Читать книгу Wenn es dunkel wird ... - J. M. Roberts - Страница 14

11.

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Die nächsten Tage verstrichen ereignislos. Rebecca ging oft zum Strand hinunter, wo sie interessante Leute kennenlernte, die ihre Ferien in Cornwall verbrachten. Mrs. White machte sie mit einigen der Fischer bekannt und manchmal fuhr sie abends mit ihnen aufs Meer hinaus. Es faszinierte die junge Frau, wie die Männer ihre kleinen Boote sicher durch die Brandung steuerten. Trotz der Dunkelheit gelang es ihr, sie skizzieren. Als man sie fragte, ob sie nicht Lust hätte, am Ende des Sommers ihre Bilder von Cornwall im Gemeindehaus auszustellen, sagte sie zu.

Es war Rebecca gelungen, jeden Gedanken an ihre Visionen in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu verdrängen. Seit ihrer Rückkehr vom Bodmin Moor hatte sie auch keine weiteren Zukunftsbilder mehr gesehen. Dann wurde sie schlagartig an alles erinnert, als Mrs. White eines Morgens völlig aufgelöst zu ihr kam.

"Stellen Sie sich vor, in der Nacht ist auf Drago Castle eingebrochen worden!", stieß sie heiser hervor. "Ich habe es gerade von Jeffrey erfahren."

"Wer ist Jeffrey?", fragte die Malerin.

"Ein junger Bursche, der hin und wieder Besorgungen für den Haushalt Seiner Lordschaft macht", gab Emily bereitwillig Auskunft. "Die Polizei ist bereits auf Drago Castle. Es soll sogar Verstärkung von Bodmin angefordert worden sein. Unser guter Constabler Green ist mit so einem Fall auch sicher überfordert." Sie schüttelte missbilligend den Kopf. "Wo soll das in dieser Welt noch hinführen, wenn Diebe jetzt nicht einmal mehr vor Heiligenbildern haltmachen."

"Sie meinen, das Bildnis der Heiligen Agnes ist gestohlen worden?", fragte Rebecca erregt. Im selben Moment fiel ihr die Szene ein, die sie auf der Rückfahrt vom Bodmin Moor gesehen hatte. Die Männer hatten etwas in den Keller getragen, das wie ein großes Bild gewirkt hatte. - Nein, unmöglich, sie konnte nicht den Einbruch in der Schlosskapelle vorausgesehen haben. Nervös strich sie sich die Haare zurück.

"Fühlen Sie sich nicht wohl, Miss Deville?" Die Wirtschafterin sah sie besorgt an. "Sie sind plötzlich so blass. Vielleicht sollten Sie nicht so oft an die Sonne gehen."

Rebecca zwang sich zu einem Lächeln. "Ich habe nur etwas Migräne", log sie. Zum Glück konnte Emily White nicht wissen, dass sie in ihrem ganzen Leben noch keine Migräne gehabt hatte.

"Meine Mutter hat auch unter Migräne gelitten, die arme Seele", meinte die Wirtschafterin seufzend. "Schlimm für Seine Lordschaft. Immerhin handelt es sich um ein sehr wertvolles Bild. Ich kann mir vorstellen, wie ihn der Verlust getroffen hat."

"Nun, wenn er Glück hat, wird man die Täter und die Beute über kurz oder lang finden", antwortete die Malerin und musste wieder an den Keller unterhalb der alten Mühle denken. "Ist noch mehr gestohlen worden?"

"Ja, noch einige andere Bilder, außerdem Leuchter, die silberne Taufschale, die seit Generationen in der Familie ist, der dazugehörige Wasserkrug und mehrere wertvolle Bücher, die in einem Schrank in der Sakristei standen." Wieder seufzte Emily auf. "Als hätte Seine Lordschaft nicht schon genug Kummer gehabt. Manche Menschen sind wirklich vom Pech verfolgt."

An diesem Vormittag fand Rebecca keine Ruhe am Strand. Sie beschloss, in einem kleinen Café an der Hauptstraße von Clovelly ein Eis zu essen. Kaum hatte sie das Café betreten, wurde sie auch schon von den anderen Leuten befragt, was sie zu dem Einbruch in der Schlosskapelle sagen würde.

"Man sollte meinen, dass der Geist des alten Dagoberts die Schurken davon abgehalten hätte, das Bildnis der Heiligen Agnes mitzunehmen", meinte eine ältere Frau, deren Familie seit Generationen im Dorf lebte.

"Nun, nach allem, was man sich so über den alten Dagobert erzählt, hat er die Einbrecher vielleicht noch extra auf das Heiligenbild hingewiesen", lachte der Besitzer der Eisdiele. "Bedauerlich für Seine Lordschaft. Ich hätte Lord Forbes etwas mehr Glück gegönnt."

"Bestimmt war das Bild versichert", meinte eine junge Frau, die neben Rebecca stand und auf ihr Eis wartete. "Außerdem gibt es Schlimmeres auf der Welt, als den Einbruch in eine Schlosskapelle. Wenn unsereinem die Handtasche geraubt wird, macht man längst nicht soviel Trara."

