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Tägliches Training

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Diese Aufgabe lässt sich nicht schnell lösen. Wir müssen täglich kompromisslos daran arbeiten, selbst wenn wir den Eindruck haben, dass es zu nichts führt. Solche Wunden sind nicht geheilt, wenn wir eine verborgene Erinnerung wie einen „Aha“-Moment wiederaufleben lassen, der nur im Film funktioniert. Es geht nicht um das Kramen in Erinnerungen, sondern um das Empfinden von Gefühlen. Allerdings ruhen die wahren Gefühle bereits so lange, dass tatsächlich die Verschaltung des Gehirns verändert werden muss, um sie wahrzunehmen. Es ist nicht möglich, sich in Gefühle hineinzudenken oder hineinzuanalysieren. Eine Veränderung bewirken wir nur, wenn wir altbekannte Muster und Gewohnheiten ändern. Das geschieht nicht einfach über Nacht. Das Umschalten auf ein anderes Programm dauert Monate oder Jahre. Mit der Zeit wird aus diesem Training ein Automatismus, bis es unsere neue Standardeinstellung ist.

Stellen wir uns das Ganze wie das Erlernen einer neuen Sprache vor. Niemand dürfte in der Lage sein, eine Fremdsprache innerhalb eines Monats zu lernen. Ich kann es zumindest nicht. In der Schule hatte ich sechs Jahre lang Latein und kann mich höchstens an zwei Wörter erinnern.

Glücklicherweise belohnt uns unsere Erfahrung mit diesem Projekt weit mehr als Latein zu lernen. Allerdings nimmt dieser Prozess tatsächlich eine ganze Weile in Anspruch und setzt die Aktivierung von Teilen unseres Gehirns und Körpers voraus, die seit Langem (wenn überhaupt) nicht mehr benutzt werden. Das erfordert Geduld mit sich selbst. Schließlich erwartet auch niemand, dass wir bereits am ersten Unterrichtstag die Abschlussprüfung für das große Latinum bestehen. Ein schlechter Tag bedeutet nicht, dass wir hoffnungslose Versager sind – ebenso wenig wie die schlechteste Note in einem Test bedeutet, dass wir die Klasse nicht bestehen werden. Wenn wir auf unserem Weg versagen oder stolpern, könnten wir bei einem guten Lehrer auf dessen besondere Unterstützung zählen, um den Stoff besser zu verstehen. Doch in diesem Fall muss jeder selbst sein eigener guter Lehrer sein.

Für komplexe emotionale Probleme kann ich keine unmittelbare Lösung anbieten und ich rate zu Vorsicht vor jeder Person, die das von sich behauptet. Was ich hingegen anbieten kann, sind Instrumente, Perspektiven, Ressourcen und Übungen, mit deren Hilfe sich die alten Gewohnheiten der Psyche langsam verändern lassen. Wenn sich am Ende das Unbehagen im Körper offenbart und wir es erfolgreich freisetzen, können wir endlich Frieden finden.

Obwohl dieser Prozess lange dauert, kann ich eine Sache versprechen: Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Das Ergebnis ist nicht einfach eine provisorische Ausweichmaßnahme für das Symptommanagement, sondern ein echtes Wohlgefühl in unserem Inneren (dem Kern). Mit diesem Buch verfolge ich die Kombination der klassischen Psychologie mit alternativen Konzepten: Kernverletzung, das schützende oder falsche Selbst, Liebe und Achtsamkeit. Trauma und Scham als komplexe emotionale Zustände funktionieren auf seltsame – und doch vorhersehbare – Weise. Mit ausreichend Training und Engagement können wir diese heiklen Abwehrmechanismen aufbrechen und zur Wurzel jener Zustände vordringen, die zuvor noch als „unheilbar“ oder „hoffnungslos“ galten.

Wer im Verlauf dieser Arbeit unerträgliche Gefühle, Trigger, Ängste oder Depressionen wahrnimmt, ist dringend angehalten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir erkunden hier unangenehme Empfindungen und Therapeuten können sich dabei als unschätzbare Quelle erweisen, die uns durch das Dunkel leitet.

Ganz ich!

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