir. Professor Vellier sagte mir einmal, der Zauberstab würde sich seinen Meister suchen, doch halte ich das für reichlich übertrieben. Ich denke, es ist eher etwas Beiderseitiges.
Ich zeigte Jane einige Zauberstäbe und sie sollte den für sich bequemsten wählen. Es dauerte sehr lange, stets flüsterte sie ihren Eltern zu, was sie von dem Einzelnen hielt. Als sie den für sie richtigen Stab gefunden hatte, brauchte ich es nicht von ihren Eltern zu hören. Ich sah es in ihren glänzenden Augen, sie strahlten mir förmlich entgegen. Vielleicht kennt ihr das Gefühl, dass sie gehabt haben muss, es kribbelt im ganzen Körper und jede Faser weiß: es passt einfach perfekt.
Die Mutter lachte: »Natürlich, aus Kirschholz. Wie könnte es denn auch anders sein?«
Auf meinen fragenden Blick hin erklärte sie, dass Jane am liebsten die Farbe rot mochte und sie gar nicht genug von Kirschen bekommen konnte. Ich kann nur sagen, Kirschbaumholz ist perfekt, es sind sehr mächtige Stäbe und der Griff ist sehr weich und angenehm. Natürlich gibt es noch viele weitere Holzarten, die mächtige Zauberstäbe hervorbringen, aber zu Jane hätte wohl nichts anderes so gut gepasst.
Doch was dann einen Monat darauf passierte, kam in meiner Laufzeit erst Jahrzehnte später wieder vor, auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass das jemals erneut geschehen könnte. Mister Crawford, dies war der ursprüngliche Familienname Janes, kam mit seiner Tochter im Schlepptau herein. Sie schaute auf den Boden und ich sah Tränen fallen. »Sind Sie mit dem Zauberstab nicht zufrieden, Sir? Oder brauchen Sie vielleicht noch etwas Bohnerwachs?«, erkundigte ich mich besorgt. Er gab Jane einen Klaps auf die Schulter und sagte: »Na los, zeig dem jungen Herrn, was passiert ist.« Und dann an mich gerichtet: »Es tut mir leid, ich weiß, dass so etwas eine Schande ist, ich kann es mir nicht erklären.« Erst jetzt konnte ich erkennen, was Jane in ihren Händen hielt: es war ihr Zauberstab…
Er war zerbrochen – in drei Teile.
Wieso ihr Vater es wie eine Schande gesehen hatte? Es ist schier unmöglich, einen zu zerbrechen. Sie sind hart wie Steine. Die Sehnen sind um den Knochen herum gebaut und stabilisieren ihn. Man müsste schon Maschinenkraft einsetzen, um das Unmögliche zu vollbringen. Und das Wichtigste: der Zauberstab würde sich dagegen wehren, er würde es nie zulassen. Es hatten sich schon Menschen, meist keine Zauberer, schwer verletzt, bei dem Versuch, einen zu zerstören.
Ich sah die beiden nur an und stotterte etwas von »Vorgesetzten holen«. Jane weinte herzzerreißend, dicke Tränen liefen ihre Wangen herab. Professor Vellier kam, mein damaliger Chef, der später sein Geschäft an mich übergeben würde. Ich wurde übrigens nie ein Professor. Die Studien, die dafür nötig sind, waren mir zu lästig. Ich bevorzuge die Praxis und würde mich trotzdem nicht als schlechteren Zauberstabmacher bezeichnen, vielleicht – ein alter Mann wie ich kann so dreist sein – vielleicht bin ich sogar ein besserer. Professor Vellier war stets in ein Buch vertieft, während ich mit den Stäben sprach, ihre Wünsche erfüllte und von ihnen so einiges lernen konnte, was ich wohl mit keinem Buch jemals hätte herausfinden können.
