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BEDINGUNGSLOSE LIEBE FINDEN

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Skeptiker können dieses Kapitel jetzt überspringen, das ist völlig in Ordnung. Sonst rollen sie vermutlich nur die Augen und seufzen.

Gegen Ende des Sommers 2016 verschlimmerte sich das Gefühl in meinem Herzen zunehmend, obwohl ich mich mehr damit befasst hatte als je zuvor. Meine alte Hoffnung und mein alter Optimismus waren der Angst gewichen. Jeden Morgen erwachte ich schweißgebadet mit einem Druck auf dem Herzen aus einem Albtraum und hatte das Gefühl, die Welt würde mich erdrücken.

Ich brauchte dringend Ruhe und verbrachte ein verlängertes Wochenende in den White Mountains in New Hampshire. Es gibt dort einen wunderschönen Wanderweg entlang einem Wasserfall bis zum Gipfel und das Wasser ist perfekt geeignet für ein Bad. Ich liebe es seit jeher, mich im oder am Wasser aufzuhalten. Wasser übt eine beruhigende Wirkung auf mich aus, daher schien dies der perfekte Ort für eine Auszeit zu sein.

Doch selbst an diesem überaus friedlichen Ort verschlimmerte sich das Gefühl in meinem Herzen. Die Albträume hörten nicht auf. Bei meiner Rückkehr nach Hause fühlte ich mich ausgelaugter als zu Beginn meiner Reise.

Während der Rückfahrt überkam mich Hoffnungslosigkeit. Wenn ich dort keine Ruhe finden konnte, wie könnte mir das je irgendwo gelingen? Irgendetwas musste mit mir wirklich nicht stimmen und es wurde nur noch schlimmer. Das Gefühl in meinem Herzen würde nie verschwinden. Ich hatte ein Problem und keine Lösung dafür.

Ich war ein gebrochener Mensch.

Als ich mir einen schlechten Rap-Song aus der Playlist meiner Schwester anhörte, hatte ich plötzlich eine Erscheinung, die freundlich lächelte und ihre Hände nach mir ausstreckte und mir zuwinkte. Sie war so liebevoll und wunderschön und nickte aufmunternd, dass ich an ihr zweifelte. Meine Zweifel kümmerten sie nicht. Für sie existierte so etwas wie ein „gebrochener Mann“ nicht. Sie liebte mich ohne Einschränkungen, so wie ich war, mit dem Gefühl in meinem Herzen und allem anderen. Und plötzlich löste sich das Gefühl in meinem Herzen auf, das mich so lange eingeengt hatte, und machte einer Sanftmütigkeit Platz, die mir seit Jahren fremd war.

Zum Verständnis verweise ich darauf, dass mich als lebenslanger Agnostiker dieser Vorfall äußerst verwirrte. Mein logisch analysierender Verstand übernahm schnell wieder die Kontrolle und entschied, dass ich nun endgültig verrückt geworden sei – es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Und als ich wieder die mentale Kontrolle über die Situation gewann, kehrte das vertraute beklemmende Gefühl in meinem Herzen zurück.

„Hm“, dachte ich bei mir. „Meinem Herzen gefällt es also, geliebt zu werden. Es gefällt ihm nicht, analysiert und beurteilt und wie eine Laborratte behandelt zu werden.“

Seltsam.

Von dem Moment an betrachtete ich bedingungslose Liebe als die Grundlage, auf der ich meine Heilung aufbaute. Ich meditierte und vertraute vollständig darauf und griff im Bedarfsfall darauf zurück. Auf diese Weise „dachte“ ich mich nicht nur in Liebe hinein, sondern „empfand“ diese auch – ein Zustand, gegen den sich mein Körper natürlich heftig zur Wehr setzte. Diese Liebe stimmte mich milde, sodass ich die Wahrheit in meinem Körper ohne Angst oder Kontrolle erfahren konnte.

Ob nun Jesus, Gott, Allah, das Universum, das Wesentliche, Liebe, Geist, Achtsamkeit oder ein Typ namens Tom . . . es spielt keine Rolle, wie wir es nennen. Während unseres Heilungsprozesses müssen wir eine Quelle der bedingungslosen Liebe finden, denn der springende Punkt ist, dass wir die Liebe im Moment nicht richtig empfinden. Die beschriebenen Zustände handeln im Großen und Ganzen vom Eingesperrtsein in einer Schutzwelt und dem Gedanken zu wissen, wie Liebe funktioniert, und dennoch immer wieder zu scheitern. Eine Beziehung mit bedingungsloser Liebe aufzubauen, ermöglicht den Ausbruch aus diesem Denkmuster.

