Читать книгу Wenn es dunkel wird ... - J. M. Roberts - Страница 15

12.

Оглавление

Die Sonne war längst untergegangen, als Rebecca Deville ihren Wagen hinter einem niedrigen Hügel, der jenseits der Straße lag, abstellte. Sie hatte es nicht gewagt, den Wagen einfach an der Straße stehen zu lassen. Immerhin musste sie damit rechnen, dass auch die Männer, die das Heiligenbild gestohlen hatten, in dieser Nacht zur alten Mühle fahren würden.

Ihr Herz schlug laut und schmerzhaft, als sie sich dem verfallenen Gebäude zuwandte. Sie hatte Angst und das nicht nur wegen der Männer, die in die Schlosskapelle eingedrungen waren. Schon am Tag wirkte die Mühle unheimlich, jetzt in der Nacht, schien sie tatsächlich ein Hort aller möglichen Spukgestalten zu sein.

Hör auf, dir etwas einzureden, befahl sich Rebecca und zwang sich, den Blick nicht der Mühle zuzuwenden, sondern ohne nach rechts und links zu sehen, auf den Keller zuzugehen. Kalter Schweiß rann ihr den Nacken hinunter. Jedes Härchen auf ihrem Körper schien sich aufgerichtet zu haben.

Endlich hatte die junge Frau die Kellertreppe erreicht. Erschrocken zuckte sie zusammen, als ein Nachtvogel einen klagenden Schrei ausstieß. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre in panischer Angst davongelaufen.

"Mach nur so weiter", sagte sie verächtlich vor sich hin.

Es war eine schwüle Nacht, doch Rebecca fror. Statt Blut schien flüssiges Eis durch ihre Adern zu strömen. Mit der rechten Hand umklammerte sie die Taschenlampe so fest, dass ihre Finger schmerzten.

Vorsichtig stieg die Malerin die ausgetretenen Stufen zum Keller hinunter. Dann stand sie vor der halbrunden Tür. Sie streckte die Hand aus und drückte mit angehaltenem Atem die schwere Klinke hinunter. Genauso leicht wie bei ihrem ersten Besuch, sprang die Tür auf.

Damit hatte Rebecca nicht gerechnet und sich deshalb, in einer Bodminer Eisenwarenhandlung ein Stemmeisen gekauft. Die Männer, die ihre Beute hier versteckt hatten, mussten sich ihrer Sache sehr sicher gewesen sein. Vermutlich war außer ihnen nie jemand hergekommen.

Angewidert rümpfte die junge Frau die Nase, als ihr der Modergeruch aus den Kellerräumen entgegen drang. Der Gang, der zu ihnen führte, erschien ihr wie ein schwarzer Schlund, der sie zu verschlingen drohte. Es kostete sie Überwindung, den ersten Schritt zu tun.

Das Licht der Taschenlampe huschte über die ausgemauerten Wände. Glühende Augen schienen sie aus der Dunkelheit heraus anzustarren. Langsam, um nicht über etwas zu stolpern, kämpfte sich Rebecca Schritt für Schritt vorwärts. In den Gewölben schien sich seit ihrem ersten Besuch nichts verändert zu haben. Bis auf die alten Fässer und die Seile waren sie leer.

Sollte sie sich geirrt haben? Hatte ihr die Fantasie einen Streich gespielt?

Rebecca hätte gerne daran geglaubt, denn es hätte ihr bewiesen, dass sie nicht in die Zukunft sehen konnte, leider durfte sie es sich nicht so einfach machen. Immerhin hatte sie den Flugzeugabsturz und das Eisenbahnunglück vorausgesehen. Sie war sich nach wie vor sicher, auf dem Rückweg nach Clovelly eine Vision gehabt zu haben.

Die Malerin ließ das Licht der Taschenlampe über die schmutzigen Wände huschen. Plötzlich hörte sie ein gespenstisches Rascheln. Erschrocken schrie sie auf. Gleich darauf sah sie etwas Graues hinter einem der Fässer verschwinden.

Ratten, dachte sie entsetzt und kämpfte die Angst nieder, die in ihr aufstieg. Erst vor einigen Tagen hatte sie gelesen, dass in New York ein Kind von Ratten entsetzlich zugerichtet worden war.

Du bist längst kein Kind mehr, versuchte sie, sich selbst Mut zu machen. Außerdem war es lächerlich, vor jemanden davonzulaufen, der ihr, selbst wenn er sich aufstellte, nicht einmal bis ans Knie reichte.

Rebecca ging entschlossen weiter und schlüpfte durch eine schmale Tür, die sie bei ihrem ersten Besuch nicht entdeckt hatte. Sie stand jetzt in einer fast viereckigen Kammer. Im Hintergrund führte eine Steintreppe nach oben. Sie nahm an, dass sie sich direkt unterhalb der Mühle befand.