Aber nun wieder zu Professor Vellier, dieser äußerte sich ruhig zu dem Vorgefallenen: »Mister Crawford, ich verstehe nicht, wie so etwas geschehen konnte.«
Dieser erwiderte: »Ich leider auch nicht. Die Schule rief mich an. Sie sollten einen einfachen Kerzenzauber bewirken und irgendwie fing der Stab zu glimmen an. Jane wurde aufgefordert aufzuhören, doch sie konnte ihn scheinbar nicht loslassen und dann wurden Risse offenbar und er barst in drei Teile. Ich denke, sie ist wohl einfach nicht gemacht für das Zaubern. Ich stecke sie deshalb in eine andere Schule.«
Jane wurde plötzlich laut: »Aber Daddy, es war nicht meine Schuld. Es war diese Kraft, ich konnte sie nicht kontrollieren, es war unmöglich. Bitte gib mir noch eine Chance, beim nächsten Mal werde ich es besser machen.«
Professor Vellier schaltete sich ein, bevor es noch in seinem ehrwürdigen Laden eskalieren würde: »Hat sie denn die notwendigen Kompetenzen nicht erreicht oder gab es Probleme bei der Einschulung?«
Ihr Vater donnerte los: »Nein, sie ist kein Schüler auf Probe, es gab noch nie jemanden in unserem Stammbaum, der nicht geeignet war. Aber ich will sie nicht noch mehr Ächtung aussetzten. Ich will nicht unsere Familie in den Dreck ziehen.«
Ich sah, wie das Mädchen am Boden zerstört war und meinte, dass es auch ein Fehler unsererseits hätte sein können und sie einen Stab gratis bekommen würden. Doch der Mann lies sich nicht mehr davon abbringen. Ich wusste, dass seine Familie berühmt für ihr zauberisches Können war, aber dass sie für ihr Ansehen ihr Kind verstoßen würden, war mir unverständlich. Doch Mister Crawford wollte nichts mehr davon hören, er meinte, es tue ihm sehr leid und er war nur vorbeigekommen, um seiner Tochter zu zeigen, dass jeder für seine Fehler einzustehen hat. Bevor er ging, sagte er noch zu Professor Vellier: »Schließlich steht auch Ihr Ruf auf dem Spiel, man könnte meinen, dass Sie Ihre Zauberstäbe nicht richtig auswählen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand er einfach.
Einige Zeit ging vorbei, bis ich wieder jemanden von der Familie persönlich sah. Natürlich hörte man viel von ihnen. Das verstoßene Mädchen war lange Schlagzeile Nummer Eins. Es gab verschiedene Meinungen dazu, die einen verhöhnten die Familie, die anderen klagten die Reaktion des Vaters an, schließlich sei noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch wenn er das immer von seiner Blutlinie zu glauben schien.
Doch als die düsteren Zeiten begannen, war das Thema wie weggewischt. Zauberer waren früher die angesehensten Bürger in der Gesellschaft gewesen und nur Adligen wurde diese Ehre zuteil. Doch mit der Schulreform, wollte man die Möglichkeiten für alle Kinder öffnen und es gab viel Streit. Die Mächtigen konnten sich nicht vorstellen, dass Kinder einer »schlechteren« Linie genug Fähigkeiten hätten. Nun gab es verschärfte Aufnahmeprüfungen und viele der Adligen schafften diese nicht. So geschah es, dass sich eine Untergrundgilde formierte. Diese bildeten ihre Kinder selbst aus und waren gegen das gesamte neue System. Seitdem gab es immer wieder Kämpfe. Von allen Seiten, ob magisch oder nicht. Die glanzvollen Zeiten der Zauberei waren vorbei und die voranschreitende Technik verbesserte unser Image nicht. Die Ausbildung zu einem guten Kämpfer oder Mediziner waren bei Hexern einfach zu lange. Man wollte alles beschleunigen, deswegen wurde vermehrt mit Waffen gekämpft und mehr Jugendliche wurden auf die Medizinerschule geschickt. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor ein großer Krieg ausbrechen würde. Doch konnte noch niemand sagen, welche Seiten sich gegenüber stehen werden würden.
