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9.

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Das Parktor stand einladend offen, dennoch zögerte Rebecca Deville, bevor sie hindurchfuhr. Sie fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut, aber ihr Gewissen zwang sie, Vincent Lord Forbes aufzusuchen. Sie war überzeugt, dass über kurz oder lang auf seinem Besitz ein weiterer Mord geschehen würde.

Er wird mich auslachen, dachte sie, als sie durch die Platanenallee fuhr, die zum Schloss führte. Zwei Gärtner, die sich einige Meter entfernt um die Rosen kümmerten, blickten neugierig ihrem Wagen nach. Vor ihr tauchten die dunklen, von Efeu überwucherten Mauern Drago Castles auf. Sie passierte ein hohes Tor, über dem das Wappen der Forbes eingelassen war, und befand sich in einem weitläufigen Hof, in dem es nur wenige Bäume gab.

Unter Aufsicht ihrer Gouvernante, die auf einer Bank saß und las, fuhr Carol Forbes mit ihrem Fahrrad durch den Hof. Sie war sieben Jahre alt, wirkte aber entschieden jünger. Neugierig starrte sie Rebecca an, als diese, nachdem sie in der Nähe des Brunnens geparkt hatte, den Wagen verließ und auf das Portal zuging. Das Mädchen lehnte das Rad gegen den Brunnen und folgte ihr.

"Wer sind Sie, Miss?", erkundigte sie sich, als sie Rebecca erreicht hatte.

"Carol!" Mademoiselle Manet erhob sich.

"Ich bin Rebecca Deville, Carol", erwiderte die junge Frau. "Ich möchte deinen Vater sprechen."

"Ich glaube nicht, dass Daddy Zeit hat", bemerkte das Kind. "Daddy hat nie Zeit." Es seufzte laut auf. "Wenn ich ..."

"Miss Carol, ich glaube kaum, dass es Seine Lordschaft dulden würde, wie du dich benimmst." Mademoiselle Manet ergriff die Hand ihres Zöglings. "Bitte verzeihen Sie, Miss. Wenn Sie den Türklopfer betätigen, wird der Butler erscheinen." Entschlossen führte sie Carol fort.

Rebecca blickte ihnen nach, dann griff sie nach dem Türklopfer. Ein dunkler Glockenton erklang. Keine zwei Minuten später wurde ihr von einem älteren Mann das Portal geöffnet. Sie erinnerte sich, ihn unter den Angestellten Lord Forbes' in der Kirche gesehen zu haben.

"Bitte, Sie wünschen?", fragte er und umfasste sie mit einem einzigen Blick.

Die Malerin stellte sich vor. "Ich hätte gerne Lord Forbes in einer äußerst dringenden Angelegenheit gesprochen", fügte sie hinzu.

"Erwartet Seine Lordschaft Ihren Besuch, Miss Deville?"

"Nein."

"Bitte nehmen Sie einen Augenblick Platz." Der Butler wies auf eine gepolsterte Bank, die in der Halle nahe dem Eingang stand. "Ich werde sehen, ob Seine Lordschaft Sie empfangen kann."

Die junge Frau setzte sich. Unruhig ließ sie den Blick durch die düstere Halle gleiten. Sie dachte daran, wie die frühere Kinderfrau Lord Forbes' den alten Dagobert auf der Treppe gesehen haben wollte. Sie konnte sich gut vorstellen, dass in einem Gebäude wie Drago Castle die Fantasie abergläubischer Menschen geradezu Kapriolen schlug.

War es richtig, den Herrn von Drago Castle aufzusuchen? Vermutlich würde er sie für verrückt erklären. Rebecca musste sich eingestehen, dass es jedem normalen Menschen schwerfallen würde, ihre Geschichte zu glauben. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte auf schnellstem Weg das Schloss verlassen.

Es dauerte einige Minuten, bis der Butler zurückkehrte. "Seine Lordschaft lässt bitten", sagte er hoheitsvoll und neigte steif den Kopf.

Die junge Frau stand auf und folgte dem Mann durch einen gewundenen, dunklen Gang zum Arbeitszimmer des Lords. An den Wänden hingen die verschiedensten Waffen. Die meisten von ihnen schienen über hundert Jahre alt zu sein.

Der Butler öffnete eine Flügeltür und ließ Rebecca an sich vorbeigehen. "Miss Deville, Euer Lordschaft", verkündete er so erhaben, als hätte eine Königliche Hoheit Drago Castle mit ihrem Besuch beehrt.

Vincent Lord Forbes stand hinter seinem Schreibtisch auf und ging Rebecca entgehen. An diesem Morgen war er wie ein Landedelmann gekleidet. Irgendwie passte es nicht zu ihm. "Es ist gut, Sanders, Sie können gehen." Er nickte dem Butler zu. "Es freut mich Sie kennenzulernen, Miss Deville", sagte er und bot der jungen Frau die Hand. "Ich habe bereits von Ihnen gehört. Darf ich Ihnen zu Ihrem Erfolg in London gratulieren?"

Es überraschte Rebecca, dass Lord Forbes wusste, wer sie war, erleichterte ihr jedoch auch ihr Anliegen. "Danke, Lord Forbes", erwiderte sie. "Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie so unangemeldet störe. Ich muss Sie in einer äußerst wichtigen Angelegenheit sprechen."