Sollte sie die Treppe hinaufsteigen? Alleine schon der Gedanke, die Mühle zu betreten, trieb der jungen Frau den Schweiß aus den Poren. Widerwillig machte sie einige Schritte auf die Treppe zu. Vor ihren Füßen schienen sich unsichtbare Barrikaden aufzubauen. Dann hatte sie es geschafft. Sie holte noch einmal tief Luft und setzte ihren Fuß auf die erste Stufe.

Rebecca kam nicht weit. Schon nach drei Metern versperrte ihr eine Tür den Weg. Sie war abgeschlossen. Wie die junge Frau im Schein der Taschenlampe erkennen konnte, handelte es sich um ein relativ neues Schloss. Sie nahm das Stemmeisen, das sie an ihrem Gürtel trug, und schob seine Spitze zwischen Tür und Angel. Ein kurzer, kräftiger Ruck und mit einem entsetzlichen Krachen sprang die Tür auf.

Rebecca drückte sich an die Wand. Obwohl es hier nicht ganz so dunkel war wie im Keller, da durch die schmalen, halb zugenagelten Fenster etwas Mondlicht fiel, kostete es sie Überwindung, das Untergeschoss der Mühle zu treten. Ihre Hand zitterte, als sie mit dem Lichtkegel der Taschenlampe einen Halbkreis beschrieb und dabei feststellte, dass auch das Innere der Mühle eine ideale Kulisse für einen Horrorfilm abgegeben hätte.

Plötzlich hörte die junge Frau Motorengeräusch. Sie eilte zu einem der Fenster und spähte durch einen Ritz nach draußen. Ein Combiwagen holperte über den unebenen Boden auf die Mühle zu. Er hielt in der Nähe des Kellereinganges.

Rebecca holte tief Luft, um den Druck loszuwerden, der sich auf ihre Brust gelegt hatte. Es gab für sie keinen Zweifel, dass die Einbrecher zurückgekehrt waren, womöglich, um ihre Beute abzutransportieren.

Wo sollte sie sich verstecken? In den Keller konnte sie nicht zurückgehen, dort würde sie den Männern direkt in die Arme laufen. Sie musste zusehen, in dem verfallenen Haus ein Versteck zu finden.

Hatte sich die Malerin eben noch vor Spukgestalten gefürchtet, an die sie ohnehin nicht glaubte, so war ihre Furcht jetzt bedeutend realer. So lautlos es ihr möglich war, suchte sie im Untergeschoss des Hauses nach einem Versteck, aber es gab keinen einzigen Raum, der ihr etwas Schutz geboten hätte.

Aus dem Keller drangen Stimmen zu ihr nach oben. Ohne weiter darüber nachzudenken, huschte sie die Treppe zum ersten Stock hinauf. Die Dielen knarrten gefährlich unter ihren Füßen.

"Da soll der Teufel ...", stieß eine raue Stimme fassungslos hervor. "Seth, Dany, seht euch das an!"

"Aufgebrochen", hörte die junge Frau jemanden antworten. Es klang empört und überrascht zugleich.

"Wenn ich den erwische, dann ..."

"Fragt sich, wann es geschehen ist ... Los, kommt! Hoffentlich hat man nicht unser Versteck gefunden."

"Die Polizei?"

"Garantiert nicht, Seth, dann hätte man uns hier erwartet."

Rebecca schaltete die Taschenlampe aus. Die Männer betraten das Erdgeschoss. Ihre Schritte und Stimmen dröhnten unnatürlich laut durch das verfallene Gebäude. Nur noch wenige Augenblicke und man würde sie entdecken. In ihrer Angst betrat die junge Frau einfach den nächsten Raum. Sie hoffte, sich hinter alten Möbeln verbergen zu können.

Leise schloss sie die Tür hinter sich und schaltete die Taschenlampe wieder ein. Der Raum war bis auf mehrere verhüllte Bilder und einige Kartons leer. Rebecca hatte gefunden, was sie gesucht hatte.

Die Malerin wollte bereits wieder den Raum verlassen, um nach einem anderen Versteck zu suchen, als sich hinter ihr die Tür öffnete und sie vom Licht starker Lampen getroffen wurde. Automatisch wich sie zurück.

"Wen haben wir denn da?", fragte ein gedrungen wirkender Mann. Rebecca schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er machte einen hinterhältigen, brutalen Eindruck. Hin und wieder hatte sie ihn schon in Clovelly gesehen. Er gehörte zu den Gärtnern, die auf Drago Castle arbeiteten.