Nach einem Jahr kam Janes Mutter in unseren Laden, meine Ausbildung war vorbei und ich übernahm den Verkauf der Stäbe, während mein Meister sich um deren Pflege und Herstellung kümmerte. Miss Crawford war ausgemergelt und man konnte sehen, wie ihr Familienglück von damals verflogen war. Sie meinte, sie brauche jemanden zum Reden und dass es mich interessieren könnte. Also begann sie, erst leise und zaghaft, aber mit jedem Satz wurde ihre Stimme härter, verbitterter: »Mein Mann und ich waren damals so stolz, als Jane als eine der Besten die Aufnahmeprüfung bewältigt hatte. Sie war schon voller Vorfreude. Aber … wissen Sie, irgendetwas war an ihr komisch. Im sehr frühen Alter stellte ein Broker fest, dass sie viel Magie in sich trägt. Sie erlernte schnell, Dinge zu bewegen und Lichter anzumachen. Es war erschreckend, doch als sie den Zauberstab bekam, lief alles aus dem Ruder. Sie konnte ihre Kräfte nicht beherrschen, sie hatte ihr Kinderzimmer in Brand gesteckt und selbst der beste Nachhilfelehrer konnte sie nicht kontrollieren. Wir hatten die Hoffnung, dass es in der Schule besser werden würde, doch schon am ersten Tag zerbrach ihr Stab bei einer Zauberübung. Ich denke, wir haben alles falsch gemacht. Mein Mann schrie sie an und ich weinte nur. Sie sollte die Erbin unseres Klans werden und nun … ich hatte Angst, er würde mir die Schuld geben. Zu keinem Zeitpunkt überlegten wir, wie es Jane wohl gehen mag. Wir hätten sie trösten sollen, irgendetwas. Stattdessen ließ er ihre Magie bannen. Es waren viele Sitzungen notwendig, während den ersten schrie sie qualvoll, sodass wir sie nur noch von den Bediensteten begleiten ließen. Nach der letzten Sitzung erklärte ihr mein Mann, dass sie in ein Internat käme. In ein Bediensteteninternat.«
Hier sollte ich vielleicht einen kurzen Einschnitt machen. Ihr werdet euch fragen, was das nun ist. Doch bevor ich euch das erzähle, noch kurz zu dem gefallenen Begriff des Brokers. So werden bei uns die hohen Magier genannt, welche sich mit der im Menschen enthaltenen Magie beschäftigen. Sie wählen auch die Tests für die Einschulung aus, aber dazu später mehr und nun zur Ausbildung unserer Kinder.
In unserer Gesellschaft werden die Kinder nach der sechsjährigen allgemeinen Grundschule in eine Art Berufsschule geschickt. Diese beziehen sich auf spezifische Richtungen und bestimmen den späteren Beruf. So können die Kinder aus der Rechtsschule Polizisten, Juristen oder teilweise auch Politiker werden. Polizisten können auch Schüler aus der Militärschule werden, nur eben mit einem anderen Schwerpunkt. Zudem gibt es unter anderem noch die Medizinerschule, die Wissenschaftsakademie, die Dienstleisterschule und, wie ihr wohl schon mitbekommen habt, die Zaubererschule. Jane musste auf eine Bedienstetenschule. Diese ist, wie meistens auch die Militärschule, ein Internat. Der Grund dafür ist, dass die Kinder zu anderen Menschen werden sollen. Sie müssen unterwürfig werden, tun, was man ihnen befiehlt und dafür benötigt es eben die Kontrolle ihres gesamten Lebens.
Aber nun wieder zu Janes Mutter. Ich konnte ihre Reue sehen. Sehen, dass sie verzweifelt war.