"Ihre Handtasche wird auch kaum Wunder wirken können", erwiderte der Besitzer der Eisdiele. Es war ihm anzumerken, dass ihm die Meinung der jungen Frau nicht gefiel. Wie die meisten Leute von Clovelly war er stolz, im Schatten von Drago Castle zu leben.

Zum Lunch kehrte Rebecca nach Hause zurück. Als sie sich mit ihrem Essen ins Wohnzimmer setzte, fiel ihr Blick auf Roberts Foto. Warum meldete er sich nicht? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er nichts mehr für sie empfand. Gut, sie hatte ihn mit ihrem Verhalten gekränkt, aber machte nicht jeder Mensch einmal Fehler?

Die junge Frau überlegte, ob sie ihm schreiben sollte. Anrufen hatte wenig Sinn. Robert hatte es bisher jedes Mal verstanden, sie sofort wieder aus der Leitung zu würgen.

Die Malerin trat ans Klavier und griff nach dem Foto ihres Freundes. Sehnsuchtsvoll berührte sie sein Gesicht. Spürst du nicht, wie sehr ich dich brauche, dachte sie. Wenn du wüsstest, wie du mir fehlst.

Nach dem Essen setzte sich Rebecca in den Garten, um etwas zu lesen, aber schon nach wenigen Seiten ließ sie das Buch sinken und blickte nach Drago Castle hinauf. Sie stand auf und holte die Skizze, die sie auf der Rückfahrt vom Bodmin Moor gemacht hatte, aus ihrer Arbeitsmappe. Inzwischen war sie sich ganz sicher, dass die Einbrecher ihre Beute im Keller der Mühle versteckt hatten. Sollte sie mit der Skizze zur Polizei gehen?

Man wird mich auslachen und für verrückt erklären, überlegte Rebecca. Nach allem, wie Lord Forbes sie behandelt hatte, war er es auch nicht wert, dass sie sich um den Verbleib des Heiligenbildes sorgte. Zudem glaubte sie ohnehin nicht daran, dass es Wunder vollbringen konnte.

Aber war es nicht ihre Pflicht, mit der Polizei über die Mühle zu sprechen? Immerhin handelte es sich um ein Verbrechen. Wieder dachte sie darüber nach, wo sie den einen der Männer schon gesehen hatte. Es musste sich um jemanden aus Clovelly handeln. Konnte es einer der Fischer sein? - Nein, da war sie sich ganz sicher. Vielleicht gehörte dieser Mann zu den Touristen, die wie die Heuschrecken über die kleine Ortschaft hergefallen waren.

Rebecca blickte erneut zum Schloss hinauf. Sie hatte wirklich keinen Grund, sich Lord Forbes' wegen lächerlich zu machen, andererseits durfte es nicht sein, dass die Männer, die in die Schlosskapelle eingebrochen waren, ungestraft davonkamen. Widerwillig beschloss sie, sich doch an die Polizei zu wenden.

Ich werde bis morgen früh damit warten, dachte sie. Vielleicht hat man bis dahin bereits eine Spur gefunden, dann muss ich mich nicht in die Ermittlungen einmischen. Immerhin könnte es sein, dass ... Sie lachte unfroh auf. Du bist ein Feigling, sagte sie sich. Du hast nur Angst, deine Geschichte der Polizei zu erzählen.

Die junge Frau schluckte. Am besten, sie fuhr sofort nach Clovelly. Wenn sie Glück hatte, konnte sie Constabler Green alleine sprechen. Zuhörer waren das Letzte, was sie sich wünschte.

Rebecca zögerte noch ein paar Minuten, dann zog sie sich um und verließ mit der Skizze das Haus. Ohne Eile fuhr sie nach Clovelly. Es war, als würde sie auf ein Wunder warten, dass sie davor bewahrte, von ihrer Vision zu erzählen.

Constabler Green saß alleine in seinem Büro und telefonierte, als die Malerin eintrat. Er blickte zu ihr auf. Seine Augenbrauen hoben sich überrascht, als er Rebecca erkannte. Ohne sein Gespräch zu unterbrechen wies er auf einen Stuhl.

Die junge Frau nahm Platz. Sie fühlte, wie ihre Hände feucht wurden. Am liebsten wäre sie aus dem staubigen Büro an die frische Luft geflohen. Sie überlegte bereits, ob sie nicht einfach wieder gehen sollte, als der Constabler sein Gespräch beendete.

"Miss Deville, was kann ich für Sie tun?", fragte er freundlich. Sein gehetzter Gesichtsausdruck verriet nur allzu deutlich, dass er nicht daran dachte, ihr sehr viel Zeit zu widmen. "Es ist heute ein ziemlich verrückter Tag", fügte er hinzu. "Sie haben sicher von dem Einbruch auf Drago Castle gehört. Lord Forbes gehört nicht gerade zu den geduldigen Menschen." Er hob die Schultern. "Also, was haben Sie für einen Kummer?"

"Es handelt sich um den Einbruch", erwiderte Rebecca und stand auf. Sie nahm die Skizze aus ihrer Tasche und schob sie ihm entgegen.

