Читать книгу 4467 Tage oder Der Rache langer Atem - J. U. Gowski - Страница 15

7.

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Sie trafen sich abends im Landeskriminalamt. Die Temperaturen hatten für Koslowski ein erträglicheres Maß angenommen und der dicke Wachtmeister vom Dienst einem freundlichen, älteren Kollegen mit munteren grauen Augen Platz gemacht.

Das Büro war in dem Zustand, wie sie es vor wenigen Stunden verlassen hatten. Koslowski warf seine Jacke über die Lehne vom Bürostuhl an seinem Schreibtisch und setzte sich. Der Stuhl ächzte kurz unter der plötzlichen Last. Koslowski verschränkte die Arme hinter dem Kopf und meinte: »Du zuerst.«

Meyerbrinck zog sein kleines Notizbuch aus seiner Jacketttasche, während er das Jackett an die Garderobe hängte. Dann setzte er sich an den anderen Schreibtisch, Koslowski gegenüber.

»Gut, dass du nicht mit gekommen bist Sal«, hub Tom Meyerbrinck an. »Der Typ ist eine Luftnummer. Hört sich gern reden. Und ja, er war mit der Ankert zusammen. Die ganze Nacht. Seine Frau war bei ihrer Mutter. Auf das Verhältnis angesprochen meinte er, er könne seine Frau nicht verlassen. Da seine Frau sehr labil sei und es sonst nicht schaffe. Das hat er auch wohl der Ankert gesagt. Wie sagte er so schön: Seine Frau ist sehr nah am Wasser gebaut, vor allem wenn sie was getrunken hat. Ich vermute eher, dass sie den Laden schmeißt und er nur der Clown ist. An den Wänden hingen eingerahmte Zeitungsausschnitte, Interviews mit ihm. Ich hab sie mir durchgelesen. Sie die Köchin, er der ehemalige Kameramann. Auf den Fotos, die ich bei ihm dort gesehen habe, sah er aber eher nach Beleuchter und Kamerawagenschieber aus. Es kamen solche Sätze wie: Dass er das Glück hatte, in seiner Lehrzeit Biermann und Havemann kennengelernt zu haben und ihn das geprägt habe. Da musste ich an dich denken, und wie du solche Leute magst«, lachte Meyerbrinck.

»Ja, ja unsere intellektuellen Grabenschützen und immer von der Stasi umzingelt.« ,grummelte Koslowski. »Wetten das er sich daran erst nach der Wende erinnerte. Wenn es denn überhaupt stimmt. So was nennt man wohl, seinen Selbstwert steigern.«

»Deswegen meinte ich, gut dass du nicht mitgekommen bist.« Meyerbrinck grinste ihn an. Er wusste, er hatte Koslowski wieder auf dem richtigen Fuß erwischt.

»Und bei dir? Irgendetwas Ergiebiges?«, fragte Meyerbrinck.

»Drei Zeugen die Luise am Samstag noch zwischen 19.00 und 19.30 Uhr lebend gesehen haben. Zwei der Zeugen mit einem Mann.

Eine Frau Jacobs, wohnt im Nachbarhaus. Sie kennt Luise und ihre Mutter vom Sehen. Sie konnte den Mann nicht richtig erkennen, vermutete aber das es der Vater sei. Das war kurz vor 19.30. Dann ein Herr Sendel. Ein akkurater Herr mit sorgsam polierter Glatze. So um die 50. Er hat ein Versicherungsmaklerbüro mit Bürozeiten von 10.00 bis 19.00 Uhr, auch samstags. Auf dem Heimweg vom S-Bahnhof Greifswalder Straße kommt er immer über den Zugang, an dem der Thälmannkopf steht. Er hat das Mädchen mit einem Mann am Spielplatz stehen sehen. War aber zu weit weg, um etwas genau erkennen zu können. Selbst ob es die kleine Luise war, war er sich nicht sicher. Auch hier muss es nach seiner Aussage kurz vor 19:30 Uhr gewesen sein. Die dritte Zeugin, eine Frau Reuter. Ca 75 Jahre und ehemalige Opernregisseurin hat ihren neurotischen Köter Gassi geführt. Ich hab den kennengelernt. Was für ein Kläffer.«

Koslowski verdrehte bei der Erinnerung an den Hund die Augen.

»Sie hat die Kleine gegen 19.00 gesehen. Allerdings allein. Sie spielte an der Rutsche.« Er stand auf und fing an im Büro herumzuwandern. »Also was haben wir? Das Kind ist bis kurz vor 19:30 Uhr lebend gesehen worden. Mit einem unbekannten Mann sprechend. Die Mutter war um diese Zeit wahrscheinlich schon in Friedrichshagen bei ihrem Liebhaber, der ihr sicher nicht nur was aus seiner vermeintlichen DDR Dissidentenzeit erzählte. Womit die beiden, wenn sie nicht gelogen haben, ein Alibi haben. Wir können davon ausgehen, dass Luise bis kurz vor 19:30 Uhr noch am Leben war. Wir müssen mit mehr Leuten noch einmal eine Befragung in den Häusern durchführen. Jetzt haben wir einen Zeitpunkt und einen unbekannten Mann, der mit ihr gesprochen hat. Vielleicht hat doch jemand was gesehen und kann uns eine Beschreibung von dem Unbekannten liefern oder der Unbekannte meldet sich sogar selbst. Wir sollten das morgen früh in die Wege leiten. Einwände?«

Koslowski schaute Meyerbrinck an.

»Nein, machen wir so. Klärst du morgen mit dem Chef, dass wir noch mehr Leute für die Befragung brauchen?«

»Ich ruf ihn gleich an. Er wird sowieso wissen wollen, wie der Stand der Dinge ist. Und danach? Noch Lust auf ein Bier?«

»Nee, ich will nach Hause. Lotte und die Jüngste warten mit dem Essen auf mich. Ich hab mit ihr telefoniert. Aber ich fahr dich noch zu deinem Pub, wenn du willst.«

»Gern«, erwiderte Koslowski erfreut und griff nach seiner Jacke.

»Du solltest morgen aber ein anderes Hemd anziehen.«

»Wieso, müffel ich so stark?« Koslowski schnüffelte theatralisch unter seiner rechten Achsel.

»Nee«, sagte Meyerbrinck und deutete auf Koslowski‘s Bauch.

Koslowski schaute an sich hinunter, auf die leichte Wölbung seines Bauches und sah das Malheur. Ein Hemdknopf fehlte. Typisch Koslowski, dachte Tom Meyerbrinck.

4467 Tage oder Der Rache langer Atem

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