»Den Blick, den sie uns dann zuwarf, kann ich bis heute nicht vergessen und dabei ist es schon zwei Monate her. Er war kalt und zeigte, dass sie ihre Elternliebe bereits gänzlich verloren hatte. Ehrlich gesagt, ich wusste damals selbst keine bessere Lösung. Richard hat Recht, wir müssen unseren Ruf wahren – zugunsten unserer anderen Kinder.«
Hier machte sie eine kurze Pause und legte ihre Hand auf den Bauch. Erst jetzt erkannte ich, dass sie schwanger war. Plötzlich lächelte sie und ihre Traurigkeit war wie weggeblasen. »Wissen Sie, wir haben ja noch zwei andere Kinder: Lizzie und Liam. Sie sind beide kleine Rabauken und haben nicht so viel Magie in sich. Aber der Broker meinte, sie würden die Prüfung auf jeden Fall schaffen. Doch unsere ganze Hoffnung liegt nun in Justin. Der Broker sagt, er hätte schon in meinem Bauch solch starke Magie, vielleicht mehr als Jane. Richard und ich sind ja so glücklich.«
Damit schloss sie und starrte mich erwartungsvoll an. Im Laufe der letzten Sätze war ich sehr zornig geworden. Jane war ihr komplett egal, sie war nicht besser als ihr Mann. Verwirrt fragte ich sie: »Und warum sind Sie hierher gekommen?« Erstaunt erwiderte sie meinen Blick: »Wissen Sie, wir haben Jane verstoßen, das ist ab drei Kindern möglich. Es ist praktisch so, als hätte es sie nie gegeben, deswegen musste sie auch weg. Wir werden wohl nie wieder etwas von ihr erfahren. Doch an der Schule wollte ich sie nicht vollkommen als Waise ohne Bezugsperson anmelden. Sie wissen ja, dass diese Kinder dann sozusagen Freiwild sind und dann auch Übergriffe nicht zur Seltenheit gehören. Und deshalb … nun ja«, ein verstohlener Blick ihrerseits brachte mich vollkommen aus der Verfassung, was mir übrigens in meinem heutigen Alter nicht mehr so oft passiert. »Kommen Sie jetzt bitte auf den Punkt, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!«
»Ich habe Sie als Bezugsperson angegeben. Sie wirkten nett und da dachte ich … ich hoffe, es verärgert Sie nicht zu sehr. Sie erhalten einmal im Jahr einen Brief, wie sich Jane so macht und welche Schwerpunkte sie belegen wird. Sie müssen sich auch um nichts kümmern, wir haben der Schule vollkommene Entscheidungsfreiheit gegeben, das heißt, Sie könnten auch nichts tun. Jane wird in den Ferien in der Schule bleiben und mit spätestens 17, wahrscheinlich 16, jemandem als persönliche Hilfskraft zugeteilt werden. Das haben wir bereits bestimmt. Mein Mann will nicht, dass sie irgendwo in der Arbeitswelt auftaucht. Sie soll für immer für alle Welt weggesperrt sein. Übrigens weiß er nicht, dass ich Sie benannt habe. Es ist so, als würde er Jane verabscheuen. Aber wahrscheinlich ist das auch besser so.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, das alles hatte ich nicht erwartet.
»Sie können natürlich noch dem allen widersprechen, dazu haben Sie ab jetzt eine Woche die Möglichkeit. Hier ist der Brief mit allen Informationen. Ich werde nun gehen.« Damit drehte sie sich, ohne auch nur eine Sekunde zu warten, um und ab da betrat sie nie wieder meinen Laden. Ihre Familie kaufte ab sofort bei unserem größten Konkurrenten ein und tatsächlich hatten wir die nächsten zwei Jahre die niedrigsten Umsätze seit der Eröffnung, wie es Mister Crawford vorhergesagt hatte.