Constabler Green warf einen kurzen Blick auf die Skizze. "Und?" Erneut hob er die Augenbrauen.

Rebecca sprach von ihrem Ausflug nach Bodmin Moor. Als sie ihre Visionen erwähnte, verzogen sich seine Lippen spöttisch. "Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie mir nicht glauben", sagte sie und sprach von dem Flugzeugabsturz und das Eisenbahnunglück. Sie überlegte, ob sie auch von dem Mord in der Schlosskapelle sprechen sollte und entschied sich dagegen. "Vermutlich fragen Sie sich gerade, ob Sie nicht einen Arzt rufen sollen", fügte sie hinzu.

Der Polizist holte tief Luft. "Ich kenne Sie, Miss Deville, und ich schätze Sie als Menschen und als Malerin, aber Sie müssen selbst zugeben, dass Ihre Geschichte reichlich ... na, sagen wir, kurios klingt. Ich bin kein Mensch, der für Hellseherei oder dererlei Unsinn etwas übrig hätte. Für mich zählen Fakten, bloße Fakten, und bisher bin ich damit stets gut gefahren."

"Mister Green, dennoch sollte man oft auch das Unmögliche in Erwägung ziehen", widersprach Rebecca. "Was wäre dabei, wenn Sie den Keller der Mühle durchsuchen?"

Er lachte bitter auf. "Sie scheinen zu vergessen, dass ich für die Bodminer Umgebung nicht zuständig bin. Dieser Fall ist mir ohnehin faktisch bereits aus den Händen genommen worden. Können Sie sich vorstellen, was man mir erzählen wird, wenn ich meinen Vorgesetzten mit so einer Geschichte komme?"

"Hin und wieder lohnt es sich, auch einmal etwas zu riskieren", wandte die Malerin ein. "Meinen Sie, ich hätte keine Bedenken gehabt, Ihnen die Skizze zu zeigen?"

Er sah sie forschend an. "Sie scheinen felsenfest von Ihrer Geschichte überzeugt zu sein."

"Ja." Rebecca nickte. "An Ihrer Stelle würde ich jedem Hinweis nachgehen, selbst, wenn er noch so verrückt klingen mag. Immerhin könnte es Ihrer Karriere förderlich sein, wenn durch Ihre Hilfe die Diebesbeute sichergestellt wird." Sie stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf die Schreibtischplatte. Sie spürte, wie der Constabler über ihre Worte nachdachte. "Bitte glauben Sie mir, ich wäre nicht zu Ihnen gekommen, wenn ich auch nur die geringsten Zweifel hätte."

Constabler Green warf einen weiteren Blick auf die Skizze. Er seufzte laut auf, dann schüttelte er den Kopf. "Tut mir leid, Miss Deville, aber ich habe nicht vor, mich lächerlich zu machen." Er gab ihr die Skizze zurück. "Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe sehr viel zu tun."

"Wenn Sie schon nicht mit Ihren Vorgesetzten über die Skizze sprechen wollen, so könnten Sie immerhin sozusagen als Privatmann zur Mühle fahren. Ich glaube kaum, dass es ein Gesetz gibt, das dagegen spricht." Rebecca stützte sich auf seinem Schreibtisch auf. "Es wäre ein Versuch, Mister Green."

"Miss Deville, ich habe wirklich keine Zeit, mit Ihnen noch länger über Ihre angebliche Vision zu diskutieren", unterbrach sie der Constabler gequält.

Rebecca spürte, wie Wut in ihr aufstieg, aber sie beherrschte sich. "Sie müssen wissen, was Sie tun, Constabler", bemerkte sie kühl und steckte die Skizze in ihre Handtasche zurück. "Einen schönen Tag noch." Sie drehte sich um und verließ die Polizeistation.

Während der Heimfahrt zwang sich die junge Frau, nicht mehr an den Einbruch zu denken. Sie überlegte, was sie am nächsten Tag unternehmen sollte, aber dennoch glitten ihre Gedanken immer wieder zur Mühle zurück. Sollte sie auf eigene Faust ...

Nein, sagte sie sich. Warum sollte sie sich wegen Lord Forbes in Gefahr begeben? Reichte es nicht, dass Constabler Green sie für verrückt hielt? Wahrscheinlich würde er sogar mit seiner Frau über ihre angebliche 'Hellseherei' sprechen. Vermutlich würde bald ganz Clovelly hinter vorgehaltener Hand über sie lachen.

Am besten ich packe meine Sachen und fahre nach London zurück, dachte Rebecca, als sie sich in ihrer kleinen Küche etwas zum Abendessen machte. Aber sollte sie wirklich einfach aufgeben? Es war nicht ihre Art, davonzulaufen. Was sprach dagegen, nach Einbruch der Dunkelheit der Mühle einen Besuch abzustatten?

Die Malerin gestand sich ein, dass sehr viel dagegen sprach, aber sie wusste auch, dass sie dennoch ins Bodminer Moor fahren würde. Sie musste herausfinden, ob die Vision, die sie gehabt hatte, mit der Wirklichkeit übereinstimmte.

Wenn es dunkel wird ...

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