Читать книгу Wenn es dunkel wird ... - J. M. Roberts - Страница 8
5.
ОглавлениеRobert Hale dachte nicht daran, seiner Freundin zu verzeihen. Auch wenn er Rebecca nach wie vor liebte, er konnte es nicht ertragen, stets hinter ihrer Arbeit zurückstehen zu müssen. Immer wieder versuchte die junge Frau, sich mit ihm zu versöhnen. Er war nicht dazu bereit.
"Vermutlich ist es sogar besser so", bemerkte Rebecca resignierend zu Paul Jones, als dieser ihr half, die letzten Bilder in die Galerie zu bringen. "Robert und ich passen nicht zueinander. Wir sind zu verschieden."
"Absoluter, Unsinn, Rebecca", erwiderte der junge Mann. "Aber Robert kann genauso dickköpfig sein wie du. Wenn zwei Menschen zusammengehören, dann ihr beide." Er legte die Hände auf ihre Schultern. "Gib ihn nicht auf, bitte."
"Er hat mich aufgegeben", meinte Rebecca mit einem schmerzlichen Lächeln. Sie vermisste Robert mehr, als sie sich eingestehen wollte. Meist erwachte sie sogar mit den Gedanken an ihn.
"Verlaß dich darauf, übermorgen wird er an deiner Seite stehen und die Gäste begrüßen", sagte Paul Jones. Er zwinkerte ihr zu. "Notfalls werde ich ihn hinschleifen."
Die Malerin schüttelte den Kopf. "Nein, Paul, ich möchte nicht, dass du Robert zwingst, die Ausstellung zu besuchen. Wenn, dann soll er freiwillig kommen."
"Nun, er wird es bestimmt", versicherte Paul. "Ich kenne ihn." Er hob ein großes Bild aus dem Kofferraum seines Wagens und reichte es einem der Männer, die für die Galerie arbeiteten. "Darf ich dich zum Essen einladen, Rebecca?"
"Mister Kessler hat mich schon eingeladen, Paul, tut mir leid." Die junge Frau sah ihn an. "Danke für deine Hilfe. Ich würde dir gerne Grüße an Robert auftragen, nur wird er auf sie kaum Wert legen. Machs gut."
"Bis zur Vernissage, Rebecca. Kopf hoch!" Paul küsste sie auf die Wange und stieg in seinen Wagen. Zum Abschied hupte er noch zweimal hintereinander, dann fuhr er davon.
Rebecca wandte sich seufzend um und betrat die Galerie durch den Hintereingang. Bis zur Ausstellungseröffnung waren es noch zwei Tage. Es gab noch einiges mit Arthur Kessler zu besprechen. Zur Vernissage wurde auch die Presse erwartet. Sie wollten festlegen, was sie den Journalisten sagen würden.
"Sieht aus, als würde am Samstagabend alles klappen", meinte der beleibte Galerist strahlend, als die Malerin sein Büro betrat. "Gerade habe ich noch einmal mit dem Agenten der Field-Sisters gesprochen. Sie sind mit den Musikstücken einverstanden, die wir aus ihrem Repertoire ausgewählt haben."
"Mir wäre lieber gewesen, Robert Hale hätte bei der Eröffnung aus seinen Werken gespielt", bemerkte sie mit Nachdruck. Die Field-Sisters waren von Anfang an ein Streitpunkt zwischen ihnen gewesen.
"Rebecca, Sie wissen, weshalb ich dagegen gewesen bin. Mister Hale mag Ihnen noch soviel bedeuten, die Field-Sisters sind bekannter als er. Diese Ausstellung ist für uns beide zu wichtig, als dass irgendetwas schiefgehen dürfte." Er zwinkerte ihr zu. "Aber wenn Sie möchten, könnten wir im Rahmen Ihrer Ausstellung in drei, vier Wochen einen Abend mit Mister Hale gestalten."
"Ich werde mit ihm darüber sprechen", versprach Rebecca, obwohl sie sich sicher war, dass Robert ablehnen würde. In diesem Fall konnte sie ihren Freund sogar verstehen. Wenn er Mister Kessler nicht gut genug schien, auf der Vernissage zu spielen, konnte er darauf verzichten, ihm für eine weniger wichtige Veranstaltung zur Verfügung zu stehen.
Paul Jones schaffte es nicht, seinen Freund zu bewegen, an Rebeccas Vernissage teilzunehmen. Als Robert eine halbe Stunde nach Eröffnung der Ausstellung noch immer nicht eingetroffen war, gab Rebecca es auf, nach ihm Ausschau zu halten. Es bedrückte sie, dass ihr Freund nach wie vor unversöhnlich schien, aber sie hatte an diesem Abend zu viel zu tun, um länger darüber nachzudenken. Es waren nicht nur die Journalisten, die hundert Fragen an sie stellten, sie musste sich auch den Gästen widmen und ihnen Rede und Antwort stehen. Alles in allem war es eine sehr erfolgreiche Veranstaltung. Als die Galerie endlich schloss, waren bereits ein Großteil der Bilder verkauft worden.