In den nächsten Jahren bekam ich immer zum Halbjahr einen Brief der Schule. Jane war anfangs sehr ignorant und wollte nichts von Schule wissen. Sämtliche Noten waren schlecht und sie drohten, sie als eine Art Mätresse zu verkaufen. Doch dann im zweiten Jahr wurde sie besser. Sie bekam nur noch selten Strafen und lernte gute Umgangsformen. Mit 16 wurde sie Haushälterin bei einer kleinen Familie, dort bediente sie die Gäste und verstand sich mit allen sehr gut. Durch ihre hervorragenden Leistungen schickte die Schule Jane zu einer sehr reichen adligen Familie. Wie sie mir später erklärte, hatte sie dort eine schreckliche Zeit. Drei lange Jahre dauerte es, bis sie endlich ausgelernt hatte und schließlich als eine Haushälterin zu einem kleinen Weingut bestellt wurde. Dort lernte sie dann auch ihren Mann, den Vater ihrer Kinder, kennen, Liam. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. In diesem Jahr schrieb mir Jane einen Brief, ich war so angetan, dass ich mir die Tränen nicht verkneifen konnte.
»Lieber Sir Nicholai,
am Ende meiner Ausbildung erfuhr ich, dass Sie als meine Bezugsperson ernannt wurden und mich dadurch vor Schlimmerem bewahrt haben. Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Ich habe hier einen netten jungen Mann kennengelernt und er bat mich bereits nach einem Jahr, ihn zu heiraten. Diese Hochzeit steht nun an und wir würden uns riesig freuen, wenn der gutherzigste Mann, den ich je kennengelernt habe, dabei sein könnte.
Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere beiden Treffen in ihrem Laden. Ich wünschte, Sie wären mein Vater gewesen. Es tut mir leid, so etwas zu sagen, steht mir nicht zu.
Wissen Sie, ich wollte nie wieder etwas von Zauberei hören, aber mein Mann stammt aus einer angesehenen Zaubererfamilie. Sie verachten meine Familie, während ich nicht weiß, was ich fühlen soll. Ich denke, es ist Traurigkeit. Sie sind so verbohrt, dass sie es nicht besser wussten. Doch trotzdem werde ich sie nicht mehr in mein Herz lassen und sie auch nie wieder sehen.
Unsere Hochzeit findet am 29.6 in Maine statt. Sie beginnt in der viktorianischen Kirche. Wir hoffen wirklich sehr, dass Sie kommen. Denn ohne Sie wären wir nicht zusammen.
Bis dahin wünschen wir Ihnen noch eine angenehme Zeit und einen regen Verkauf. Natürlich werden unsere Kinder nur bei Ihnen ihren Zauberstab kaufen.
Mit frohem Herzen
Jane und Liam Fings«
Und nun stand sie hier in meinem Laden. Wie sie es gesagt hatte. Es erfüllte mich mit großer Freude, sie heute glücklich zu sehen. Sie hatte eine schwere Zeit. Erst vor einem halben Jahr war ihr Mann verschwunden. Keiner wusste wohin und ich hoffte inständig, dass er bald wieder zurück sein würde. Sie erschienen mir immer sehr fröhlich und Jane erzählte mir nur selten von Problemen. Nach ihrer Hochzeit war ich zu einer starken Bezugsperson geworden und obwohl ich sozusagen ihr bester Freund war, als Vater würde ich mich nun nicht bezeichnen, behandelten sie mich alle stets höflich.