"Scheinbar ist hier jemand sehr neugierig gewesen", bemerkte einer seiner Kumpane. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Bevor die junge Frau wusste, wie ihr geschah, hatte er ihr schon das Stemmeisen, das sie wie eine Waffe gehoben hatte, aus der Hand gewunden. "Wir wollen keinen Ärger", fügte er ironisch hinzu. "Oder sehen Sie das anders."

Rebecca zwang sich, die Männer unerschrocken anzusehen. "Die Polizei weiß, wo ich bin", log sie. "Ich war heute Nachmittag bei Constabler Green."

Die Männer lachten auf. "Und er hat Sie mitten in der Nacht zur Mühle geschickt?", fragte der Gärtner. "Dann müsste Green noch dümmer sein, als ich ihn ohnehin einschätze." Er wandte sich an seine Kumpane. "Fesselt sie. Später können wir uns dann immer noch überlegen, was wir mit ihr machen."

"Warum lassen wir sie nicht im Moor verschwinden?" Dany sah sie grinsend an. "Wäre das nicht ein feiner Tod, Miss?"

"Warum sollten wir uns soviel Mühe machen?", fragte Seth. "Ich wäre dafür, sie gefesselt in der Mühle zu lassen." Bis sie jemand hier findet, ist sie längst vermodert."

"Wollen Sie wirklich einen Mord auf Ihr Gewissen laden?" Rebecca versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. Sie traute ohne Weiteres, jedem einzelnen dieser Männer einen Mord zu.

"Wollen Sie etwa an unser Gewissen appellieren, Miss Deville?", fragte der Gärtner ironisch. "Es geht hier um eine ganze Menge Geld." Er wies auf die Diebesbeute. "Sie können uns gerne hoch und heilig versprechen, den Mund zu halten, glauben würden wir Ihnen nicht. Warum haben Sie Ihre Nase in Dinge gesteckt, die Sie nichts angehen? Jetzt ist es zu spät."

Rebecca wehrte sich verzweifelt gegen Dany und Seth, als diese sie wie ein Paket verschnürten. Einer der Männer stieß sie zu Boden. Schmerzhaft schlug sie mit der linken Seite auf. In ihrer Angst spürte sie es nicht einmal. Ich muss hier raus, dachte sie und überlegte, wie sie sich befreien konnte. Die Fesseln saßen so fest, dass sie in ihre Hand- und Fußgelenke einschnürten.

Das letzte Bild wurde aus dem Raum getragen. Der Gärtner ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über den Körper der jungen Frau wandern. Geblendet schloss Rebecca die Augen, als das Licht ihr Gesicht traf.

"Einen angenehmen Aufenthalt", wünschte er spöttisch. "Wie heißt es so schön? Wie man sich bettet, so liegt man. Viel Spaß mit Spinnen, Ratten und Mäusen." Lachend schlug er die Tür hinter sich zu. Rebecca blieb mit ihrer Angst und ihrer Verzweiflung alleine zurück.

"Hilfe!", schrie die Malerin so laut, wie sie konnte, bevor ihr bewusst wurde, wie sinnlos dieses Schreien war. Wer sollte sie hier hören? Jetzt spürte sie auch Schmerzen in Armen und Beinen. Das Blut konnte nicht mehr ungehindert fließen. Staub kitzelte in ihrer Nase und brachte sie zum Niesen. Es ist aus, dachte sie und wünschte sich nichts sehnlichster, als zu Hause in ihrem Bett zu liegen. Es war verrückt gewesen, auf eigene Faust die Beute zu suchen.

Die junge Frau hörte ein fernes Motorengeräusch und nahm an, dass es sich um den Wagen der Einbrecher handelte. Ganz schwach drangen ferne Stimmen zu ihr. Sie klangen aufgeregt. Plötzlich fiel ein Schuss. Jemand schrie.

Rebecca robbte zur Tür. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber es gelang ihr, sich aufzurichten. Sie schaffte es, die Türklinke mit dem Kinn nach unten zu drücken, dann ließ sie sich wieder fallen und schob sich ins Treppenhaus.

"Hilfe!", schrie sie so laut sie konnte. "Hilfe!"

Etwas polterte gegen die Eingangstür. "Wer ist dort?", schrie jemand. Es war eine vertraute Stimme, aber erkannte die junge Frau sie nicht.

"Ich", antwortete sie. "Miss Deville!" Rebecca wurde schwindlig. Um sie herum schien sich alles zu bewegen. Oben und unten verschwammen ineinander. Unaufhaltsam glitt sie in ein tiefes, schwarzes Loch.

Wenn es dunkel wird ...

Подняться наверх