Читать книгу 4467 Tage oder Der Rache langer Atem - J. U. Gowski - Страница 17

9.

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Montag 9. Mai

Koslowski schreckte vom Weckerklingeln hoch. Die graue Katze, die es sich auf seinem Bauch gemütlich gemacht hatte, sprang erschrocken beiseite und hinterließ ein paar Krallenspuren auf seinem Bauch. Er knurrte und rieb sich die schmerzende Stelle. Er wusste nicht mehr, wie lange er noch bei dem alten Mann in der Wohnung gewesen war. Nur, dass aus der einen Tasse Tee noch zwei, drei Gläser Rotwein wurden. Und er vergessen hatte, das Paket mitzunehmen. Er schaute auf die Uhr. Sie zeigte 6.30 Uhr. Es war also genug Zeit. Um 8 Uhr wollte er in der Direktion sein. Kleines Meeting mit dem Chef und dann 8.30 Uhr die Einsatzplanung. Er ging in die Küche, um die Katzen zu füttern. Erwartungsgemäß saßen sie schon vor dem Schrank, in dem er das Futter aufbewahrte. Dann säuberte er das Katzenklo, bevor er sich um sich selbst kümmerte. Duschen, anziehen, dauerte keine Viertelstunde. Zähneputzen ging nicht, die Zahnpasta war alle und er hatte vergessen neue zu kaufen. Aber da war noch ein Rest vom Mundwasser. Mit Hilfe der Zahnbürste im Mund verrieben und kurz gegurgelt. So geht es auch mal, dachte er.

Während der Laptop hochfuhr, zog er sich an. Danach klickte er sich durch die Mails. Nichts dabei, was hätte sofort beantwortet werden müssen. Er zog seine Parkajacke an, klappte den Laptop zu und stülpte sein Thunder Basecap auf. Sich noch einmal umschauend verließ er die Wohnung. Die Katzen hatten es sich schon auf der Fensterbank gemütlich gemacht. Kurz bevor er die Treppe hinunter lief, schaute er noch auf das Namensschild an der Klingel der Nachbarwohnung. Er hatte sich den Namen seines gestrigen Gastgebers nicht gemerkt. Das Schild war alt und vergilbt. Professor Thieme stand darauf. So, so dachte er. Ein Professor. Im Hof schaute er noch einmal zur Nachbarwohnung hinauf, aber da regte sich nichts. Der Professor schläft wohl noch. Koslowski trat auf die Straße und überlegte kurz, wo er sein Auto das letzte mal abgestellt hatte. Er entdeckte es in der Knaackstraße. Ein zehn Jahre alter Suzuki Swift, in einer Farbe, die man ursprünglich als blau bezeichnet hätte. Er hatte ihn sich vor drei Jahren gebraucht für 850,- Euro gekauft. Entscheidend waren der geringe Kilometerstand und das Automatikgetriebe gewesen. Er verstand nicht, warum Autofahrer auf Gangschaltung beharrten, wo es sich doch mit Automatik viel entspannter fuhr. Eine Autowaschanlage hatte der Suzuki noch nie gesehen, seit er in Koslowskis Besitz war. Innen staubig, der Beifahrersitz zugemüllt mit Papierresten und CD-Hüllen. Die Visitenkarte seines Besitzers. Trotz des Alters sprang das Auto zuverlässig an. Wieder fiel ihm ein, dass er einen neuen TÜV brauchte. Die Plakette war schon fast zwei Jahre alt. Er schob Peter Gabriels deutsches Album in das CD-Fach und fuhr langsam los. Vorn bog er in die Sredzkistraße ein, um sich später in die Kolonnen auf der Prenzlauer Allee einzuordnen. Der Stress hatte ihn wieder.

Meyerbrinck schaute auf die Uhr. 7.00 Uhr! Das wird knapp, dachte er. Nach dem Sonntag wollte er den Montagmorgen eigentlich ruhiger angehen. Er war um 6.00 Uhr aufgestanden, hatte sich und seiner Frau Kaffee in zwei Tassen aufgebrüht und ans Bett gebracht. Eigentlich das sonntägliche Ritual, was sie beide sich nicht gern nehmen ließen. Doch seine Frau hatte am heutigen Montag gegen zehn Uhr einen Arzttermin und war dadurch nicht wie sonst schon um diese Zeit auf dem Weg zur Arbeit. Das Kaffeetrinken im Bett, ein morgendlicher Ruhepol, bevor der Tag begann sie zu fordern. Die Tassen waren riesig, ein Mitbringsel von einer gemeinsamen Reise nach New Orleans. Im Bett sitzend redete man noch über die verschiedensten Dinge, bevor man sich für den Tag fertigmachte. Es wurde ruhiger in der Wohnung. Sein Sohn, das älteste der drei Kinder war schon vor sechs Jahren in eine WG gezogen und lebte jetzt mit seiner Freundin zusammen. Dann vor zwei Jahren, hatte sich die mittlere Tochter zu ihrem Freund verabschiedet. Es blieb nur noch das Nesthäkchen, das einem mit ihren 15 Jahren das Leben schwer machte.

»Wann kommst du heute ungefähr nach Hause?«, fragte Charlotte, während sie sich an seine Schulter kuschelte.

»Kann ich schwer einschätzen. Du weißt ja, wie das ist. Mal sehen wie die Aufgaben verteilt werden und wie weit wir damit kommen.«

»Lass dich bitte trotzdem nicht zu sehr von Koslowski vereinnahmen. Er hat kein Privatleben, du schon!«

»Oh, hat er auch. Ein bisschen Bier, ein bisschen Fußball kucken und zwei Katzen.«

Sie lachte auf. Gab ihm einen Kuss auf den Mund und stieg aus dem Bett. Er schaute ihr hinterher. Den Kampf um den Platz im Bad brauchte er erst gar nicht anzufangen bei zwei Frauen im Haushalt. Aus dem Zimmer seiner Tochter drang laute Pop Musik von einer Girlband, deren Namen sich Meyerbrinck nicht gemerkt hatte, nur dass es die derzeitige Lieblingsgruppe von ihr war. Er stand auf und klopfte an die Zimmertür.

»Komm aus den Federn und mach dich für die Schule fertig.«

»Bin schon dabei«, kam die prompte Antwort.

Er ging weiter in die Küche und stellte seine Tasse ab. Seine Frau war kurz aus dem Bad raus, da nutzte er die Gelegenheit und huschte hinein. Nach dem kurzen Duschen putzte er sich die Zähne und rasierte sich. Charlotte hatte inzwischen noch einen Kaffee gebrüht und reichte ihm die Tasse, als er aus dem Bad kam. Er nahm einen vorsichtigen Schluck, dann einen größeren und zog sich an. Fertig angezogen, gab er seiner Frau noch einen Kuss und strich ihr sanft über die braunen, schulterlangen Haare. Den letzten Schluck nahm er schon halb aus der Tür. Charlotte nahm ihm die Tasse ab und sah kritisch an ihm herunter: »Ich hoffe, du hast eine saubere Hose angezogen?«.

Er liebte seine Frau. Doch es nervte ihn, wenn sie sich bei ihm als Erzieherin betätigte. Seine Mutter bezeichnete sie gern unfreundlich als Gouvernante, natürlich nur wenn sie nicht dabei war. Doch was seinen Töchtern sicherlich zuträglich war, darauf konnte er gut und gerne verzichten. Während sich seine Augen verengten, ein deutliches Signal, das er genervt war, zog er sich das Jackett über. Mit dem Einsteigen ins Auto waren die Gedanken aber schon nicht mehr bei seiner Frau.

4467 Tage oder Der Rache langer Atem

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