An diesem ereignisreichen Tag wurde Klars sehr wütend. Ich hatte gerade für seine Schwester einen Zauberstab gefunden, einen aus Kirschholz, genau wie bei ihrer Mutter. Als Jane dies hörte, schenkte sie mir ein trauriges Lächeln. Nun war Klars an der Reihe, aber wir fanden einfach keinen. Nami hatte sich mittlerweile auf einen Hocker ans Fenster gesetzt und gähnte absichtlich laut. »Hau doch einfach ab!«, schrie er sie wütend an. Ich war gerade in meinem Lagerraum und suchte nach meinen eher widerspenstigen Stäben, da ich vermutete, dass sie gut zu ihm passen würden. Dort hinten ist es ordentlich aufgeräumt. Jede Reihe ist wohl überlegt befüllt. Jeder Stab nimmt ein eigenes Kissen ein und die widerspenstigen lagern oben. Sie mögen es, auf die anderen herabblicken zu können. Jedenfalls, gerade als ich einen Stab von einem abendländischen Lebensbaum mitsamt seines blauen Kissens aus der oberen Ablage holen wollte, hörte ich diesen Schrei. Schnell packte ich den Stab und eilte in den Hauptraum. Klars warf mir einen bösen Blick zu, als ob ich an allem Schuld wäre. Zunächst hatte ich ihm eher leicht handhabbare Zauberstäbe angeboten, denn diese sind für Anfänger meist besser geeignet, nur selten funktioniert keiner von ihnen. Nun ja, seine Mutter war etwas besorgt und meinte: »Nicholai, wir können auch ein andermal wiederkommen. Bestimmt hast du bald neue Kunden.« Ich musste lächeln, Jane war immer besorgt um andere Menschen, das lag wohl an ihrer Ausbildung. »Ach Jane, keine Sorge. Klars ist nicht der Erste, bei dem es nicht auf Anhieb klappt. Wir haben noch 20 Minuten bis die nächste Lady kommt. Und weißt du Klars, bei denen, wo es mit der Stabsuche länger dauert, liegt es meist an ihrem besonderen Temperament und diese bekommen dann auch die besten Stäbe.«
Ermutigt trat er auf mich zu und warf einen erwartungsvollen Blick auf den Stab in meinen Händen. Seine Augen glänzten und er sagte ehrfurchtsvoll: »Ich will ihn lieber nicht berühren. Er ist so wundervoll. Ich wäre einfach nur enttäuscht, wenn er es nicht wäre.«
Ich schmunzelte. Diese Faszination war das Zeichen, dass der Stab der richtige war. Man spürt die Verbindung einfach. Der Stab sendet eine Art Welle aus und wenn diese auf jemanden trifft, der den Vorstellungen entspricht, dann kann dieser nicht anders, als eine Bewunderung zu spüren. Aber eines muss ich euch verraten, der Zauberstab von Klars war wirklich schön. Er war rötlich braun, rau, man konnte die einzelnen Erhebungen der Rinde fühlen.
Ich sprach ihm Mut zu und schließlich griff er nach ihm. Die Spitze des Stabs begann zu leuchten und Klars bewegte seine Hand, er dachte dabei nicht nach, denn sie wurde geführt. Eine feine Feuerlinie bildete sich in der Luft und Klars strahlte über beide Ohren. Auch Jane war voller Freude. »Danke Nicholai, für deine Geduld. Du bist bei uns jederzeit zum Essen eingeladen.«
»Das ist mein Job, Jane. Aber ein Essen schlage ich natürlich nicht aus. Wann beginnt denn die Schule?«
Während wir uns unterhielten, plauderten auch die Zwillinge vor dem Schaufenster und waren richtig aufgedreht. Man konnte direkt sehen, wie sie froh waren, die letzte Hürde vor ihrer Ausbildung genommen zu haben.
»In ein paar Wochen. Wir haben bereits alles besorgt, die Stäbe waren nun die Belohnung für das mehr oder weniger ruhige Einkaufen.« Sie lachte herzhaft. Es war schön, sie so zu sehen.
Vielleicht werdet ihr euch fragen, wie ich euch die Geschichte von den Zwillingen erzählen soll, wenn ich doch gar nicht immer persönlich vor Ort war. Nun, in all den Jahren kamen viele Personen auf mich zu und erzählten mir die Einzelheiten. Natürlich konnte ich die meisten Erlebnisse auch durch magische Vorkehrungen sehen, sozusagen wie bei einem Fernseher. Dies gelingt aber nur mit dem vollkommenen Einverständnis der erinnernden Person, wobei die meisten nichts dagegen hatten. Und dann vor ein paar Jahren besuchte mich jemand aus der Fings Familie und bat mich die Geschichte niederzuschreiben. Ich kann euch sagen, dass ich da ganz schön froh war, alles in mein Tagebuch geschrieben zu haben. Sonst hätte ich das wohl nicht so gut geschafft.