Rebecca fuhr mit dem Taxi nach Hause. Müde lehnte sie sich im Polster zurück. Sie hatte gehofft, dass wenigstens Paul Jones zur Vernissage kommen würde, stattdessen hatte er sie am Nachmittag angerufen und ihr gesagt, dass er mit Fieber im Bett lag. Sie war sich sicher, dass es keine Ausrede gewesen war. Dazu kannte sie Paul zu gut.
Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich vermisse, Robert, dachte die Malerin, als sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg. Mit offenen Augen träumte sie davon, dass er vor ihrer Wohnungstür auf sie warten würde, aber als sie den letzten Treppenabsatz erreicht hatte, wusste sie, dass es nichts als Illusion gewesen war. Robert schien sie völlig aus seinem Leben gestrichen zu haben, mochte Paul da sagen, was er wollte.
Rebecca spürte heftige Kopfschmerzen, dennoch brachte sie es nicht fertig, schlafen zu gehen. Sie war viel zu aufgewühlt. Sie konnte es kaum noch erwarten, die Sonntagszeitung zu lesen. Sicher wurde auch in ihr über die Vernissage berichtet.
Die junge Frau setzte Teewasser auf. Während es kochte, zog sie sich in ihrem Schlafzimmer um und nahm eine Schmerztablette. Sie wollte sich nicht diese Nacht durch Kopfschmerzen verderben lassen. Es kam ihr vor, als würde sie schweben. Es war ein wundervolles, wenn auch etwas beängstigendes Gefühl. Fest stand, sie durfte nicht stehen bleiben, musste sich als Malerin weiterentwickeln.
Mit einer Tasse Tee in der rechten Hand, öffnete Rebecca die Tür zum Atelier. Der Raum wirkte ohne die vielen Bilder, die noch vor einigen Tagen in ihm gestanden hatten, viel größer als sonst. Sie stellte die Teetasse auf ein Tischchen und trat an die Staffelei. Sie lachte über sich selbst, als ihr bewusst wurde, dass sie am liebsten sofort wieder mit dem Malen begonnen hätte.
Die junge Frau setzte sich in einen Sessel und trank in aller Ruhe ihren Tee. Die Müdigkeit, die sie noch im Taxi empfunden hatte, war wie weggewischt. Auch von ihren Kopfschmerzen spürte sie nichts mehr. Sie schloss die Augen und ließ sich noch einmal den vergangenen Abend Minute für Minute durch den Kopf gehen.
Plötzlich stand Rebecca auf. Wie in Trance stellte sie die leere Teetasse ab und griff nach ihrem Skizzenblock und einem Stift. Sie setzte sich auf den Hocker vor der Staffelei. Ohne darüber nachzudenken, begann sie eine tiefe Schlucht zu skizzieren, über die eine schmale Brücke führte. Ein Zug fuhr über die Brücke. Er hatte fast die Mitte erreicht, als sie direkt vor ihm zusammenbrach. Die Lokomotive stürzte in die Tiefe und zog die Waggons mit sich.
Nein, dachte Rebecca und starrte fassungslos auf die Skizze. Jedes Härchen an ihrem Körper schien sich aufzurichten. "Nein!", stieß sie hervor. Sie ließ Block und Stift fallen, vergrub ihr Gesicht in den Händen. Woher war dieses Bild in ihrem Inneren gekommen? Warum hatte sie so etwas Schreckliches gezeichnet?
Die junge Frau erinnerte sich des brennenden Flugzeuges. Sein Name hatte sich tief in ihr eingegraben. Gut, Robert hielt es für einen Zufall, dass die Skizze, die sie im Krankenhaus gemacht hatte, mit der Wirklichkeit übereinstimmte, aber sie spürte, dass es mehr als ein Zufall gewesen war. Während der letzten Wochen hatte sie nur jeden Gedanken daran verdrängt gehabt.
Rebecca ließ die Hände sinken. Sie bückte sich nach dem Skizzenblock und hob ihn auf. Blind vor Tränen starrte sie auf das Bild der einstürzenden Brücke. Sie ahnte, dass es schon bald Wirklichkeit werden würde. Eine entsetzliche Angst erfüllte sie. Es gab nichts, was sie tun konnte. Wen sollte sie warnen? - Außerdem würde man sie auslachen. Wer sollte ihr denn auch so eine absurde Geschichte glauben? Die Leute würden annehmen, dass sie sich nur wichtig machen wollte.
Impulsiv riss die Malerin das oberste Blatt vom Block und zerfetzte es in winzige Teilchen, so, als könnte sie damit das Unglück abwenden. Aber auch wenn sie die Skizze zerstört hatte, Rebecca sah immer noch die einstürzende Brücke vor sich, und die entsetzliche Angst, die sie ergriffen hatte, raubte ihr fast den Atem.