"Bitte nehmen Sie Platz." Lord Forbes wies auf einen mit Leder bezogenen Sessel, der vor seinem Schreibtisch stand. "Darf ich Ihnen etwas anbieten?"

"Nein, danke."

Er nickte und setzte sich wieder. "Also, Miss Deville, weshalb wollten Sie mich so dringend sprechen?" Mit einer großartigen Bewegung wies er über seinen mit Papieren bedeckten Schreibtisch. "Ich habe wirklich sehr viel zu tun. Zurzeit arbeite ich an einem neuen Buch."

Rebecca holte tief Luft, dann öffnete sie ihre Tasche und nahm die beiden Skizzen heraus, die sie am Sonntagnachmittag gemacht hatte. Sie reichte ihm das erste der Bilder.

Vincent Lord Forbes betrachtete es lange, dann hob er den Kopf. "Ich wundere mich über Ihren Erfolg nicht, Miss Deville", sagte er mit Nachdruck. "Eine ausgezeichnete Arbeit."

"Danke, aber diese Skizze ist nicht der Grund, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin." Die Malerin reichte ihm das zweite Blatt. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Reaktion.

Lord Forbes wurde um eine Nuance blasser. "Was soll das, Miss Deville?" Stirnrunzelnd sah sie an. "Meinen Sie wirklich, dass Drago Castle der richtige Schauplatz für einen Kriminalfilm wäre? Ich nehme an, dass es sich bei dieser Skizze um einen Entwurf für einen Film handelt?" Seine Augen wurden starr. "Oder haben Sie vor, den Mord an meiner Frau zu verarbeiten? Wie können Sie es wagen ..."

"Sie irren sich, Lord Forbes", erwiderte Rebecca. "Ich habe nicht vor, Sie zu quälen. Ich verstehe durchaus, wie sehr Sie diese Skizze an den Tod Ihrer Frau erinnern muss. Ich bin überzeugt, dass ein zweiter Mord auf Drago Castle geschehen wird."

"Halten sie sich etwa für eine Hellseherin?" Lord Forbes gab ihr die Skizze zurück, ohne diese eines zweiten Blickes zu würdigen. "Lassen Sie sich bitte gesagt sein, dass ich an dererlei Humbug nicht glaube."

"Hellsehen, ich weiß es nicht", sagte die Malerin. Sie spürte, dass es sich höchstens noch um Minuten handeln konnte, bis er sie vor die Tür setzte. Mit wenigen Worten sprach sie von ihrem Unfall und der schweren Gehirnerschütterung. Dann erzählte sie von dem brennenden Flugzeug und dem Brückeneinsturz in Kanada. "Jedes Mal hatte ich zuvor wie unter Zwang die Unglücksfälle skizziert. Auch bei dieser Skizze befand ich mich halb in Trance." Sie griff nach dem Zeichenblatt. "Auch wenn es in Ihren Ohren lächerlich klingen wird, Mylord, ich musste Sie warnen."

Die Lippen des Aristokraten umspielte ein ironisches Lächeln. "Erwarten Sie wirklich, dass ich Ihnen das glaube, Miss Deville?" Er stand auf. "Schade, ich hätte nicht gedacht, dass eine junge Dame mit Ihrem Talent es nötig hätte, mit dererlei billigen Tricks, auf sich aufmerksam zu machen."

Die junge Frau spürte, wie sie errötete. Sie erhob sich ebenfalls. "Das habe ich tatsächlich nicht nötig, Lord Forbes", entgegnete sie und blickte ihm trotz ihres Unbehagens in die Augen. "Ich bin gekommen, weil ich es für meine Pflicht hielt. Es tut mir leid, Sie behelligt zu haben."

Vincent Lord Forbes hatte auf den Klingelknopf gedrückt. Die Tür öffnete sich und der Butler erschien. "Miss Deville möchte gehen, Sanders. Bitte begleiten Sie sie hinaus."

"Sehr wohl, Euer Lordschaft." Sanders wandte sich Rebecca zu. "Bitte kommen Sie, Miss Deville." Er trat beiseite.

"Es hat mich gefreut, Miss Deville." Lord Forbes neigte überheblich den Kopf.

"Das bezweifle ich, Mylord", bemerkte Rebecca kühl. "An Ihrer Stelle würde ich wenigstens über die Skizze nachdenken. Davon abgesehen kann ich sehr gut verstehen, wie schwer es Ihnen fällt, mir Glauben zu schenken."

"Gehen Sie."

"Bitte, Miss Deville." Sanders wies in den Gang.

"Schon gut. Es ist nicht nötig, mich gewaltsam rauszuwerfen", sagte Rebecca und trat in den Gang. Ohne sich ein einziges Mal umzusehen, wandte sie sich der Halle zu. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so gedemütigt gefühlt. Wie konnte Lord Forbes annehmen, dass sie nur aufgesucht hatte, um sich wichtig zu machen?

Der Butler ging an ihr vorbei und öffnete das Portal. Sie schenkte ihm keinen Blick, als sie an ihm vorbeiging. Ohne Eile wandte sie sich ihrem Wagen zu und stieg ein.

Wenn es dunkel wird ...

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