Nachdem Jane nun an diesem Tag nach Hause kam, grauste es sie schon vor der Nacht. Sie vermisste Liam so sehr, dass sie sich jede Nacht in den Schlaf weinte. Doch der Abend vor dem Bettgehen war dieses Mal viel schlimmer. Es warf sie vollständig aus der Bahn, sie hätte die stärkende Hand ihres Mannes gebrauchen können.
Die Kinder waren bei den Vorbereitungen für das Zubettgehen. Zusammen standen sie im Badezimmer. Jeder hatte ein eigenes Waschbecken und dort putzten sie sich die Zähne. Nami war an diesem Abend nicht besonders gründlich, sodass sie schon früher fertig war. Dann fing sie wieder damit an, mit Klars zu streiten. »Ich werde viel besser zaubern können als du, schließlich hatte ich meinen Stab viel schneller. Außerdem bin ich in der Schule bisher immer besser als du gewesen.«
Zunächst ließ sich Klars dadurch nicht beeindrucken und erwiderte deshalb nur: »Nicholai meinte, dass die Anspruchsvollen mächtiger wären und Zauberei kann nun wirklich nicht mit unserer bisherigen Schule verglichen werden.« Dabei grinste er sie überlegen an, doch Nami wusste, wie sie ihren Bruder zur Weißglut bringen konnte: »Das hat er nur gesagt, damit du nicht gleich zum Weinen anfängst. Selbst Mama hatte schon Angst, dass du zu schlecht bist und wollte gehen.«
Klars konnte es sich später nicht erklären, wieso er in diesem Moment so reagierte, doch er warf seine Zahnbürste ins Waschbecken, schnappte sich den Zauberstab, den er an diesem Tag überallhin mitgenommen hatte und ohne zu wissen, was er tat, schwenkte er ihn und ein Feuerstrahl erglühte. Zum Glück hatte Nami gute Reflexe und sprang rechtzeitig einen Schritt zurück. Klars konnte nicht aufhören, eine Macht durchströmte ihn und diese fühlte sich angenehm an. Sie überschwemmte all seine Gefühle. Nami lief ängstlich zu ihrer Mutter und als die Macht zu stark wurde, schrie Klars, er hatte sie nicht unter Kontrolle, sie verbrannte ihn und jede Faser seines Körpers schmerzte. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn seine Mutter nicht da gewesen wäre, doch sie eilte sofort zum Bad. Dieses stand komplett unter Flammen. Das könnt ihr euch vielleicht nicht so gut vorstellen, denn schließlich brennen Waschbecken nur schwer, aber das Feuer war schrecklich heiß, es sengte Handtücher an und erzeugte um Klars einen Wind, wodurch er nicht von den Flammen berührt wurde. Jane war verzweifelt, doch sie rief: »Klars, alles ist gut. Du kannst den Stab loslassen, du schaffst das.«
Da ihr Junge großes Vertrauen hatte, glaubte er ihr und wurde dadurch bestärkt. Er schaffte es mit großer Mühe, seine Hand zu öffnen und sofort war das Feuer weg, nichts brannte mehr. Die Sachen waren zwar voller Ruß und teilweise verbrannt, aber es bestand keine Gefahr mehr.
Jane rannte zu ihrem Sohn und nahm ihn in die Arme. Im selben Moment wurde dieser ohnmächtig. Jane war bereits voller Angst, doch in richtige Panik versetzte sie dann ein Zeichen auf Klars Handrücken. Es war eine sich achtmal umwindende, rote Spirale, die aussah, als würde ein kleines Feuer auf der Hand züngeln – das Feuermal.