Dabei ist es nicht die höhere Macht, die wir bitten, uns bei unseren Hausaufgaben zu helfen oder das Fußballspiel zu gewinnen oder unsere politischen Ansichten zu bestätigen. Vielmehr ist es die Quelle, die wir bitten, uns zu lieben, wenn wir selbst keine Liebe empfinden können. Sie ist stets bereit, Liebe zu schenken. Sie ist immer für uns da, besonders wenn wir straucheln.

Der Mensch hält oft an einem idealisierten Bild der Liebe fest, bei dem es vorwiegend um eine romantische Zwangsvorstellung, das Retten oder Gerettetwerden, Selbstaufopferung, Aufmerksamkeit und Sympathie geht. Immer wieder sucht er diese „Liebe“ bei anderen in dem Glauben, endgültig glücklich zu werden, wenn der ihm diese entgegenbringt. Aber natürlich genügt es nie, weil es sich anstatt um ein externes um ein internes Problem handelt. Unser Heilungsprozess beschäftigt sich mit dem Erkunden einer anderen Art von Liebe – einer Liebe, die nichts mit anderen zu tun hat. Unsere Liebe ist beruhigender und leichtherziger.

Nicht für jeden ist das eine Selbstverständlichkeit, was auch wirklich kein Problem ist. Ich verlange einzig, dass wir dieser Liebe offen gegenüberstehen, weil wir sie brauchen. Wer glaubt, das sei dumm oder töricht, soll sich diese einfache Frage stellen: Funktioniert meine Methode?

Wer den spirituellen Ansatz bevorzugt, stellt sich einfach ein weißes Licht vor, das stets über uns tanzt und lächelt, während es auf dieser Reise über uns wacht. Vielleicht weint es ein paar Freudentränen vor Aufregung, dass wir uns auf diese Reise begeben und nickt uns aufmunternd zu, damit wir weitermachen. Fangen wir dort an und beobachten wir, was geschieht, je weiter wir vorankommen.

Unser Ziel ist es, uns von der gedachten Liebe wegzubewegen hin zur gefühlten Liebe. Wir müssen nichts tun, um diese Liebe zu empfangen. Falls unsere höhere Macht uns überzeugt, den Arbeitsplatz zu wechseln oder uns mit einem misshandelnden Ex zu versöhnen, uns auf eine neue Beziehung einzulassen, ein neues Projekt umzusetzen oder als Begründung für Diskriminierung oder eine sonstige Misshandlung anderer missbraucht zu werden … dann ist das keine höhere Macht. Dann ist es unser Ego, das sich selbst im Namen „Gottes“ dazu ermächtigt.

Wir könnten versuchen, einfach an Ort und Stelle sitzen zu bleiben, keinen Muskel zu bewegen und wahrzunehmen, wie dieses Gefühl unseren Körper flutet. In dem Bewusstsein, dass wir geliebt und akzeptiert werden, so wie wir sind, just in diesem Augenblick.

Bedingungslose Liebe bedeutet nicht „Ich empfange Liebe, wenn ich Gutes vollbringe“. Das ist bedingte Liebe. Wenn wir bedingte Liebe von einem Elternteil oder Partner erfahren, ist es nur natürlich, dass wir dieselbe bedingte Liebe von der höheren Macht begehren. Wir glauben, wenn wir alles richtig machen oder uns genügend aufopfern oder genügend heilen oder genügend entschuldigen oder was immer sonst genügend machen … dann wird uns endlich die Liebe zuteil. Dann werden wir endlich wieder eingelassen. Wir können diese höhere Macht als eine strafende Gestalt oder ein angsteinflößendes Etwas betrachten. Angenommen, unser Partner sagt: „Geh auf die Knie und gestehe all deine Missetaten.“ Würden wir das als Liebe bezeichnen? Hoffentlich nicht.

Wir müssen uns von dieser Denkweise lösen und eine neue Art von Liebe erkunden – eine Liebe, die wir vielleicht noch nie zuvor erfahren haben.

Bedingungslose Liebe sagt: „Ich werde geliebt, sogar (besonders) wenn ich strauchle.“ Der Überlebende einer Cluster-B-Beziehung sollte sich bei zwanghafter Beschäftigung mit dem Ex oder dessen Facebook-Seite selbst Liebe schenken. Der Borderline-Persönlichkeitsgestörte sollte sich bei einem Wutanfall selbst Liebe schenken. Der KPTBS-Betroffene sollte sich bei Fantasien von Rache oder Gerechtigkeit selbst Liebe schenken.

Das bedeutet nicht, dass solche Dinge gesund sind. Das bedeutet nicht, dass wir uns selbst ermutigen sollen, solche Dinge weiter zu tun. Das bedeutet nicht, dass wir es als Rechtfertigung sehen können, andere ohne Konsequenzen zu verletzen. Das bedeutet nicht, dass wir von anderen Mitleid erwarten sollen, während wir diesen Prozess durchlaufen. Es ist schlicht eine innere Erkenntnis, dass es sich um das Verhalten einer Person handelt, die leidet – und uns selbst dafür zu bestrafen, verschlimmert nur genau den Zustand, dem wir zu entkommen versuchen.

Ganzheit können wir wiedererlangen, indem wir das Gleichgewicht wiederherstellen – indem wir also weniger Energie in die Psyche und mehr Energie in Körper und Geist fließen lassen. Im Körper versammeln sich außerordentlich schmerzliche Gefühle: Schuld, Scham, Ablehnung und Angst. Viele dieser Gefühle wurden betäubt, um uns zu vor dem Bruch zu schützen. Sobald wir unseren Körper auffordern, diese Gefühle (langsam) wahrzunehmen, stellen wir fest, dass es für eine Person allein kaum tragbar ist. Und jetzt kommt der Geist, oder die bedingungslose Liebe, wieder ins Spiel.

Unser Geist möchte, dass wir nur Freude und Liebe empfinden und beseitigt alle Hindernisse, die diesem Ziel im Weg stehen. Er ist barmherzig und nachsichtig, selbst wenn wir das im Augenblick nicht spüren können. Die meisten Menschen werden mit einem unversehrten Geist geboren und müssen nicht „spirituell“ sein, um diesen wahrzunehmen. Der Geist repräsentiert lediglich das angeborene Gefühl, gut zu sein und ohne äußerlichen Grund einen Zweck zu erfüllen und Freude zu empfinden. Wer als Kind in einer gesunden, liebevollen Umgebung aufwächst, lebt wahrscheinlich mit seinem Geist verbunden – ob das Umfeld religiös geprägt ist oder nicht. Wer hingegen als Kind in einem von Scham und Beurteilung geprägten religiösen Umfeld aufwächst, lebt wahrscheinlich von seinem Geist getrennt.

Beispielsweise kann ein Student, der jede Nacht ausgeht, trinkt und feiert, den Gedanken an Spiritualität belächelt und noch nie in seinem Leben gebetet hat, mit seinem Geist in Verbindung stehen. Er empfindet keine Scham und verspürt keine innere „Schlechtigkeit“. Er ist vollkommen, auch wenn er seinen Körper schlecht behandelt. Eine spirituelle Person hingegen kann abstinent leben, anderen Menschen ihr ganzes Leben widmen und dennoch das Gefühl haben „nicht zu genügen“. Eine solche Person lebt von ihrem Geist getrennt.

Diese Trennung tritt ein, wenn sich in unserem Inneren eine Botschaft verankert, die uns das Gefühl der Trennung von bedingungsloser Liebe vermittelt. Die in diesem Buch beschriebenen Zustände verleiten sicher oft zu einer „Trennung“ von unserem Geist und normalerweise wurde die problematische Botschaft betäubt. Ich setze das Wort „Trennung“ in Anführungszeichen, weil wir nicht wirklich getrennt sind – vielmehr beherbergen wir einen falschen Glauben, der diesen Eindruck entstehen lässt.

Darauf aufbauend kommt alles andere wirklich nur einem Versuch gleich, jene ursprüngliche Trennung von bedingungsloser Liebe – von unserem wahren Selbst – zu kompensieren. Wir glauben, wenn wir X einfach tun können, stellt sich die Verbindung wieder her. Aber natürlich funktioniert es nie auf diese Weise.

Der Geist bzw. die bedingungslose Liebe ist einfach der Teil unseres Selbst, der uns aus keinem logischen Grund nährt. Im Falle einer Trennung wird der Geist immer versuchen, seinen Weg zu uns zurückzufinden (manchmal auf äußerst unbequeme Weise), weil er ist, wer wir wirklich sind.

Sobald wir erkennen, wie unerbittlich sich diese liebevolle Macht für uns einsetzt, werden wir uns daran erinnern, wie sich tief empfundene Liebe anfühlt. Das Herz ist das Tor zu diesen zerbrochenen Teilen unseres Selbst und außerdem ist es unser Zuhause.

1. Abspaltung bezieht sich auf das unbewusste Versäumnis, Aspekte der eigenen Person oder anderer in einem vereinten Ganzen zu integrieren.

2. Negativitätseffekt: Negative Gedanken, Gefühle oder Erlebnisse wirken sich psychisch stärker aus als positive oder neutrale, auch wenn sie in gleicher Intensität auftreten.

Ganz ich!

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